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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Opel Astra Electric im Test Der unauffällige Stromer
Opel baut sein Kompaktmodell Astra erstmals mit E-Antrieb. Was der Stromer bietet und warum er auch für lange Strecken taugt.
Kennen Sie diese Menschen, die täglich einfach ihren Job erledigen – und das in der Regel auch ziemlich gut –, aber kein großes Aufheben darum machen? So ähnlich ist das mit dem elektrischen Opel Astra. Nur Profis erkennen den Unterschied zum Astra mit Verbrennungsmotor, der hübsch designt ist, aber nicht um Aufmerksamkeit buhlt. Ein enormer Unterschied etwa zu den ID.-Modellen von VW, den EQs von Mercedes oder aber den früheren i-Modellen von BMW, bei denen Auffallen um jeden Preis zum Geschäftsmodell gehört.
Anders also beim Astra Electric, wie er offiziell heißt. Nur das "e" am rechten unteren Rand der Heckklappe und natürlich die veränderte Technik unter der Motorhaube sowie hinter der Tank- beziehungsweise Ladeklappe weisen ihn als Stromer aus.
Das ist er
Der aktuelle Astra (seit Mai 2022 auf dem Markt) kommt in einer reinen E-Variante – erstmals in der Geschichte der traditionellen Kompaktbaureihe. Somit ist er ein wichtiger Schritt für die Marke in Richtung Elektro-Zeitalter. 15 Modelle von Opel gibt es bereits mit elektrifizierten Antrieben, darunter den Corsa oder das Kompakt-SUV Mokka. Im kommenden Jahr soll es in jeder Baureihe ein rein elektrisches Modell geben.
Der Astra der Generation L teilt sich die technische Basis mit den Schwestermarken aus dem Stellantis-Konzern, so etwa Peugeot 308 oder DS 4. Typisch für die neuen Opel-Modelle ist die Frontpartie mit dem schwarzen "Vizor", der die beiden Frontscheinwerfer optisch verbindet. Seine Abmessungen sind identisch mit denen des Verbrenners, er streckt sich auf 4,37 Meter Länge, bietet einen Radstand von 2,67 Metern. Auch für größere Fahrer ist somit genügend Platz, und auch in der zweiten Reihe ist noch ausreichend Luft für die Beine.
Durch die im Fahrzeugboden verbaute Batterie geht kaum Platz im E-Modell verloren: Der Kofferraum fasst zwischen 352 und 1.268 Liter. Das ist genauso viel wie bei der Plug-in-Version und etwas weniger als beim Verbrennermodell, in den 422 bis 1.339 Liter passen.
Ebenso unverändert ist das Cockpit, das im Gegensatz zu vielen Modellen der Konkurrenz mit leicht bedienbaren, haptischen Schaltern für Heizung und Co. unter dem Mitteldisplay aufwartet und dennoch übersichtlich designt ist. Die beiden Displays werden durch ein (optionales) Head-up-Display ergänzt, das Informationen wie Geschwindigkeit, Verbrauch oder Navi-Anweisungen in die Frontscheibe projiziert. Die Helligkeit lässt sich verstellen, die Ablesbarkeit ist gut. Ebenso wie die Verarbeitung des Innenraums.
Kleiner Kritikpunkt ist der Klavierlack in der Mittelkonsole, in der auch die Wahlschalter für Fahrmodus bzw. Vorwärts- und Rückwärtsfahrt platziert sind. Hier droht akute Fettflecken- und Kratzergefahr, Menschen mit Putzfimmel werden hier ihre Freude haben. Dafür bietet sich unter den zwei Rollos genug Stauraum für Sonnenbrillen, Handys (inklusive USB-Anschlüssen zum Laden) und anderen Kleinkram, sodass der innere Monk seinen Frieden findet.
Besonders positiv aufgefallen sind die Sitze, die von der Aktion Gesunder Rücken (AGR) zertifiziert sind: Sie lassen sich zehnfach verstellen und bieten gute Unterstützung für den unteren Rückenbereich. Damit lassen sich auch lange Fahrten aushalten.
