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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Regenbogenfamilie Der kleine Luis lebt mit einem Papi und einem Papa
Tobias Rebisch und sein Mann Marc wünschten sich ein Kind. Sie wollten eine ganz normale Familie sein. Eine Regenbogenfamilie. Der Weg dahin war nicht einfach. Im Gespräch mit t-online.de schildert er, welche Hürden sie nehmen mussten.
Mit ihrem Buch "Zwei Papas und ein Baby" wollen die beiden Männer anderen Paaren in ihrer Situation Mut machen. Paaren, die ebenfalls einem Kind eine Umgebung schaffen wollen, in der es geliebt, wahrgenommen und in seiner Entwicklung gefördert wird.
Regenbogenfamilien schaden Kindern nicht
"Wir möchten die Tür zu unserem Leben ein Stück weit aufmachen, damit man sich ein Bild von einer Regenbogenfamilie machen kann. Unsere Lebensweise ist noch nicht selbstverständlich, aber wir sind auf einem guten Weg dahin. Unsere Gesellschaft ist in weiten Teilen reif dafür, zwei Papas und ein Kind als gleichberechtigte Familie anzuerkennen." Tobias Rebisch (37), sein Mann Marc und der jetzt dreijährige Luis sind eine von rund 5000 Regenbogenfamilien in Deutschland. Zwei Frauen oder zwei Männer, die gemeinsam Kinder großziehen - das mag für den einen oder anderen Außenstehenden zunächst verwunderlich sein, den Kindern schadet es nachweislich nicht. Das bestätigen Studien wie diese des Bundesjustizministeriums: Kinder aus Regenbogenfamilien sind selbstbewusst, autonom und psychisch stabil.
Eine Adoption ist auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst
Ist es für homosexuelle Frauen noch relativ einfach, ein Kind zu bekommen, so bleibt Männern nur die Adoption. Das ist in Deutschland möglich, aber schon für heterosexuelle Paare nicht einfach. Adoptionswillige werden sehr genau unter die Lupe genommen. Schließlich haben die Kinder, die vermittelt werden sollen, bereits eine Trennung durchlitten und sollen so gut wie möglich vor einer erneuten Erfahrung dieser Art geschützt werden. Fragen nach der eigenen Kindheit, dem geplanten Erziehungsstil, der Stabilität der Beziehung werden gestellt. "Das war ein sehr wichtiger, aber auch anstrengender Prozess für uns. Wir haben über Dinge geredet, die sonst nicht zur Sprache gekommen wären. Wir haben unsere Beziehung reflektiert, unsere Wünsche artikuliert, es war eine sehr intensive Zeit der Auseinandersetzung. Mit uns selbst, aber eben auch mit dem anderen."
"Wir malten uns schon das nächste Weihnachtsfest aus"
Zunächst planten Tobias und Marc eine Auslandsadoption. Sie wollten einem Kind aus Südafrika ein Zuhause bieten, doch nach drei Jahren Wartezeit stellte sich heraus, dass es nicht funktionieren würde. Ein neuer Antrag wurde gestellt, nun einer auf eine Adoption in Deutschland. Die jahrelange Wartezeit war zermürbend. "Wir hatten, wie jedes Paar, eigentlich gehofft, dass es schnell gehen würde. Malten uns schon das nächste Weihnachtsfest mit strahlenden Kinderaugen aus. Wir machten keine größeren Reisen, waren beruflich vorsichtig mit großen Projekten, fokussierten uns voll und ganz darauf, dass wir ja bald Eltern sein würden. Wenn dann Jahr für Jahr vergeht, dann ist das eine große Belastungsprobe.“ Tobias Rebisch sieht im Gespräch mit t-online.de eine Parallele zu heterosexuellen Paaren, die vergeblich versuchen, ein Kind zu bekommen, die ebenso Monat für Monat wieder hoffen und enttäuscht sind. "Man möchte die Antwort auf das 'Warum' vom anderen hören, aber der weiß sie ja auch nicht."
