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Stalking: Wenn Nähe bedrohlich wird- wie betroffene Familien damit umgehen sollten


Psychoterror
Stalking von Familien: Ist Papa jetzt ein Monster?

Sie bombardieren ihre Opfer mit SMS und Telefonaten, stellen ihnen nach, spähen deren Leben aus und machen den Verfolgten das Leben zur Hölle. "Stalking" nennt man dieses Phänomen, unter dem häufig nicht nur die gepeinigte "Zielperson" leidet, sondern deren gesamte Familie. Wie Betroffene sich gegen den Psychoterror wehren und dabei zugleich auch ihre Kinder schützen können, erklärt Kriminalpsychologin und Stalking-Expertin Justine Glaz-Ocik.

03.01.2014|Lesedauer: 5 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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Seit April 2007 stellt der sogenannte "Nachstellungsparagraf" Stalking unter Strafe. Dabei ist die Vorausetzung für den Tatbestand, so die juristische Definition im Paragrafen 238 Strafgesetzbuchs, dass die "Aktionen" des Stalkers angsteinflößend sind, über eine längere Periode andauern und dabei zu einer schweren Beeinträchtigung der Lebensqualität und der Lebensgestaltung des Opfers führen.

Ist Papa plötzlich ein Monster? Stalking betrifft auch die Kinder der "Zielperson"Vergrößern des Bildes
Ist Papa plötzlich ein Monster? Stalking betrifft auch die Kinder der "Zielperson" (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Stalking hat viele Gesichter

Entsprechend breit und wenig eindeutig ist das Spektrum: Stalking reicht von vermeintlichen Liebesbezeugungen wie Geschenke und Blumen, häufigen Anrufen, E-Mails, Nachrichten per SMS über Auflauern, Verfolgen, Drohungen, Verleumdungen und Beleidigungen des Opfers bis hin zu Sachbeschädigungen, Einbruch oder körperlichen Übergriffen.

Stalking-Paragraph ist eine stumpfe Waffe

Solche leidvollen Erfahrungen, bei der die bedrohliche Nähe und Präsenz eines Stalkers zum quälenden Alltag oder sogar zur Gefahr für die Opfer wird, sind keine raren Einzelfälle, sondern kommen relativ oft vor. 2012 registrierte das Bundesinnenministerium etwa 24.500 gemeldete Fälle von Stalking. Die Zahl der Urteile, die zu einer Geld- beziehungsweise Gefängnisstrafe führen können, ist allerdings geringer.

Denn der Stalking-Paragraph, so viele Kritiker, sei eine stumpfe Waffe und greife meist nicht. Mehr als 90 Prozent aller Verfahren in diesem Bereich werden nämlich eingestellt. Zudem gibt es eine hohe Dunkelziffer, denn viele Betroffene zeigen ihre Peiniger erst gar nicht an.

Kinder sind häufig Sekundäropfer

"Wir können davon ausgehen", erklärt die Kriminalpsychologin und Stalking-Expertin Justine Glaz Ocik vom Institut "Psychologie & Bedrohungsmanagement" in Darmstadt, "dass etwa zwölf Prozent der Bevölkerung, das entspricht circa 600.000 Personen, einmal im Leben gestalkt werden. Dabei ist die ganze Palette von leichten bis zu schweren Fällen bei der Schätzung berücksichtigt.

In etwa der Hälfte aller Fälle handelt es sich bei dem Täter um ehemalige Intimpartner, bei denen zu 80 Prozent Frauen die Opfer sind. Und die Vorfälle in diesem Bereich - so mein Eindruck - nehmen entsprechend der wachsenden Scheidungsrate weiter zu. Die Konsequenz davon ist, dass so immer öfter auch Kinder, die ja zumeist nach einer Trennung bei der Mutter leben, als Sekundäropfer beim Stalking mit betroffen sind."

"Realitätsverzerrung" bei den Tätern

Angetrieben werden die Stalker, die nicht von ihrer ehemaligen Partnerin lassen wollen, meist von ihren verletzten Gefühlen, kommen emotional nicht mit der Kränkung beziehungsweise der Zurückweisung zurecht und wollen die Trennung nicht akzeptieren. Sie leben dann zum einen in der Hoffnung, dass die Beziehung wieder hergestellt wird, zum anderen haben sie das Verlangen nach Macht und Kontrolle über den anderen. Oftmals spielt aber auch Wut und Rache eine Rolle: Ein Gefühlscocktail, der ständig wechseln kann und unter Umständen auch zu extremen Reaktionen wie etwa körperlichen Attacken führen kann.

