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Urlaub in Venedig, Rom oder Barcelona? Experte gibt Tipps für Reisende


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Experte zu Massentourismus
"Ein nicht vermeidbares Übel"

  • Dorothea Meadows
InterviewVon Dorothea Meadows

Aktualisiert am 28.04.2024Lesedauer: 4 Min.
Ein Selfie in Venedig: Viele Tourismushochburgen ächzen unter dem Ansturm der Besucher.Vergrößern des Bildes
Ein Selfie in Venedig: Viele Tourismushochburgen ächzen unter dem Ansturm der Besucher. (Quelle: IMAGO)
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Die Sommer werden immer heißer, die Urlaubsorte immer voller. Wie das Reisen attraktiv für alle bleibt, erklärt Tourismusforscher Bernd Eisenstein.

Wenn man sich bei 40 Grad mit Tausenden anderen Touristen durch mittelalterliche Altstädte schleppt oder am Strand kaum ein freies Plätzchen für sein Handtuch findet, macht der Urlaub nicht viel Spaß. Aber nicht nur für Reisende ist der Massenandrang stressig.

Auch die Bewohner der Urlaubsorte ächzen unter den Belastungen des Massentourismus, wie zuletzt die Anti-Touristenproteste auf den Kanaren, der Hotelneubau-Stopp in Amsterdam und der Verkauf von Eintrittstickets für Venedig zeigten. t-online fragte den Tourismusforscher Bernd Eisenstein, wie in Zukunft beide Seiten glücklich werden können.

t-online: Herr Eisenstein, würden Sie sich in diesem Sommer eine Reise nach Barcelona oder Venedig antun?

Bernd Eisenstein: Eher nicht, da ich im Sommer andere Reiseziele bevorzuge. Und wenn doch: dann nur ganz früh in den Morgenstunden.

Die Leute wissen, dass es im Sommer in Rom rappelvoll ist, fahren aber dennoch hin. Warum?

Das zeugt von einer sehr hohen Attraktivität des Reiseziels. Rom ist einmalig, zahlreiche Dinge gibt es in dieser Art – zumindest im Original – nur in Rom. Die Fülle an Touristen vor Ort wird als vermeintlich nicht vermeidbares Übel in Kauf genommen, weil das Reiseziel als einzigartig gilt und die Anziehungskraft entsprechend hoch ist.

Massentourismus gibt es seit Jahrzehnten. Nun wird das Thema durch die Anti-Tourismus-Proteste auf den Kanaren wieder aktuell. Welche Belastungen gibt es vor Ort?

Die Belastungen sind häufig ähnlich, bei genauerer Betrachtung dann aber für jedes Reiseziel ganz speziell. Auf den Kanaren wird insbesondere beklagt, dass der Tourismus zu Wohnungsmangel und Mietpreiserhöhungen für die Einheimischen beiträgt. Kritisiert werden zudem Umweltbelastungen durch den Tourismus.

(Quelle: FH Westküste)

Zur Person

Prof. Dr. Bernd Eisenstein ist Direktor des Deutschen Institutes für Tourismusforschung an der Fachhochschule Westküste in Heide. Im Rahmen seiner Forschung beschäftigt sich Eisenstein hauptsächlich mit Destinationsmanagement und dem Verhalten von Reisenden.

Welche Beeinträchtigungen gibt es in anderen Urlaubsdestinationen?

Oftmals beklagt werden Preissteigerungen, die durch die touristische Nachfrage bei gleichzeitig beschränktem Angebot entstehen können. In Deutschland werden am häufigsten Verkehrsbelastungen angeführt. Aber auch Veränderungen des Ortsbildes und Beeinträchtigungen der Natur werden wahrgenommen.

Gibt es Orte in Deutschland, die unter Übertourismus leiden?

