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Ein Interview über Sexarbeit: "Das Prostitutionsschutzgesetz ist eine Kontrolle der Sexualität"


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Politiker diskutieren über Verbot
"Das Prostituiertenschutzgesetz ist eine Kontrolle der Sexualität"


20.10.2019Lesedauer: 4 Min.
Frauen- und Männerbeine: Seit Juli 2017 müssen Frauen, die Sex für Geld anbieten, behördlich registriert sein.Vergrößern des Bildes
Frauen- und Männerbeine: Seit Juli 2017 müssen Frauen, die Sex für Geld anbieten, behördlich registriert sein. (Quelle: KatarzynaBialasiewicz/getty-images-bilder)
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Ein Gesetz für den Schutz von Prostituierten und zur Stärkung ihrer Rechte – das war das Ziel des seit Juli 2017 geltenden Prostituiertenschutzgesetzes. Doch wie sieht die Bilanz nach zwei Jahren aus?

Mehr sexuelle Selbstbestimmung sowie persönliche Freiheit und der Schutz vor Kriminalität, Menschenhandel und Zwangsprostitution – die Absichten des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) scheinen auf den ersten Blick für Sexarbeiterinnen ein Schritt in eine bessere Zukunft zu sein. Das Gesetz sieht dafür unter anderem folgende Pflichten für die Prostituierten vor:

  • Anmeldepflicht: Die Tätigkeit als Prostituierte/r muss persönlich bei der Behörde angemeldet werden.
  • Erlaubnispflicht: Für das Führen eines Prostitutionsgewerbes wird eine Erlaubnis von den zuständigen Behörden benötigt.
  • Gesundheitsberatung: Personen, die im Prostitutionsgewerbe tätig sind, müssen von einer öffentlichen Gesundheitsbehörde beraten werden.
  • Kondompflicht: Prostituierte müssen Kondome beim Geschlechtsverkehr mit ihren Kunden benutzen.
    Werbeverbot: Für den entgeltlichen Geschlechtsverkehr ohne Kondom darf nicht geworben werden.

Doch die Nachteile dieser Regelungen scheinen nach nun zwei Jahren zu überwiegen. "Als gewerbetreibende Selbstständige bin ich bereits registriert. Warum soll ich mir noch einen 'Huren-Stempel' aufdrücken lassen?" beschweren sich viele Frauen bei Joanna Lesniak. Lesniak arbeitet seit über 15 Jahren in der Beratungsstelle für Prostituierte Hydra e.V. und sagt t-online.de, dass durch die Regelungen vieles wesentlich schlimmer geworden ist.

Durch den "Hurenausweis" steigt die illegale Sexarbeit

"Es bringt eher Ärger als etwas Gutes", berichtet die Sozialarbeiterin über das Prostituiertenschutzgesetz. "Warum ist ein mit dem Gesetz eingeführter 'Hurenausweis' nötig, der das Stigma 'Hure' zusätzlich verstärkt?" Damit spricht sie zahlreichen Frauen und Männern, die in der Sexbranche arbeiten, aus dem Herzen. Denn das ProstSchG betrifft nicht nur Prostituierte. Auch Tantratherapeuten oder Frauen und Männer aus den Bereichen Sexualbegleitung und sexuelle Assistenz sind davon betroffen. Auch wenn sie keinen Sex anbieten, müssen sie sich beim Amt registrieren und den sogenannten "Hurenausweis" aushändigen lassen.

Hurenausweis
Prostituierte, die an der Gesundheitsberatung teilgenommen haben, erhalten einen Nachweis hierüber. Dieser wird in der Branche umgangssprachlich auch "Hurenausweis" oder "Hurenpass" genannt.

