Späte Eiszeit Forscher: Frühe Europäer aßen Gehirne ihrer Feinde

Spuren an den Knochen von spät-eiszeitlichen Menschen deuten darauf hin, dass sie systematisch zerlegt und verzehrt wurden. Auch die Gehirne wurden entnommen.
Europas frühe Bewohner haben nach Meinung von Forschern Kannibalismus betrieben und dabei wohl auch die Gehirne ihrer getöteten Feinde gegessen. Zu diesem Schluss kommt eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern unter Beteiligung der Universität Göttingen in einer Studie, die vergangene Woche im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlicht wurde.
Die Forscher aus Spanien, Frankreich und Polen analysierten die Überreste von zehn Steinzeitmenschen aus der sogenannten Magdalénien-Kultur, die in der Maszycka-Höhle nahe Krakau entdeckt wurden. Mithilfe von hochmodernen Mikroskopen analysierten sie Schnittspuren, die "mit der Entfernung des Knochenmarks aus langen Knochen und des Gehirns aus den Schädeln" in Verbindung stehen, heißt es.
Erstautor Francesc Marginedas vom Katalanischen Institut für menschliche Paläoökologie und soziale Evolution in Tarragona erklärt: "Die Position und Häufigkeit der Schnittspuren sowie die gezielte Zerschlagung von Knochen lassen keinen Zweifel, dass hier nahrhafte Bestandteile der Toten gewonnen werden sollten."
Die Magdalénien-Kultur, die vor 11.000 bis 17.000 Jahren in Europa verbreitet war, ist für ihre fortschrittlichen Werkzeuge und Kunstwerke bekannt. So erreichte die Höhlenmalerei in dieser Zeit einen künstlerischen Höhepunkt. Auch die Erfindung der Speerschleuder, mit der ein Speer bis zu 30 Meter treffsicher geschleudert werden konnte, fällt in diese Zeit. In der Textilverarbeitung wurden Nadeln mit Öhr eingeführt, wodurch die Kleiderherstellung verbessert wurde.
Forscher uneins: Bestattung oder Gewaltakt?
Dass Kannibalismus unter den Magdalénien-Menschen nicht ungewöhnlich war, zeigten bereits frühere wissenschaftliche Arbeiten. Gehörte er zu einem Bestattungsritual, entsprang er der Not oder war es pure Gewalt?
Marginedas sieht in diesem Fall keine religiösen Motive: "Alle Beweise lassen uns glauben, dass der Kannibalismus eher mit Gewalt und Konflikten zusammenhängt." Während an anderen Fundorten Toten eine besondere rituelle Behandlung zuteilwurde, gebe es hier keine Anzeichen für eine solche Praxis. Auch sogenannte Schädelbecher, die sonst mit Ritualen in Verbindung gebracht werden, fehlen.
Kritiker mahnt zur Vorsicht
Nicht alle Wissenschaftler teilen die Einschätzung der Forschungsgruppe. Der Zoologe Bill Schutt, Autor des Buches "Kannibalismus: Eine völlig natürliche Geschichte", mahnt bei CNN zur Vorsicht: "Dies ist eine sehr gut geschriebene Arbeit und eine wirklich gute Studie." Doch es gebe auch alternative Erklärungen. "Wir wissen nicht genug über die Magdalénien-Bewohner dieser Höhle, um mit Sicherheit zu sagen, dass sie Kannibalen waren." Er gibt zu bedenken, dass es in einigen Kulturen als respektvolle Praxis galt, die Körper Verstorbener zu entfleischen oder Schädel gezielt zu zerstören.
- nature.com: "A new study on Magdalenian-era cannibalism sheds light on prehistoric rituals" (Englisch)
- cnn.com: "Magdalenian cannibalism: New research reveals prehistoric human behavior" (Englisch)
- praehistorische-archaeologie.de: "Magdalénien"