So fährt er
So dezent wie der Astra Electric seine Hochspannung optisch verpackt, so kräftig packt der 156 PS starke E-Motor zu. Im Normalmodus schon bei einer leichten Fahrpedalbewegung zur Stelle, holt er im Sportmodus noch Reserven raus. Dabei kommt beim Antrieb aber kein Gefühl unnötiger Nervosität auf. Auch die direkte, aber nicht hektische Lenkung schaltet sich im Sportmodus straffer, mit einem kräftigen Pedaltritt geht es von 0 auf Tempo 100 in 9,2 Sekunden. Bei Tempo 170 ist Schluss: Untermalt wird das von einem dezenten Summen, während der Antrieb die für ein E-Auto durchaus leichten 1.679 Kilo (zum Vergleich: Astra 1.2 Turbobenziner: 1.332 kg, VW ID.3: 1.815 kg) nach vorne zieht.
In der Regel ist der kräftige Antrieb aber nur ein netter Sicherheitsanker, wenn ein Überholmanöver doch mal schneller gehen muss als gedacht. In der Stadt, auf Landstraßen und der Stadtautobahn bewegt sich der Astra Electric auch ohne Bleifuß flott und leise voran, sodass nur das Abrollgeräusch der 18-Zoll-Räder zu hören ist. Im Gegensatz zu vielen anderen E-Autos ist der E-Astra aufgrund seiner Bauweise flacher, was ihn satt auf der Straße liegen lässt.
Wie auch schon beim äußeren Eindruck drängt sich der E-Antrieb nicht auf, der Astra macht einfach das, was er soll: fahren. Dabei federt er angenehm und nicht übertrieben hart, die 10,51 Meter Wendekreis sind gut.
Bis zu 418 Kilometer weit soll der E-Astra bei einem Messverbrauch von 14,8 kWh auf 100 Kilometer nach WLTP-Messverfahren kommen: Das scheint realistisch zu sein. Bei der 67 Kilometer langen Testfahrt von Berlin nach Potsdam über die Stadtautobahn und durch Berlins Innenstadt (Durchschnittstempo 41 km/h) saugte der Motor 11,6 kWh auf 100 Kilometer aus dem 54-kWh großen Akku. Der Bordcomputer errechnete eine Restreichweite von 352 Kilometern.
Beim Gleichstromladen an der Schnellladesäule ist der Akku in rund einer halben Stunde aufgeladen, an der Wallbox dauert es bei 11 kW Ladeleistung etwa 5.45 Stunden, gibt Opel an.
Das kostet der Opel Astra Electric
Den Astra Electric gibt es aktuell ausschließlich in der gut ausgestatteten GS-Version. Hier sind beispielsweise die elektrisch verstellbaren AGR-Sitze, die beiden Displays im Cockpit, LED-Scheinwerfer, eine Wärmepumpe, Sitz- und Lenkradheizung, Zwei-Zonen-Klimaanlage, ein Frontkollisionswarner mit automatischer Gefahrenbremsung, Fußgängererkennung, Spurhalte-Assistent, Verkehrsschild-Assistent und Müdigkeitserkennung, 360-Grad-Kamera. Parkpiepser sowie ein adaptiver Tempomat und dreiphasiges 11-kWh-Laden inbegriffen.
Der Preis von 45.060 Euro (abzüglich der aktuell geltenden Umweltprämie in Höhe von 6.750 Euro) ist dennoch eine Ansage. Zumal Optionen wie das von Opel beworbene Matrix-LED-Licht, das sich automatisch auf die Umgebung einstellt, im Paket mit Regensensor 1.300 Euro extra kostet. Und auch das praktische Head-up-Display ist nicht im Startpreis inbegriffen und kostet zusammen mit einer Navigationsfunktion 1.600 Euro.
Doch vermutlich dürfte Opel noch eine günstigere Einstiegsvariante ins Spiel bringen – zumal der Konkurrent VW ID.3 mit 39.995 Euro Startpreis knapp unterhalb der 40.000-Euro-Marke liegt. Bestellbar ist der Astra Electric schon jetzt, aktuell auch mit einem Leasingangebot von 399 Euro monatlich. Die Auslieferung dürfte im Herbst starten. Anschließend folgt der Astra Kombi (Sports Tourer) als E-Variante. Hier ist der Preis noch unbekannt, bei den Verbrennermodellen liegt der Kombi-Aufpreis bei 1.500 Euro.
Fazit
Positiv unauffällig – und das nicht nur hinsichtlich der hübschen äußeren Hülle, die auf E-Auto-Extravaganzen verzichtet. Der elektrische Astra fährt leise und flott, bietet eine gute Reichweite auch für weitere Fahrten und eine gute Qualitätsanmutung. Eine günstigere Einstiegsvariante ist dennoch nötig, um der Konkurrenz die Stirn bieten zu können.
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