Erholung ohne Reise? Wie Sie während der Corona-Krise Urlaub machen sollten
Urlaub setzen wir oft automatisch mit Reisen gleich. Dabei muss das gar nicht unbedingt erholsamer sein, sagen Forscher. Wie holt man also das meiste an Entspannung aus seinen freien Tagen heraus?
Die Reise verschoben, das Ski-Abenteuer abgesagt, die Woche im Ferienhaus mit Freunden storniert: Während der Corona-Pandemie sieht Urlaub nicht aus wie sonst. Aber wie erholt man sich, wenn draußen Pandemie ist? Fest steht: Urlaub planen ist besser als schieben und mehrmals kurz ist besser als einmal lang.
Die Einschränkungen während der Pandemie haben uns eines vor Augen geführt: "Sehr viele Menschen setzen Urlaub mit Reisen gleich", sagt die Arbeitspsychologin Jessica de Bloom, die an der Universität Groningen (Niederlande) zum Thema Erholung forscht.
"Reisen sind für viele Menschen tatsächlich die Highlights im Jahr, da sie einen Tapetenwechsel bieten und die Möglichkeit, neue spannende Dinge zu erleben", räumt auch Juniorprofessorin Verena Haun von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz ein, die sich ebenfalls schwerpunktmäßig mit dem Thema beschäftigt.
Reisen sind nicht unbedingt erholsamer
Überraschenderweise ist es aber nachrangig für unsere Erholung, ob wir nun im Urlaub verreisen oder nicht. Auch wenn die Frage schwierig zu untersuchen ist, konnte Jessica de Bloom in ihrer Forschung feststellen, dass Erholung zu Hause ebenso gelingen kann wie auf Reisen.
Dazu haben sie und ihr Team zum Beispiel in einer Studie die Erholungseffekte von Personen verglichen, die ein Wochenende in einem Naherholungsgebiet und ein Wochenende zu Hause verbrachten. Zwar zeigte sich, dass Menschen zu Hause eher geneigt sind, "Aktivitäten ohne Freizeitcharakter" zu unternehmen. "Aber man sieht trotzdem, dass sich Erholungseffekte einstellen."
Es gebe aber individuelle Unterschiede, die bei der Frage eine große Rolle spielen, betont de Bloom: Wer Abenteuer und außergewöhnliche Erlebnisse sucht, wird sich mit der Erholung zu Hause vermutlich schwerer tun. Andere schlafen im eigenen Bett immer noch am besten.
Erholung braucht während Corona mehr Aufmerksamkeit
Urlaub sollte deshalb vor allem bedeuten, nicht zu arbeiten. "Das erfordert jetzt gerade für viele besondere Aufmerksamkeit. Wir müssen bewusster darüber nachdenken, was wir tun können, weil Erholungsprozesse schwieriger zu realisieren sind", erklärt de Bloom. Entscheidend sei, sich auch wirklich frei zu nehmen.
Wichtiger als Reisen sei dann, wie man den Urlaub erlebt, sagt die Mainzer Psychologin Haun. "Kann ich Dinge selbstbestimmt tun? Kann ich Dinge tun, die mir Spaß machen? Etwas Neues erleben oder lernen? Kann ich abschalten oder entspannen?", führt sie an.
Jessica de Bloom verweist in diesem Zusammenhang auf das DRAMMA-Modell, das "die Zutaten für gute Erholung" enthält, wie sie sagt. Die sechs Buchstaben stehen für
- Detachement (Abschalten),
- Relaxation (Entspannung),
- Autonomy (Autonomie),
- Mastery (etwas Beherrschen),
- Meaning (Sinn) und
- Affiliaton (Zugehörigkeit).
Vorfreude hebt die Stimmung
Wichtig ist auch die Urlaubsplanung. Aus Studien sei bekannt, dass Vorfreude die Stimmung hebt und so schon vor dem Urlaub für ein besseres Befinden sorgen kann, erklärt Haun. "Außerdem ist es auch so, dass uns das Wissen, dass bald eine Erholungsperiode kommt, dabei hilft, durchzuhalten und auch Stresseffekte abmildern kann."
Sie empfiehlt deshalb, sich auch für den Urlaub zu Hause Dinge zu überlegen, die man gerne mal machen oder ausprobieren würde und das einzuplanen.
Schon scheinbar unspektakuläre Pläne können Effekte haben. Gerhard Blasche, Buchautor und Psychologe aus Wien, rät, für kürzere Erholungseinheiten in die Natur zu gehen. "Wir wissen, dass uns die Natur in einer sanften Art ablenkt."
Ein Spaziergang im Wald etwa könne helfen, sich mental von der Arbeit zu distanzieren. Ähnliches gelte für moderate körperliche Aktivitäten, wie etwa Fahrradfahren. "Da sind wir dann geistig mit der Bewegung beschäftigt."
Im Familienurlaub darf jeder mal zum Zug kommen
Außerdem empfiehlt der Professor, in einem Urlaub, in dem man nicht wie üblich verreisen kann, bewusst Abstand zu schaffen, zu dem, was wir sonst mit Arbeit verknüpfen. "Wir werden da auch unterbewusst von unserer Umgebung beeinflusst. Verbinden wir die Umgebungsreize mental mit Freizeit, kann das schon zur Stressreduzierung beitragen."
Geht es um den Familienurlaub sind vor allem Absprachen wichtig. "Man ist immer gut beraten, wenn jeder in der Familie mal zum Zug kommt", sagt Blasche. Auch wenn man vielleicht aufgrund der Pandemie ohnehin schon mehr Zeit als üblich miteinander verbringt, sei es für die Erholung wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, gemeinsam Freizeit zu verbringen.
Urlaub planen in Zeiten der Unplanbarkeit
Und wie plant man am besten für das kommende Jahr? Warten wir besser ab, bis man womöglich wieder reisen kann und nimmt dann lange frei? Nein. "In unserer Forschung deutet alles darauf hin, dass man mehrere kürzere Urlaube einplanen sollte", sagt Jessica de Bloom.
So hätten mehrere Studien übereinstimmend gezeigt, dass die Erholungseffekte relativ schnell einsetzen, wenn man frei hat. "Nach ein bis zwei Tagen fühlt man sich deutlich erholter." In der Mitte des Urlaubs sei dann das Wohlgefühl am höchsten, zum Ende der Erholungsphase sinkt es wieder ab. "Dieser Verlauf ist bei allen Urlauben gleich, egal, ob kurz oder lang."
Krankes Kind, hässliches Hotel: Risiken verteilen
Nach dem Urlaub verfliegen die Effekte aber relativ schnell wieder. "Ermüdung baut sich immer wieder auf", erklärt Blasche. Wenigstens einen Teil des Jahresurlaubs sollte man deshalb für längere Wochenenden einplanen, empfiehlt der Psychologe.
Auch die "Risikoverteilung" sei dann besser, findet Jessica de Bloom. Denn es kann immer passieren, dass man selbst oder ein Kind krank wird oder die Unterkunft ein Reinfall ist. "Wenn ich regelmäßig frei habe, wird nicht mein gesamter Jahresurlaub durch ein schlechtes Ereignis zu einem negativen Erlebnis."
Wer früh plant, könne zudem Vorfreude schüren und schafft "Struktur im Jahresbogen", wie Blasche sagt. "Das sind Fixpunkte, auf die man sich vorbereiten kann." Denn aus psychologischer Sicht gilt: Je konkreter man sich etwas vornimmt, desto wahrscheinlich ist es, das man es auch umsetzt.
- Nachrichtenagentur dpa