Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kolumne "Lust, Laster und Liebe" "Ich trage die Unterhose meines Partners"
Das Essen, die Bettdecke, den Kuschelpulli – vor allem am Anfang einer Beziehung teilen sich Paare viel miteinander. Später wird es immer weniger. Jedoch nicht bei allen Paaren. Denn es gibt viele Frauen und Männer, für die es selbstverständlich ist, nicht nur das Besteck oder die Gesichtscreme des Partners zu benutzen.
Über die Frage, wie viel ich mit meinem Partner teilen möchte, habe ich erstmals intensiver während eines Urlaubs mit einem befreundeten Paar diskutiert. Mir fiel auf, dass sie lediglich eine Zahnbürste mitgenommen hatten. Der Grund: Sie teilen sie sich seit Jahren. Da sei doch nichts dabei. Schließlich küsse man sich auch, argumentierten sie. Das stimmt natürlich. Es schont den Geldbeutel und reduziert ja auch den Müll. Aber so ganz überzeugt bin ich von dem Eine-Zahnbürste-Modell nicht. Zum einen hat jeder seine eigene Vorliebe – hart oder weich – zum anderen gibt es Zahnbürsten, die nach drei Tagen schon aussehen, als wurden sie fünf Monate nicht ausgetauscht. Bei dem Anblick bekomme ich leichte Gänsehaut. Und was ist, wenn man krank ist? In diesem Fall würde dann jeder eine eigene benutzen, erklärte mir das Eine-Zahnbürste-Pärchen.
Wo sind die Grenzen?
Sich das Besteck, das Handtuch oder auch die Pinzette zu teilen, steht für mich außer Frage. Auch die Mütze oder den Pulli des anderen zu tragen finde ich vollkommen in Ordnung. Viele meiner Freunde halten es ebenfalls für gewöhnlich, diese Dinge in einer Beziehung miteinander zu teilen. Aber gibt es hier nicht doch Grenzen?
"Das benutzte Taschentuch meines Mannes würde ich nicht verwenden." Meine Bekannte Karin lacht, während sie mit dieser Antwort auf meine etwas direkte Frage kontert. Sie trägt die Jogginghose und das T-Shirt ihres Partners, während wir bei ihr Kaffee trinken. Für sie sei es selbstverständlich, sich in einer Beziehung fast alles zu teilen. "Manchmal trage ich sogar die Unterhose meines Mannes", sagt Karin.
Sie finden das ekelig und unhygienisch? Quatsch. Ekelig wird es nur, wenn die Unterhose eine Woche lang getragen wurde und sie deswegen nach dem Ausziehen sozusagen schon von alleine steht. Und unhygienisch? Nicht, wenn die Textilien richtig gewaschen werden. Zumal teilt man sich mit dem Partner beim Sex ohnehin schon fast alles. Bei den meisten Frauen, die die Unterhose ihres Mannes tragen, steckt dahinter neben der Verbundenheit noch etwas ganz Profanes: Männershorts sind viel bequemer als Frauenslips. Perfekt fürs Faulenzen. Unter engen Hosen oder Kleidern bewähren sich dann ganz klar wieder Damenslips.
"Diesen Luxus des Bequemen wissen Männer gar nicht zu schätzen", ergänzt Karin zum Thema Männershorts. Dann prusten wir los, weil uns dieselbe Frage in den Sinn kommt: Ist es eigentlich okay, wenn ein Mann die Unterwäsche seiner Frau trägt? Vorausgesetzt überhaupt, dass sie ihm passt, ploppt in meinem Kopf dazu ein komisches Bild auf. Zugegeben: Ich muss dabei an einen mit Spitze besetzten Leo-Tanga anstatt an einen schlichten Damenslip denken.
Ist die gemeinsame Unterhose erst der Anfang?
Wer das skurril findet, dem sei hier allerdings entgegnet: Auch Humor macht sexy und kann unglaublich anziehend sein. Nicht umsonst raten auch Paartherapeuten dazu, in einer Beziehung mehr miteinander zu lachen. Das bereichere auch das Sexleben. Weiß der Partner obendrein, seinen Witz und seine schrägen Ideen gekonnt einzusetzen, ist das nicht nur amüsant. Es ist auch eine überraschende, unkonventionellere Art der Verführung. Jedenfalls solange er dabei nicht ihre Lieblingsdessous trägt und die dadurch ausleiern. Denn da hört der Humor bei vielen Frauen auf.
Sich die Unterwäsche zu teilen, kann auf die ein oder andere Art dafür sorgen, dass sich beide näherkommen oder miteinander verbunden fühlen. Nur, wer sich wahrlich liebt, teilt dieses intime Textil mit dem anderen.
Teilen bereichert also die Beziehung. Wo diese Intimität des Teilens aufhört? Das muss jedes Paar selbst entscheiden. Für mich bei der Zahnbürste. Dabei geht es sicherlich auch um die Vorliebe für harte oder weiche Borsten und ein wenig auch um die Hygiene. Ein Vorteil steht bei meiner Ein-Personen-Zahnbürste aber im Vordergrund: So kann ich zusammen mit meinem Partner Zähne putzen. Es ist eine Art 3-Minuten-Date am Morgen oder Abend, dessen romantische Stimmung lediglich durch das Licht der grellen Badezimmerlampe getrübt wird.
Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.