"Stalkern ist es wichtig wahrgenommen und gesehen zu werden. Dabei ist es ihnen egal, ob positiv oder negativ", kommentiert Expertin Glaz-Ocik. "Außerdem sehen sie sich als berechtigt, in dieser Art und Weise zu agieren. Hier kommt es zu einer echten Realitätsverzerrung."

Monster oder liebende, normale Väter?

Dennoch seien Stalker, betont Glaz-Ocik, keine Monster. Sie seien normale Menschen und zumeist auch normale, liebende Väter, deren Fokus durch die emotionale Ausnahmesituation und die große Verlustangst aber sehr egozentrisch sei und sie dadurch die Bedürfnisse ihres Nachwuchses nicht mehr sehen. Das kann dann dazu führen, dass sie ihre Kinder instrumentalisieren und zum Beispiel aushorchen oder gegen die Mutter aufhetzen.

Verängstigte Mütter sollten ihre Gefühle nicht auf ihre Kinder übertragen

Für Kinder wird durch solche extremen Umstände die elterliche Trennung noch schmerzhafter und belastender, als sie meist ohnehin schon ist, vor allem dann, wenn sie sich bedroht fühlen. "Wenn sie spüren, dass die Mutter sich genötigt und bedrängt fühlt und Angst vor dem Vater hat - dabei muss es gar nicht unbedingt um körperliche Gewalt gehen -, sind die Kinder zumeist auch verängstigt und verunsichert und ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück, " ergänzt die Kriminalpsychologin. "Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Mutter versucht ihre Ängste nicht extrovertiert zu äußern, damit ihre negativen Gefühle sich nicht unmittelbar auf ihren Nachwuchs übertragen."

Beratungsstellen unterstützen Familien, die von Stalking betroffen sind

Hier sei nun die wichtigste Maßnahme für die Betroffenen und ihre Familien, sich durch fachkundige Hilfsorganisationen etwa spezielle Stalking- beziehungsweise Familienberatungsstellen, die zumeist kostenlos sind, unterstützen und begleiten zu lassen.

Das Hauptziel: Die betroffenen Mütter, die sich in der Situation, in der sie sich wider Willen befinden, zumeist ohnmächtig, hilflos und ausgeliefert fühlen, sollen wieder emotionale Sicherheit, Stärke und Selbstkontrolle gewinnen. Nur so sind sie in der Lage, auch ihren Kindern wieder Halt und einen geborgenen Rahmen zu geben.

Beziehung zum Vater sollte möglichst trotz allem bestehen bleiben

Trotz aller Furcht sollten die Mütter, die von ihrem Ex-Partner verfolgt und belästigt werden, ihre Kinder - auch wenn es schwerfällt - stets in der Liebe zu ihrem Vater bestärken und positiv auf den väterlichen Umgang einstimmen, solange es die Situation erlaubt und das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Hier hilft es dem Kind auch, immer wieder zu beteuern, dass es auch vom Papa weiterhin genauso geliebt wird und dass es ihn ruhig besuchen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

In der Praxis entpuppen sich Versuche, die Verbindung zum anderen Elternteil trotz aller Widrigkeiten nicht zu kappen, oftmals als schwer umsetzbar, denn schon allein die "Kindesübergabe" kann zum Problem werden, da sich dann beide Elternteile möglicherweise gegenüberstehen. "Solche Situationen sollten so neutral wie möglich über die Bühne gehen", empfiehlt die Psychologin. "In einigen Fällen können dann Personen aus dem privaten Umfeld, das können unter Umständen auch Oma und Opa sein, diese Aufgabe übernehmen, wenn die Beteiligten damit einverstanden sind. Dieses Vorgehen sollte aber stets mit einer Fachstelle abgesprochen werden. Bei schweren Stalking-Fällen allerdings, falls dann der Kontakt zum Vater trotzdem noch aufrecht gehalten werden kann, besteht die Möglichkeit, dass das Jugendamt unterstützend wirkt und beispielsweise die Übergaben oder auch einen 'begleiteten Umgang' initiiert."

Nur mit vielen Maßnahmen kann man Stalker nachhaltig bekämpfen

Um nachhaltig gegen Stalking-Terror vorzugehen, bedarf es allerdings nicht nur in konkreten Situationen bestimmter Strategien. Erst durch ein ganzes Bündel unterschiedlicher Verhaltensweisen, die unbedingt konsequent eingehalten werden müssen, kann die Bedrohung für die Opfer und ihre Familien auf lange Sicht endgültig beendet werden. Um zu erfahren, zu welchen Maßnahmen Stalking-Expertin Justine Glaz-Ocik rät, folgen Sie diesem Link.

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