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Internetsucht: Jeder zehnte Jugendliche ist gefährdet


EU-Studie
Jeder zehnte Jugendliche ist von Internetsucht bedroht

t-online, dpa, dpa

21.01.2013Lesedauer: 5 Min.
Internetsucht: Jeder zehnte Jugendliche ist gefährdet.Vergrößern des Bildes
Wenn sich alles nur noch um Online-Spielen und Surfen dreht, besteht Suchtgefahr. (Quelle: dapd)

Smartphones und PCs, SMS, Facebook, Online-Games - mobile Kommunikation und das Internet sind im Alltag von Jugendlichen allgegenwärtig. Doch wo verläuft die Grenze zwischen der Begeisterung für Online-Medien und Internetsucht? Eine europaweite Studie kam zu dem alarmierenden Ergebnis, dass jeder zehnte Jugendliche in Deutschland von Internetsucht gefährdet ist. Hier finden Eltern zehn typische Anzeichen für Internetsucht und einen Online-Test.

Fast jeder zehnte Jugendliche in Deutschland nutzt das Internet zu intensiv und in problematischer Weise. Ein Prozent der jungen Deutschen ist sogar internetsüchtig. Das geht aus einer EU-Studie zum Internetverhalten von 14- bis 17-Jährigen in sieben Staaten hervor, die die Universität Mainz und die Landesmedienzentrale Rheinland-Pfalz 2013 veröffentlicht haben.

So viel Zeit verbringen Schüler im Internet

Wie sehr das Internet zum Alltag der Jugendlichen gehört, zeigt eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Mafo im Auftrag des Nachhilfeinstituts Studienkreis. Demnach surfen drei Viertel der Jugendlichen nach der Schule im Internet. Über die Hälfte (57 Prozent) ist auch beim Hausaufgabenmachen online. Dabei steht das Chatten mit Freunden für 76 Prozent höher im Kurs als die Recherche für Hausaufgaben (63 Prozent).

Trotzdem verlieren die Jugendlichen die Schule aber auch während des Chattens nicht aus dem Blick: Knapp 70 Prozent der Befragten gaben an, sich mit Freunden online über Hausaufgaben, Referate oder Prüfungen auszutauschen. Jeder zweite wählte dafür Facebook, gefolgt von E-Mails (42 Prozent).

Wie Internetsucht definiert wird

Die Grenze von der regulären Nutzung zur Abhängigkeit ist auch bei der Internetsucht fließend - eine einfache Faustregel gibt es nicht. Offiziell ist Internetsucht bislang keine eigene Erkrankung. Psychologen diagnostizieren sie anhand eines ganzen Kriterienkatalogs, dessen Vorgaben denen von anderen Suchterkrankungen ähneln.

Als internetsüchtig stufen sie Jugendliche ein, die einen ständigen Drang zum Surfen verspüren, immer mehr Zeit im Netz verbringen und darüber andere Hobbys und Kontakte vernachlässigen. Sie kämpfen mit Entzugserscheinungen, wenn kein Internetzugang möglich ist. Betroffene Jugendliche schrauben ihre Online-Zeit auch dann nicht zurück, wenn sie deshalb schlechte Schulnoten kassieren.

Zwischen "kreativer Nutzung" und Abhängigkeit

Laut der Studie der Universität Mainz und der Landesmedienzentrale Rheinland-Pfalz stehen Jugendliche in Deutschland und Island im Vergleich noch gut da, während die Altersgenossen in Spanien, Rumänien und Polen besonders stark betroffen sind. Für die repräsentative Studie wurden mehr als 13.000 Schüler befragt, darunter auch in den Niederlanden und Griechenland. Insgesamt sind in den untersuchten Ländern 1,2 Prozent der Jugendlichen internetsüchtig, knapp 13 Prozent gefährdet.

"Es ist beeindruckend, wie vielfältig und kreativ das Internet von Jugendlichen in Europa genutzt wird", sagte Michael Dreier von der Ambulanz für Spielesucht der Uniklinik Mainz. Gleichzeitig sei es aber alarmierend, dass so viele Jugendliche ein problematisches oder sogar abhängiges Verhalten zeigten.

Größtes Suchtpotenzial bei Sozialen Netzwerken und Online-Spielen

Internetsucht kommt demnach besonders häufig bei intensiven Nutzern von sozialen Netzwerken und Online-Computerspielen vor. Die Betroffenen waren schlechter in der Schule und weniger gewandt im Umgang mit anderen Menschen. Erschreckend hoch sei mit knapp vier Prozent der Anteil derer, die online ein riskantes Glücksspielverhalten zeigten, ergänzte Psychologe Kai Müller.

