Aufgesägter Schädel Rätsel um Toten in Bleisarg von Notre-Dame gelöst
Der rätselhafte Tote aus der Pariser Kathedrale Notre-Dame ist identifiziert. Es handelt sich um eine literarische Persönlichkeit.
Bei einem verheerenden Brand im Jahr 2019 wurde die Kathedrale von Notre-Dame in Paris schwer beschädigt. Was eine Katastrophe für das uralte Gemäuer war, stellte auch eine Chance für die Forschung dar. Denn bei Restaurierungsarbeiten wurden unter der Bodenplatte, zwischen den Röhren eines Heizungssystems aus dem 19. Jahrhundert, zwei uralte Bleisärge in Menschenform gefunden.
Einer der beiden Toten konnte dank einer Messingtafel als Antoine de la Porte, ein hochrangiger Kirchenmann, identifiziert werden. Wer in dem zweiten Bleisarg ruht, blieb jedoch rätselhaft. Bis jetzt.
Wie kamen die Forscher auf du Bellay?
Der relativ jung verstorbene Mann, dessen Schädel aufgesägt gefunden wurde – und den Fachleute aufgrund von Skelettdeformationen als "der Reiter" bezeichneten – ist höchstwahrscheinlich der Dichter Joachim du Bellay. Das ergab eine interdisziplinäre Untersuchung verschiedenster Forscher, wie jetzt das französische Archäologie-Institut Inrap mitteilte.
Du Bellay lebte im 16. Jahrhundert. Er zählt zu den bekanntesten französischen Lyrikern seiner Zeit. Du Bellay wurde 1522 im Loiretal geboren und starb in der Nacht zum 2. Januar 1560 in Paris im Alter von nur 37 Jahren. Der Poet war berühmt für seine melancholischen Sonette – und ein Manifest, das die französische Sprache in einer lateingeprägten Zeit als literaturwürdig hervorhob.
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Wie die Forscher gerade auf den Renaissance-Dichter kamen? Die Untersuchungen am Skelett hätten ergeben, dass der Tote an Tuberkulose und chronischer Meningitis gelitten haben muss, schreibt Inrap. Von du Bellay war bekannt, dass er unter dieser seltenen Kombination an Krankheiten litt. "Statistisch gesehen kann es eine weitere unbekannte Person geben, die im selben Alter an der gleichen Krankheit gestorben ist, aber das ist sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich", sagt Dominique Garcia, Direktor des Inrap.
Spuren einer Autopsie
Weiterhin legten Spuren einer Autopsie oder Einbalsamierung (zum Beispiel der aufgesägte Schädel zur Entnahme des Gehirns) nahe, dass es sich um einen adligen Verstorbenen gehandelt haben muss. Schäden an den Hüftknochen zeigten den Forschern wiederum, dass der Mann viel Zeit seines Lebens im Sattel von Pferden verbracht hatte. So wie du Bellay, von dem bekannt war, dass er zeitlebens große Strecken geritten war.
Desweiteren durchforsteten Historiker alte Dokumente zu den Bestattungen in Notre-Dame. Du Bellay hatte in der Nähe seines Onkels in einer Kapelle begraben werden sollen, wurde bei einer Öffnung der Kammer im 18. Jahrhundert aber nicht dort gefunden. Die Historiker des Inrap nehmen an, dass du Bellay aufgrund von Platzmangel in der Kapelle übergangsmäßig an einer freien Stelle im Kreuzgang bestattet wurde. Diese Grabstelle, die eigentlich Kanonikern vorbehalten war, blieb dann aber seine letzte Ruhestätte.
- inrap.fr: "Archéologie de Notre-Dame de Paris : avancées des recherches" (französisch)