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Als Fußgänger in Berlin: "Ich hasse Radfahrer UND Autofahrer"


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Das Leid der Fußgänger
Das letzte Glied in der Verkehrshackordnung

MeinungVon Nathalie Rippich

08.06.2019Lesedauer: 4 Min.
Ein Rennradfahrer auf Berlins Straßen: Für Fußgängerin Nathalie Rippich sind vor allem die Radfahrer in der Großstadt gefährlich. Ein Auto hat sie noch nie umgefahren – Fahrradfahrer dafür wiederholt.Vergrößern des Bildes
Ein Rennradfahrer auf Berlins Straßen: Für Fußgängerin Nathalie Rippich sind vor allem die Radfahrer in der Großstadt gefährlich. Ein Auto hat sie noch nie umgefahren – Fahrradfahrer dafür wiederholt. (Quelle: imago-images-bilder)
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Ich hasse Radfahrer. Und ich hasse Autofahrer. Bei all dem Gemecker übereinander vergessen diese Verkehrsteilnehmer nämlich oft, dass es mich auch noch gibt – den wehrlosen Fußgänger.

Ich habe einen Führerschein, nenne ein kleines, aber feines Auto mein Eigentum. Vor dem Haus habe ich ein Fahrrad angeschlossen. Es hat funktionierende Bremsen, Licht und ein schickes gelbes Vorderrad. Sowohl mein kleiner Peugeot als auch mein alter Drahtesel bleiben aber meistens stehen. Denn am liebsten gehe ich durch die Stadt, nehme für weitere Strecken die Bahn oder den Bus.

Ich kann in den "Öffis" lesen oder meinen Gedanken nachgehen, laufe nicht Gefahr, jemanden zu überfahren oder überfahren zu werden. Sobald ich aussteige, den Schutzraum verlasse, wird es jedoch übel. Motzende Radfahrer, die vor lauter Kopfschütteln über die Autofahrer vergessen, auf den Weg vor sich zu gucken. Autofahrer, die wild gestikulierend und hupend Radfahrer von der Spur jagen wollen. Und dazwischen ich. Eher langsam und nur mit mir selbst als Knautschzone ausgestattet.

Ich habe keine Superkräfte

Gerne würde ich mir all die Bauwerke der Hauptstadt ansehen. Aber dazu komme ich gar nicht. Denn ich fühle mich jeden Morgen ab 8 Uhr wie in einem Computerspiel. Ich bin Super Mario. Die Radfahrer, die mit einem Affentempo ungeachtet der Ampelfarben (Rot heißt übrigens stehen bleiben!) durch Mitte und den Prenzlauer Berg brettern, sind die kleinen Monster, die mir meine Leben abluchsen wollen. Das Problem: Ich habe nur ein Leben und anders als im Spiel gibt es im wahren Leben keine Pilze, die mir Superkräfte verleihen.

Die Autofahrer sind für mich – zu Fuß unterwegs, gemütlich spazierend – nicht das größte Problem. Die meisten bleiben bei Rot stehen, halten am Zebrastreifen und lassen mir genug Zeit, um über Ampelkreuzungen zu kommen.

Die Straßenverkehrsordnung gilt für alle

Mein Problem sind Radfahrer. Und zwar jene, die für sich fordern, ein gleichberechtigter Teil im Straßenverkehr zu sein, sich aber nicht an die gleichen Regeln wie alle anderen halten wollen. Jene Radfahrer, die denken, dass sie dem dicken Mercedes auf die Motorhaube schlagen dürfen, weil er im Weg rumsteht – während eine Oma mit Rollator sich in das Vehikel quält. Mein Problem sind die Radfahrer, die dann einfach auf den Bürgersteig rasen, sich noch nach dem Autofahrer umdrehen und mich dabei über den Haufen fahren. Und sich selbst dabei mächtig wehtun. Die Straße ist für alle da, die Straßenverkehrsordnung auch. Merkt euch das endlich!

Und die Autofahrer? Ich hasse sie ebenfalls, auch wenn sie nicht mein erstes Problem sind. Denn während sich die meisten an ein paar Regeln mehr halten als die Radfahrer, sind sie doch das stärkste Glied in der Verkehrshackordnung. Wie ich Angst davor habe, dass die Armada an Radfahrern in der Berliner Linienstraße mich platt fährt und es bei ihrer Geschwindigkeit nicht mal merkt, haben die Radler Angst vor den Autofahrern. Sie fixieren sich so sehr auf ihren vierrädrigen Gegner, dass sie den Blick für mich verlieren. Kein Wunder. Denn wenn es Hunderte Geschichten von achtlosen Radfahrern gibt, gibt es Tausende von blinden Autofahrern.

Der Tod fährt mit

Sie sitzen geschützt in ihren Blechkästen, haben es warm und trocken, hören im besten Fall ihre Lieblingsmusik und verpesten nebenbei meine Atemluft. Und das, während draußen das Chaos regiert. Sie sind stark, haben wenig zu verlieren. Außer den Führerschein und das eigene Leben. Oder den Verstand. Nämlich dann, wenn sie damit leben müssen, dass sie jemanden verletzt oder umgebracht haben. Blinken – wozu? Schulterblick – ach Quatsch!

Die Mutter einer Freundin ist fast einer rücksichtslos aufgerissenen Fahrertür zum Opfer gefallen. Nur durch Glück kam sie mit mächtigen blauen Flecken davon. 2017 hatte ein Radfahrer weniger Glück: Nachdem ein saudischer Diplomat in Berlin ohne Sicherheitsblick seine Tür aufgerissen hat, war der Aufprall so heftig, dass der Verunglückte den Unfall nicht überlebte. Es gibt Tausende weitere Beispiele, die zeigen, wie schell die Unachtsamkeit eines Autofahrers einen Radfahrer das Leben kosten kann.

Die genannten Fälle repräsentieren sicher nur eine Minderheit. Viele Radfahrer und Autofahrer werden sich nicht angesprochen fühlen. Teilweise zu Recht. Aber diese Fälle sind prägnant und sie beeinflussen das Verhalten im Straßenverkehr. Wir fahren und gehen nicht miteinander – wir verhalten uns gegeneinander. Was soll das?

Macht doch einfach mal langsamer

Keine Frage, die Infrastruktur für das Zusammenleben von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern ist nicht optimal. Nicht in Berlin, nicht in Köln, nicht in Hamburg, Leipzig und anderen kleineren und größeren Städten. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass sich das ändert. Gemeinsam.

Und bis es soweit ist, zur Hölle, macht doch einfach mal etwas ruhiger! Auch für die, die für euren Kleinkrieg auf der Straße nichts können. Für uns Fußgänger. Okay, okay, ich gehe auch manchmal bei Rot über die Ampel und ja, ich laufe manchmal träumerisch auf dem Fahrradweg herum.

Also für alle – auch für mich: Es gibt eine Straßenverkehrsordnung. Lasst sie uns, so gut es geht, befolgen. Es gibt eine faktische Hackordnung. Autofahrer sind geschützter als Radfahrer. Denkt bitte daran, wenn ihr euer Recht auf Teufel komm raus durchsetzen wollt. Und es gibt Benehmen. Wenn es sich nicht gerade um den Fahrer eines Rettungswagens handelt, stirbt niemand, wenn das Ziel fünf Minuten später erreicht wird. Im Zweifelsfall rettet etwas Geduld Leben.

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