Wildfleisch sehr beliebt Wenn die wilde Sau zum Kassenschlager wird
Baden-Baden (dpa) - Die Corona-Pandemie stellt Thomas Hauck vor eine Herausforderung: Der Leiter des Fachgebiets Forst und Natur der StadtBaden-Badenhat Schwierigkeiten, die steigende Nachfrage nach Wildfleisch zu befriedigen. Erlegte Tiere landen in der Wildkammer des Forstamts, werden dort zerlegt und für den Verkauf vorbereitet.
In einem Geschäft werden die Spezialitäten wie Wildleber-Paté und Hirschsteaks zum Verkauf angepriesen. Mit Stadtwappen-Aufkleber. Wildfleisch ist nicht mehr nur in der Vorweihnachtszeit beliebt. Das registriert ebenfalls derLandesjagdverband. "Die Nachfrage ist auch nach Weihnachten ungebremst", sagt Hauptgeschäftsführer Erhard Jauch.
Es wird wieder mehr zu Hause gekocht
Das liegt nach seiner Einschätzung zum einen an höherem Interesse der Kunden an natürlicher Erzeugung und regionalen Produkten. Hinzu komme ein coronabedingter Trend: "Es wird mehr zu Hause gekocht." Dabei besinne sich der einen oder andere Hobbykoch auch wieder aufs Wild.
Zwar hätten Restaurants wegen des Lockdowns schließen müssen. Wer aber rechtzeitig seine Vertriebswege umgestellt habe, "denen reißen sie das Zeug jetzt wirklich aus der Hand", stellt Jauch fest.
Mancherorts wird Wild daher auf besondere Weise vermarktet: So hat der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord das Projekt "Wilde Sau" ins Leben gerufen, um Schwarzwildprodukte in der öffentlichen Wahrnehmung aufzuwerten, aber auch Wissen über Wildschweine zu vermitteln. Dafür hat sich ein Netzwerk aus Jägern, Förstern, Metzgern, Gastronomen, Handel, Manufakturen, Volkshochschulen und Verbänden gebildet. Vom Kochkurs und Grill-Workshop über Ausstellungen und Messen bis hin zu einem eigenen Youtube-Kanal und kulinarischen Pirschgängen für Nichtjäger gab es - vor Corona - ein breites Angebot.
Bilanz trotz Corona durchweg positiv
"Nach eineinhalb Jahren ist unsere Bilanz bislang durchweg positiv - auch wenn coronabedingt rund 20 geplante Aktionen und Veranstaltungen ausgefallen sind oder verschoben werden mussten", fasst Naturpark-Sprecher Jochen Denker zusammen. Während der Absatz von Wildschweinfleisch über die Gastronomie gesunken sei, habe er in Metzgereien sowie dem Handel/den Manufakturen deutlich zugenommen.
Bei der Schwarzwildvermarktung gebe es zwei große Herausforderungen, sagt Denker: "Zum einen war und ist der Ruf von Wildschweinfleisch bei Hobbyköchen und Spitzengastronomie noch nicht der beste." Zum anderen seien die Mengen nicht planbar, da sie vom Jagderfolg abhängen. Das erschwere den Aufbau einer stetigen Logistikkette.
Bei Aktionswochen der Naturpark-Wirte hätten Gastronomen zeitweise die Not gehabt, dass Schwarzwild wegen überraschend hoher Nachfrage aus war. "Wildschweingerichte lagen in der Kundennachfrage dabei teilweise noch vor Reh- und Hirschgerichten", erklärt Denker. Auch Metzgereien hätten eine stärkere Nachfrage nach Wildschweinfleisch und -wurst beziehungsweise Rauchwarenprodukten vermeldet.
Wildfleisch bleibt trotzdem eine Nische
Dass Wildfleisch trotz alldem eine Nische ist, zeigen Zahlen zum Fleischmarkt: Für den "Bericht zur Markt- und Versorgungslage Fleisch 2020" fasst die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Wildfleisch mit Schaf-, Ziegen- und Pferdefleisch sowie Innereien in der Kategorie "andere" zusammen. Nach Schwein, Geflügel, Rind und Kalb machen sie nur knapp acht Prozent des Schlachtaufkommens aus.
Auch der Deutsche Fleischer-Verband listet Wild im "Jahrbuch 2020" beim Fleischverzehr nur unter "sonstiges Fleisch" auf - wie auch Kaninchen. Mit 800 Gramm pro Kopf im Jahr 2019 sei die Menge konstant geblieben. Und der Anteil klein. Zur Einordnung: Insgesamt isst jeder Deutsche demnach im Schnitt fast 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr.
Preise regional sehr unterschiedlich
Dabei lassen sich im Südwesten nach Auskunft des Landesjagdverbands relativ gute Preise mit Wildfleisch erzielen. So gebe es etwa für ein Kilo Wildschwein 3,50 bis 5,00 Euro, sagt Jauch. In Ostdeutschland würden hingegen nur 50 Cent gezahlt. "Das ist praktisch geschenkt", sagt der Hauptgeschäftsführer. Gründe seien wohl eine geringere Nachfrage nach Wildfleisch im Osten und dass dort nicht zuletzt wegen der Afrikanischen Schweinepest mehr Tiere geschossen würden.
Daher kann man hier längerfristig planen: Das Projekt "Wilde Sau" im Naturpark Schwarzwald Nord/Mitte etwa ist zunächst auf drei Jahre befristet. Bis zum Ende dieser Projektphase soll es auch auf die anderen sechs Naturparke in Baden-Württemberg ausgeweitet werden, kündigt Sprecher Denker an. Die Lieferketten des Netzwerks blieben natürlich auch bestehen. Und eine Karte auf der "Wilde-Sau"-Homepage solle erweitert werden. Für 2021 stehen auch coronakonforme Aktionen an: digitale Zerleg- und Hygienekurse, To-go-Angebote und ein Magazin für Kunden etwa von Metzgereien, die "Wilde Sau für zu Hause".