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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Strombergs Nachschlag zur EM Wie man die Schweiz zum Schmelzen bringt
Deutschland fliegt durch die Vorrunde und nun kommen die Alpen auf uns zu. Wie man die Schweizer kulinarisch abserviert, weiß unser Kolumnist Holger Stromberg.
Qualifiziert geht es weiter auf der kulinarischen Reise durch die EM 2024, und wir blicken über Käse, Berge und Schokolade zum nächsten Vorrunden-Gegner: der Schweiz.
Auch wenn ich vor Jahren in einem Turnier Austausch mit Emil Bolli, dem Koch der Schweizer Fußballnationalmannschaft, einen fachlichen Austausch während eines Turniers hatte, konnte ich meinem Kollegen selbstverständlich keine spezifischen Informationen darüber entlocken, was er ihnen als Geheimspeise serviert. Es ist jedoch üblich, dass Sportler eine ausgewogene und nahrhafte Ernährung erhalten und dass die Ernährungswünsche der Spieler individuell angepasst werden, abhängig von ihren spezifischen Bedürfnissen und Zielen.
Aber was genau bedeutet ausgewogen oder nahrhaft?
Die Schweiz – das Land der Präzision
Die Schweiz, ein Land bekannt für seine atemberaubenden Alpen und präzisen Uhren, hat noch viel mehr zu bieten. Geheime Bankkonten, mehr Briefkästen als Einwohner, der besondere Knack (denn darum geht es dem Schweizer Kenner mehr als um den Schmelz!) beim Biss in eine original Schweizer Schokolade und klarer Fall: die Schweizer Küche. Sie ist so vielfältig wie die Landschaften des Landes und meist genauso cremig wie Alpenrahm.
Zur Person
Holger Stromberg ist Weltmeisterkoch und Ernährungsexperte. Mit 23 Jahren errang er als jüngster Koch Deutschlands einen Michelin-Stern. 2007 bis 2017 begleitete er im DFB-Betreuerstab als Ernährungscoach und Koch die Deutsche Fußballnationalmannschaft und kehrte 2014 als Koch der Weltmeister aus Rio de Janeiro zurück. Für t-online schreibt er über Genuss und darüber, wie Essen und Trinken nicht nur zum persönlichen Wohlbefinden, sondern auch zur Erhaltung einer lebenswerten Umwelt beitragen können. Hier lesen Sie alle Kolumnen von ihm.
Beginnen wir mit dem Käsefondue, einem Gericht, das so sozial ist wie lecker. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Freunden um einen Topf mit geschmolzenem Käse und tauchen Brotstücke hinein. Es ist nicht nur ein Gericht, es ist ein Erlebnis! Und schier überwältigend energiereich – Kalorien zählen ist sinnlos. Aber das wird es ganz sicher nicht für die gegnerischen Kicker vor dem Spiel geben. Schade, denn sonst könnte unsere Mannschaft müllern und musialan, dass sich die Latten biegen.
Zürcher Geschnetzeltes tanzt von einem Tor zum nächsten
Dann gibt es das Raclette, ein weiteres Käsegericht, das nicht nur die Herzen der Schweizer erobert hat. Geschmolzener Käse wird über Kartoffeln und andere Beilagen gegossen. Das wird es aber auch nicht geben, ist eher etwas für nach einer Bergbesteigung und vor dem Einschlafen auf dem Sofa. Aber definitiv hin und wieder mal eine Magenschwere wert.
Zürcher Geschnetzeltes, ein Gericht schweizerischer als ein Schweizer Kräuterbonbon, ist ein kulinarisches Meisterwerk. Es besteht aus geschnetzeltem Kalbfleisch, das in einer cremigen Soße serviert wird. Das Fleisch wird so dünn geschnitten, dass es fast durchsichtig ist. Weitere Zutaten: Zwiebeln, Butter, Weißwein, Champignons, Rahm (Sahne), Bouillon (Knochenbrühe), Pfeffer, Salz. Angebraten, abgelöscht, angegossen, kurz schwenkend aufgekocht und garniert mit frisch gehackter Petersilie.
Das Gericht wird traditionell mit Kartoffel-Rösti serviert, die auch in Deutschland sehr populär waren, aber heute (gefühlt) auf deutschen Speisekarten vom Aussterben bedroht sind. Die knusprige Textur der Rösti ergänzt das zarte Fleisch perfekt. Es ist wie ein harmonisches Sturmduo, das von einem Tor zum nächsten tanzt.
Das Gericht ist wie ein Puzzle
Zürcher Geschnetzeltes zuzubereiten erfordert Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Es ist wie ein anspruchsvolles Puzzle, bei dem jedes Stück genau richtig sein muss. Aber das Endergebnis ist es wert. Es ist ein Gericht, das die Seelen von Generationen von Schweizern gestreichelt hat und das sicherlich auch in Zukunft tun wird.
Vor allem dann, wenn die deutsche Mannschaft die präzise Defensive der Schweiz knackt. Sie mit Torhunger beflügelt durch Omega-3-reiche Speisen und prall gefüllte Mikronährstoff-Tanks mikromillimetergenau die Lücke im Netz der Schweizer sucht und mit Treffern die Stimmung und Seelen der Nachbarn aus der Schweiz trüben wird.
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So könnte es auch laufen
Es könnte aber auch mal ganz anders gemacht werden. Statt Kalbfleisch nehme man Pflanzenprotein-Texturat aus Ackerbohnen und Sonnenblumen, statt Bouillon Hefeextrakt, statt Rahm (Sahne) Soja Creme Cuisine und – Hopp Schwiiz – schmeckt’s unglaublich und liegt nicht schwer im Magen. Gläschen trockenen Wein dazu, und dann gewinnt Deutschland auch noch.
Schönen Sonntagabend und willkommen im Achtelfinale. Ein Hoch auf uns!
- Eigene Meinung