Wir hier in Deutschland leiden nicht unter einem flächenmäßigen Overtourism. Allerdings gibt es eine Reihe von Orten, bei denen räumlich beschränkt und zeitlich konzentriert ein Zuviel an Tourismus von den Einwohnenden wahrgenommen wird. Dies kann unter anderem während der Spitzensaison in den klassischen Urlaubsorten und -regionen Deutschlands oder auch während publikumswirksamer Events und Veranstaltungen der Fall sein.

Was ist Overtourism?

Overtourism (zu Deutsch: Übertourismus) ist ein anderer Begriff für Massentourismus. Er beschreibt den überfüllten Zustand von beliebten Urlaubsländern, -orten und -regionen, die so beliebt sind, dass sie in der Hochsaison nahezu von Touristen überrannt werden. Das schadet der Umwelt und sorgt bei Einheimischen für Unmut.

In Amsterdam sollen keine neuen Hotels gebaut werden und Venedig verlangt ab sofort von Tagestouristen eine Eintrittsgebühr. Werden diese Maßnahmen helfen?

Der Stopp von Hotelneubauten verhindert zumindest eine diesbezügliche Angebotserweiterung, die zu zusätzlichen Übernachtungen hätte führen können. Die Eintrittsgelder in Venedig sind meines Erachtens eher symbolischer Natur. Vielleicht sind sie auch einfach der Versuch, eine neue Einnahmequelle zu etablieren. Um Interessierte tatsächlich von einem Besuch abzuhalten, scheinen sie mir doch zu niedrig.

Was können die Destinationen denn wirklich tun, um die Lage zu entspannen?

Grundsätzlich kann zunächst an der Verminderung der negativen Effekte des Overtourism angesetzt werden. Hier sind zahlreiche, situativ auswählbare Maßnahmen möglich. Diese reichen von Anreizen für Besuche in der Nebensaison über die Vorgabe von Verhaltensregeln und Besucherlenkungsmaßnahmen bis hin zu Preiserhöhungen und Zutrittsverboten. In der Regel zielen diese auf die Verminderung der Touristenzahlen, auf eine räumliche Entzerrung der Touristenströme oder auf Veränderungen des Verhaltens der Reisenden ab.

Und wie kann man die Einheimischen beruhigen?

Da können unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden, die zur Erhöhung der Tourismusakzeptanz bei der einheimischen Bevölkerung beitragen. Sie reichen von Informationen über die Vorteile des Tourismus, wie beispielsweise die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Aufrechterhaltung von Infrastrukturen, bis hin zur Partizipation bei den Entscheidungen über die zukünftige Entwicklung des Tourismus.

Denken wir auch an die andere Seite der Medaille: Was raten Sie Reisenden, um entspannt Urlaub zu machen?

Manche Reisende stören sich gar nicht so sehr an der Vielzahl der anderen Touristen. Konsequente Maßnahmen, um die Massen zu meiden, sind antizyklische Verhaltensweisen. Das bedeutet, das Reiseziel zu alternativen Zeiten zu besuchen oder sich auch für alternative Ziele zu entscheiden. Vor Ort ist es dann auch wichtig, sich an gewünschte Verhaltensregeln zu halten. Denn jeder sollte reflektieren: Touristen sind nicht nur die anderen. Sie selbst gehören auch dazu.

Was sind denn unsere Alternativen zu Spanien, Italien und Griechenland?

Es gibt unzählige Alternativen. Und die Branche offeriert ständig neue Angebote. Mittlerweile ist nahezu jeder Ort auf unserem Globus erreichbar – und auch in der Nähe gibt es noch zahlreiche Alternativen. Auch außerhalb der gängigen Reiseziele: Für jeden besteht die Möglichkeit, seinen individuellen "Zauberort" zu finden.

Zuletzt erschien von Bernd Eisenstein und seinem Kollegen Knut Scherhag im Erich-Schmidt-Verlag das Buch "Images, Branding und Reputation von Destinationen: Herausforderungen erfolgreicher Markenentwicklung, Berlin".

Verwendete Quellen
  • eigenes Interview mit Bernd Eisenstein am 25. April 2024
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