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Papierstrohhalme voller Chemikalien: Forscher warnen


Forscher warnen
Darum sind Papierstrohhalme so schädlich

Von dpa, t-online, mab

Aktualisiert am 27.08.2023Lesedauer: 3 Min.
Papierstrohhalme: Sie ersetzen inzwischen häufig die verbotenen Strohhalme aus Plastik.Vergrößern des BildesPapierstrohhalme: Sie ersetzen inzwischen häufig die verbotenen Strohhalme aus Plastik. (Quelle: Sebastian Christoph Gollnow/dpa/dpa)

Statt der verbotenen Plastikstrohhalme gibt es in vielen Restaurants Papierstrohhalme. Doch auch diese können Umwelt und Gesundheit belasten.

Auch Trinkhalme aus Papier können schädlich für Umwelt und Gesundheit sein, warnt ein Forscherteam in der Fachzeitschrift "Food Additives & Contaminants: Part A". Viele der vermeintlich umweltfreundlichen Trinkhalme aus Papier oder Bambus enthalten demnach langlebige und potenziell giftige Chemikalien, sogenannte PFAS. Der Verkauf von Trinkhalmen aus Kunststoff ist in der EU seit dem 3. Juli 2021 verboten.

Die Gruppe um Thimo Groffen von der Universität Antwerpen untersuchte Trinkhalme von 39 in Belgien erhältlichen Marken. In 18 von 20 getesteten Trinkhalmen aus Papier wurden PFAS nachgewiesen. Auch in vier von fünf Bambushalmen, drei von vier Plastikhalmen und sogar in zwei von fünf Glashalmen fanden die Wissenschaftler solche Substanzen in unterschiedlichen Mengen. Lediglich in Trinkhalmen aus Edelstahl waren keine PFAS nachweisbar.

Vom Strohhalm ins Getränk

Mit einem speziellen massenspektrometrischen Verfahren fanden die Forscher unter anderem Trifluoressigsäure und Trifluormethansulfonsäure. "Beide Chemikalien sind gut wasserlöslich, so dass die Gefahr besteht, dass sie vom Trinkhalm ins Getränk übergehen", erklären die Forscher. Ob und in welchem Umfang diese und andere PFAS aus Trinkhalmen vom Menschen aufgenommen werden, müsse nun genauer untersucht werden.

PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) werden unter anderem eingesetzt, um Papierstränge vor dem Durchweichen zu schützen. Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die potenziell gefährlichen Stoffe aber nicht unbedingt absichtlich im Herstellungsprozess zugesetzt worden sein müssen. Sie können auch über verunreinigte Rohstoffe oder Prozesswasser in das Produkt gelangen.

"Strohhalme aus pflanzlichen Materialien wie Papier und Bambus werden oft als nachhaltiger und umweltfreundlicher beworben als solche aus Kunststoff", sagte Groffen. "Das Vorhandensein von PFAS in diesen Strohhalmen bedeutet jedoch, dass das nicht unbedingt stimmt." Geringe Mengen PFAS seien an sich zwar nicht schädlich, könnten aber die bereits im Körper vorhandene chemische Belastung erhöhen. "Die nachhaltigste Alternative scheinen Strohhalme aus Edelstahl zu sein, die wiederverwendet werden können, keine PFAS enthalten und vollständig recycelt werden können", lautet die Schlussfolgerung des Teams.

Mikroplastik aus Biokunststoffen

Ein Forschungsteam der Universität Göteborg hat sich mit Papierbechern als Ersatz für Einweg-Plastikbecher beschäftigt. Da Papier weder fett- noch wasserabweisend ist, muss es als Verpackungsmaterial für Lebensmittel mit einer Oberflächenbeschichtung versehen werden. Oft besteht diese Kunststofffolie aus Polylactid (PLA), einem Biokunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais.

Für die im Fachjournal "Environmental Pollution" vorgestellte Studie setzte das Team um Bethanie Carney Almroth Mückenlarven der Art Chironomus riparius Wasser und Sedimenten aus, in denen sich ein bis vier Wochen lang Teile von Bechern und deren Deckeln aus Polypropylen oder Polystyrol sowie Polylactid und Papier befanden. Chironomus riparius ist damit eine Modellart für toxikologische Untersuchungen und repräsentiert eine wichtige Gruppe von Wasserorganismen, die für Ökosysteme von entscheidender Bedeutung sind. "Alle Becher hatten einen negativen Einfluss auf das Wachstum der Mückenlarven", sagt Carney Almroth.

Verschiedene Schadstoffe gelangen demnach aus dem Material in die Umwelt. "Lebensmittelverpackungen aus Papier können hohe Mengen an per- und polyfluorierten Alkylverbindungen enthalten", heißt es unter anderem in der Studie. Der Effekt sei umso größer, je länger das Material im Wasser oder Sediment gelegen habe. "Biokunststoffe enthalten mindestens genauso viele Chemikalien wie herkömmliche Kunststoffe", so Carney Almroth. Zudem lasse sich Biokunststoff nicht effizient abbauen, das entstehende Mikroplastik werde wie andere Kunststoffe von Lebewesen aufgenommen.

"Papierverpackungen stellen im Vergleich zu anderen Materialien auch ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar und werden immer häufiger verwendet", betonte die Wissenschaftlerin. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Wegwerfprodukte auf den Markt gekommen und mit großen Kampagnen beworben worden – von diesem Irrweg müsse die Menschheit wieder wegkommen. Der Wegwerf-Lebensstil müsse aufgegeben werden – der Umwelt und der eigenen Gesundheit zuliebe.

Viele PFAS beständig und kaum abbaubar

PFAS sind vom Menschen hergestellte Chemikalien, die in vielen Bereichen eingesetzt werden. Sie machen Textilien atmungsaktiv und wasserabweisend, Papier schmutz-, fett- und wasserabweisend und verbessern die Ausbreitungseigenschaften von Feuerlöschschaum. Teilweise werden PFAS auch in Lebensmittelverpackungen eingesetzt.

Da viele PFAS sehr beständig und kaum abbaubar sind, werden sie auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet. Sie reichern sich in der Umwelt an. PFAS werden mit einer Reihe von Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter ein geringeres Geburtsgewicht bei Säuglingen, Schilddrüsenerkrankungen, erhöhte Cholesterinwerte, Leberschäden, Nieren- und Hodenkrebs.

Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. "Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern", heißt es von der Europäischen Umweltagentur (EEA). Bei den allermeisten PFAS weiß man noch nicht, wie sie auf Mensch und Umwelt wirken. Viele Experten gehen davon aus, dass zumindest ein Teil negative Eigenschaften hat.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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