Mit dem Thema Adoption altersgerecht umgehen
Heute ist Tobias Rebisch davon überzeugt, dass alles so kommen musste. Denn nur so konnte Luis seinen Weg zu ihnen finden. "Das Gefühl, das wir hatten, als wir ihn das erste Mal im Arm hielten, war immens stark. Es war eine bedingungslose Liebe vom ersten Augenblick an. Er sollte nie wieder alleine sein müssen." Tobias Rebisch ist sich sicher, dass sie nur auf Luis gewartet haben. "Er ist genau unser Sohn. Wenn man mir damals gesagt hätte, dass er es ist, auf den wir warten sollen, ich hätte keinen Moment gezögert." Luis leiblicher Mutter gegenüber empfinden Marc und Tobias Dankbarkeit.
Bei einer Adoption sucht das Jugendamt Eltern aus, die vorgeschlagen werden. Ihnen als homosexuellem Paar wurde ein heterosexuelles gegenübergestellt. "Ich glaube, dass Luis Mutter ein sehr toleranter und mutiger Mensch ist. Wir sind ihr sehr dankbar, dass sie uns dieses Glück geschenkt hat."
Schon jetzt weiß Luis, dass auch er eine Mama hat, die aber eben nicht bei ihnen lebt. Anlügen wollen die beiden ihn nie. Stattdessen altersgerecht mit dem Thema umgehen. "Und wenn Luis später Kontakt zu seiner Mutter aufnehmen möchte, dann werden wir ihn dabei unterstützen, aber Antworten geben muss sie nur ihm, uns nicht."
Jedes Kind ist ein Geschenk
Wenn Tobias Rebisch von "unserem kleinen Mann" spricht, dann strahlen seine Augen. "Natürlich sind wir auch keine Superpapas, wir sind ganz normal. Und auch wir kommen an unsere Grenzen und versuchen es dann, so gut wie möglich zu machen. Aber wir sind uns immer bewusst, was für ein Geschenk dieses Kind ist. Und wir denken manchmal, dass es eigentlich wünschenswert wäre, dass jeder, der ein Kind möchte, sich einem solchen Bewusstwerdungsprozess unterzieht. Da sähe die Welt sicher ganz anders aus."
Auch wünscht er sich mehr Ehrlichkeit unter den Eltern. "Am Anfang bin ich immer ganz nervös geworden, wenn ich den Müttern auf dem Spielplatz zugehört habe. Alle Kinder haben durchgeschlafen, nur unseres nicht. Da fragt man sich natürlich, macht man als Mann vielleicht doch etwas falsch? Und wundert sich gleichzeitig über die tiefen Augenringe der Frauen."
Irgendwann werden Intoleranz und Vorurteile an die Tür klopfen
Eine alte Bekannte, zufällig wiedergetroffen, relativierte die Sicht der Dinge. Sie wurde, gemeinsam mit ihrem ebenfalls adoptierten Kind, eine wichtige Freundin und Begleiterin und ein entscheidender Diskussionspartner. Denn ob es dem Kind an etwas fehle, wenn es von Männern aufgezogen würde, das fragten sich Tobias und Marc immer wieder – von Anfang an. "Ich habe mich lange damit beschäftigt, herauszufinden, was Mutterliebe ausmacht. Diese Frage hat mich verunsichert, weil ich keine Antwort darauf finden konnte. Mittlerweile weiß ich, dass wir ihm alles geben können, was er braucht. Luis entwickelt sich prächtig. Und an weiblichen Bezugspersonen und anderen Rollenbildern im Umfeld mangelt es ja nicht."
Sie alle zusammen arbeiten daran, dass Luis ein stabiles Selbstbewusstsein bekommt. Denn eines Tages wird der Moment kommen, in dem er mit Intoleranz und Vorurteilen zu kämpfen haben wird. "Wir werden ihn nicht immer beschützen können. Aber wir versuchen, ihn stark zu machen. Ihm ein stabiles Zuhause zu bieten und ihm zu zeigen, dass wir immer für ihn da sind."
"Ich heirate mal den Stefan"
Luis nennt seine beiden Väter Papi und Papa. Und heiraten wollte er seinen Freund Stefan. Bis vor kurzem. Jetzt ist es die Anna. Oder doch die Jana? So ganz sicher ist er sich da nicht. Genauso wenig wie alle seine Freunde. Was der kleine Mann aber sicher weiß, ist, dass er eine Schwester möchte. Und er weiß auch schon, wie sie heißen soll: Lilly. Der Antrag auf eine weitere Adoption ist gestellt, jetzt warten die drei Männer. Die zwei großen und der kleine.