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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte Oldtimer-Reise: Auf Spritztour im bayerischen Oberland
Alte Autos sind gefragt. Doch nicht jeder will sich einen Oldtimer in die Garage stellen. Muss man auch nicht, denn Reiseveranstalter bieten Touren mit Autoklassikern an. .
Mitten auf dem Land steht der Bauernhof, der in den Ställen keine Kühe mehr beherbergt, sondern Oldtimer. Jo Werner hat sich mit seinen "Kindern" hier breit gemacht. Schön sind sie alle, von liebevollen Händen auf Hochglanz gebracht bis unter die Motorhaube. Da fällt die Wahl schwer.
Unterwegs mit Lotte
Aber dann sehe ich sie: Lotte, das weiße Käfer-Cabrio, Baujahr 1977. Und ich weiß: Das ist mein Auto für diese kleine Zeitreise. Nicht nur wegen des Namens - ich heiße ja eigentlich Liselotte und meine Mitschüler nannten mich Lotte. Auch der Erinnerung wegen: Bin ich doch schon als Kind mit meinen Eltern in einem alten Käfer in die Berge gefahren - auf dem Rücksitz, wo es mir grundsätzlich schlecht wurde.
Später als Studentin blieb ich dem Käfer treu, fuhr einen uralten mausgrauen VW, den ich zwar billig bekommen hatte, der sich aber als teurer Benzinsäufer outete. Trotzdem mochte ich meinen Käfer und war ziemlich unglücklich, als ihn mir ein eiliger Münchner zu Schrott fuhr. So glänzend gepflegt wie Lotte war mein alter Grauer allerdings nie. >>
Aber Kupplung, Steuerrad, Blinker - alles wie gehabt. Ich bin gleich wieder vertraut und fahre munter drauflos. So richtig schnell wird Lotte nicht, auch wenn ich das Gaspedal ganz runterdrücke. Ich will ja auch kein Rennen fahren, sondern die Landschaft genießen - und natürlich das alt-vertraute Fahrgefühl.
Wenn ich nicht immer wieder im "Roadbook", das Jo Werner mir als Wegweiser wie all seinen Kunden mitgegeben hat, nachschauen müsste, wann der nächste Abzweig kommt - das Fahren wäre der reine Genuss. So geht's eher langsam voran - mit Orientierungsstopps.
Für ein Auto, das die meiste Zeit seines Daseins auf Sylt verbracht hat, hat sich Lotte bis hierher gut geschlagen. Wir beide sind ein flottes Team, finde ich. Und Jo Werner hat eine gute Tour rausgesucht. "Handverlesen" seien seine wegweisenden Ratschläge, hat er vorher gesagt und dass er die Wege immer erst selbst abfährt, bevor er das "Roadbook" erstellt. Der Mann scheint in dem Hobby, das er zum Beruf gemacht hat, aufzugehen. >>
Als Vermögensverwalter hat er 18 Jahre lang ordentlich Geld verdient, das er "in altes Blech" investierte.
Oldtimer mit Geschichte
Inzwischen hat er 55 Oldtimer auf dem Bauernhof stehen, 44 eigene und elf "Pflegekinder". Wie Lotte haben sie alle Namen - und oft auch eine Geschichte zu erzählen. Mercedes Lucy etwa, mit Baujahr 1938 die älteste, und an diesem Tag "auf Hochzeit", wurde 1945 in Rostock von einem Zahnarzt gekauft, der das Auto bis zur Wende fuhr. Danach verkaufte er es an Conrado Dornier, der es in einem Segelflughangar bei Bad Tölz zwischenparkte und vergaß. Erst bei der Dornierpleite erinnerte er sich an den Oldtimer und machte ihn zu Geld. So kam Lucy zu Werners Wagenpark.
"Unsere Kinder" nennt Familienvater Werner die alten Autos und schaut dabei so verliebt drein wie ein Pennäler auf dem ersten Schülerball. "Diese Autos wurden früher von ihren Besitzern heiß geliebt und sie werden von uns weiter geliebt", sagt der Sammler. Auch deshalb haben sie alle Namen.
Therapeutische Entwicklung
Dann wären da noch Alessandro, der feuerrote Ferrari aus der Schweiz, der Ur-Mustang Bob, "ein Cruiser-Auto" oder der Hochstapler Jimmy, ein graues Porsche-Billigmodell für den deutschen Markt. Besonders beliebt die Charlie, eine hellblaue Triumph Vitesse rechts gelenkt, vielleicht weil auch John Lennon schon so ein Auto fuhr, das nur 3502 Mal gebaut wurde.
Gerne erzählt Jo Werner von der dreijährigen Tochter eines Bekannten, die zu ihm gesagt habe: "Du, ich weiß jetzt, warum die Autos alle Namen haben: Sie haben Gesichter." Stimmt. Auch Lotte hat ein Gesicht, heiter ist es. Grad so, wie ich mich fühle, wenn wir in den Sonnenuntergang hinein fahren.
"So eine Oldtimer-Tour kann auch eine therapeutische Wirkung haben", hatte Werners Kompagnon Thomas Rippel gesagt. Ich fand's etwas übertrieben. Aber eigentlich hat er Recht. Um Lotte zu steuern, musste ich schon was tun, musste kuppeln und schalten und richtig auf Gaspedal drücken - das Cabrio hat ja weder Bremsverstärker noch Servolenkung. Und dabei habe ich mich nicht nur an meine ersten Käfer-Erfahrungen erinnert, sondern auch den ganzen Alltagsstress vergessen.
Weitere Informationen
Jo Werner und Thomas Rippel arbeiten seit 2008 mit ADAC-Reisen zusammen. Hier kann man ein ganzes Oldtimer-Package buchen, drei Tage, zwei Übernachtungen im vorgebuchten Hotel, Roadbook und "Sorglos-Paket" (Vollkasko mit 500 Euro Eigenbeteiligung. Bei Problemen ist der Verleiher telefonisch rund um die Uhr erreichbar). ADAC Reisen, Tel. 069/9588-00, www.adacreisen.de
Ab Hof kann man die Oldtimer auch nur für einen Ausflug ins bayerische Umland mieten:
Oldie-Garage, Boden 2, 85646 Anzing, Tel. 08124/445781, E-Mail: oldiegarage@email.de, www.oldie-garage.com