Die Ablehnung gegen die für Sexarbeiter vorgeschriebene Registrierungspflicht geht so weit, dass viele Prostituierte, Anbieter erotischer Massagen und Tantratherapeuten ihren Beruf niederlegen, illegal weiterarbeiten oder ihre Dienste im Escortbereich oder über das Internet anbieten. Dieser Trend sei sehr gefährlich. Denn im Untergrund und im Internet kann die Einhaltung der Gesetze und Rechte nur schwer kontrolliert werden. Dadurch fällt sowohl der körperliche als auch der moralische Schutz für Frauen, die in der Sexbranche arbeiten, weg. Zusätzlich bietet die illegale Tätigkeit der Frauen den Freiern die Möglichkeit, sie unter Druck zu setzen. "Viele Männer lehnen den Kondomzwang ab. Bekommen sie mit, dass die Prostituierte nicht registriert ist, haben sie ein gutes Druckmittel, die Pflicht zu umgehen: 'Wenn du nicht ohne Kondom mit mir schläfst, verrate ich dich an die Ämter, weil du nicht registriert bist'", erzählt Lesniak. Die Schwarzarbeit der Sexarbeiterinnen gefährdet also zusätzlich ihre Gesundheit und schwächt ihr Selbstwertgefühl. So geschwächt können sie ihre moralischen und körperlichen Grenzen nicht mehr aufrechterhalten. "Viele Frauen werden wie Abschaum behandelt und fühlen sich entsprechend minderwertig. Sie sehen ihren Körper dann nicht mehr als etwas Wertvolles, sondern als etwas, womit sie Geld verdienen können. Und das ist eine fatale Einstellung."

"Es ist eine Kontrolle der Sexualität."

Die Sozialarbeiterin sieht nicht nur durch die Einführung des Gesetzes eine besorgniserregende Entwicklung der Selbstbestimmtheit von Frauen und von der Gesellschaft. "Ein konservativer Strom nimmt wieder Überhand in der Gesellschaft", sagt Lesniak. "Wir Frauen haben jahrzehntelang für das Selbstbestimmungsrecht über uns selbst und unseren Körper gekämpft. Das Prostituiertenschutzgesetz schränkt diese Freiheiten und Rechte wieder ein. Es ist eine Kontrolle der Sexualität."

Die Tabuisierung der weiblichen Sexualität findet jedoch nicht nur durch das ProstSchG statt. "Beispielsweise herrscht derzeit wieder ein starker, religiöser Strom. Kleine, kirchlich organisierte Gruppen versuchen Frauen zu missionieren. Sie drücken ihnen eine Bibel in die Hand und sagen, sie sollen auf Gottes Wort hören und keusch leben, berichtet Lesniak. "Es ist falsch, Frauen vorzuschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben."

Bordelle müssen schließen

Nicht nur Frauen aus der Sexbranche leiden unter den Vorschriften. Auch Bordellbesitzer bekommen die Auswirkungen zu spüren. So mussten seit der Einführung zahlreiche Lusthäuser schließen. Um die neuen Vorgaben zu erfüllen, wollten sie nur mit registrierten Prostituierten zusammenarbeiten. Diese werden, aufgrund des unerwünschten Registrierungszwangs, rar. Den Bordellbesitzern geht das Personal aus – und sie müssen schließen.


Wenn es nach den Prostituierten geht, so hat Deutschland seine Chance mit dem ProstSchG vertan. Nach ihrer Meinung hätte das Gesetz viel verbessern können. "Es sollte beispielsweise die Hygienestandards regulieren. Dazu gehört, dass auf den Zimmern Kondome liegen, dass die Zimmer sauber sind und es getrennte Toiletten und Duschen für Frauen und Männer gibt – oder dass es allgemein Duschen gibt", sagt Lesniak. "Auch ein Sicherheitsknopf oder ein Pausenraum sind wichtig. All das sollte in den Bordellen vorhanden sein und hätte im Prostituiertenschutzgesetzes geregelt werden müssen. Es muss bei dem Gesetz um gute Arbeitsbedingungen gehen und nicht um die Kontrolle der weiblichen Sexualität. Wir sind alle sexuelle Wesen und da braucht man keinen Stempel für."

Sexverbot in Deutschland möglich

Aktuell wird von mehreren Politikern ein komplettes Verbot von Sexkauf nach dem "Schwedischen Modell" gefordert. In Schweden gilt Prostitution seit 1999 als Gewalt gegen Frauen. Laut Gesetz ist sie daher kriminell. Für den Kauf von Sex werden in dem Land allerdings die Freier bestraft – Prostituierte bleiben für das Anbieten und Ausüben der Tätigkeit straffrei. Noch ist unklar, ob ein derartiges Verbot auch in Deutschland eingeführt wird. Vor allem viele Politikerinnen mehrerer Parteien – unter anderem aus der SPD und CDU – machen sich hierfür stark.

Verwendete Quellen
  • Interview Joanna Lesniak, Hydra e. V.
  • Eigene Recherche
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