Diese Jugendlichen sind besonders gefährdet

Zunächst gab der Großteil der Schüler per Fragebogen Auskunft. Im zweiten Schritt interviewten die Forscher 124 Jugendliche, die als internetsüchtig gelten. Dabei stellten sie unterschiedliche Ausprägungen der Internetsucht fest. Einige der Betroffenen sind exzessiv online und dort quasi gefangen, weil sie im wirklichen Leben entweder gemobbt und schüchtern oder aber chronisch gelangweilt sind. Sie drängt es nicht zu Unternehmungen abseits des Computers. Solche Jugendliche sind besonders anfällig für Internetsucht.

Bessere Chancen, sich aus der Sucht zu befreien, hätten Menschen, die sowohl online wie offline aktiv sind, sowie diejenigen, die nach einer exzessiven Online-Nutzungsphase irgendwann selbst die Notbremse ziehen.

Zeitlimits und Internetverbot sind nicht sinnvoll

Viele Eltern sind ratlos, wie sie den Internetkonsum von Jugendlichen einschränken können. Doch Experten stimmen überein, dass pauschale Zeitlimits, Steckerziehen oder Internetverbote der falsche Weg sind. "Internetnutzung gehört heutzutage zur kindlichen Entwicklung dazu. Exzessive oder stundenlange Nutzung an sich ist nicht problematisch", erklärt der Soziologe Michael Dreier auf Nachfrage der Elternredaktion von t-online.de. Eltern müssten verstehen, wie wichtig es heutzutage für Jugendliche sei, beispielsweise bei Facebook an Online-Kommunikation teilzunehmen, um nicht aus ihren Gruppen ausgeschlossen zu werden, und dass es für Jugendliche frustrierend sei, wenn ein Online-Spiel mit mehreren Mitspielern mitten in der Handlung abgebrochen wird - "als würde Erwachsenen beim beim 'Tatort'-Gucken fünf Minuten vor der Auflösung des Falls der Fernseher abgeschaltet."

Problematisch werde Internetkonsum, wenn Eltern bei ihren Kindern Anzeichen für Abhängigkeit wahrnähmen - beispielsweise wenn eine Art der Internetnutzung überhand nimmt und Jugendliche kaum noch Anreize in der "Offline-Welt" finden, beispielsweise im Sportverein.

Jugendliche bei Regeln für Internetnutzung einbeziehen

Dreier empfiehlt einen "angeleiteten Kontakt" mit Online-Medien. "Im Grundschulalter hat ein PC nichts im Kinderzimmer zu suchen", findet er. Kinder könnten zunächst unter Aufsicht den Familien-PC nutzen. Später sollten Eltern mit den Kindern Regeln für die Internetnutzung und Konsequenzen für Missachtung vereinbaren - "nicht aufgezwungen, sondern gemeinsam", betont der Forscher. Beispielsweise ausgeweitete Internetnutzung als Belohnung für gute Leistungen in der Schule, oder die Übereinkunft, dass sich die Kinder an feste Zeiten für Mahlzeiten und Aktivitäten mit der Familie zu halten haben.

Internetsucht-Checkliste für Eltern

Die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz bietet auf der Website klicksafe.de für Eltern eine Broschüre zu Internet- und Computerspielabhängigkeit an. Sie enthält eine Checkliste, die Eltern einen ersten Anhaltspunkt geben können, ob ihr Kind gefährdet ist. Wenn drei oder mehr Merkmale zutreffen, sollten Eltern reagieren und gegebenenfalls professionelle Hilfe suchen.

  • die Gedanken des Kindes kreisen auch bei anderen Beschäftigungen ständig um Computer, Internet oder Spielkonsole
  • das Kind spielt und surft bis tief in die Nacht
  • dem Kind fällt es schwer, die Zeit vor dem Bildschirm zu begrenzen
  • das Kind reagiert gereizt, wenn es auf Computer, Internet oder Spielkonsole verzichten muss
  • es zieht sich immer mehr von Familie und Freunden zurück
  • Internetnutzung verdrängt andere Interessen und Hobbies
  • die Leistungen in der Schule haben sich deutlich verschlechtert
  • das Kind verzichtet auf Mahlzeiten, um am Computer zu bleiben
  • es hat stark ab- oder zugenommen und wirkt übermüdet
  • das Kind reagiert Gefühle wie Ärger oder Frust mit Computerspielen ab

Wo Eltern internetsüchtiger Jugendlicher Hilfe finden

Anlaufstellen für Betroffene sind beispielweise Familien- und Suchtberatungsstellen oder Psychologen und. Auf der Webseite des Fachverbands Medienabhängigkeit gibt es Informationen und Adressen von örtlichen Beratungsstellen und Therapeuten. Die Uni-Klinik Mainz betreibt eine Ambulanz für Computerspielsucht und hat sich auf Internet- und Computerspielsucht spezialisiert und eine kostenlose Hotline zu Verhaltenssucht unter der Rufnummer 0800-1-529-529 geschaltet (montags bis freitags von 12 bis 17 Uhr.

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