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200 Maßnahmen: Wie Klimaschützer Deutschland auf Kurs bringen wollen


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Katalog mit 200 Maßnahmen
Wie Klimaschützer Deutschland auf Kurs bringen wollen


Aktualisiert am 08.09.2021Lesedauer: 5 Min.
Ein Sonnenblumenfeld vor dem Steinkohlekraftwerk Rostock (Symbolbild): Spätestens 2038 soll auch hier die Kohleverstromung enden. Um Deutschlands Versprechen aus dem Pariser Klimabkommen einzuhalten, dürfte das zu spät sein.Vergrößern des Bildes
Ein Sonnenblumenfeld vor dem Steinkohlekraftwerk Rostock (Symbolbild): Spätestens 2038 soll auch hier die Kohleverstromung enden. Um Deutschlands Versprechen aus dem Pariser Klimabkommen einzuhalten, dürfte das zu spät sein. (Quelle: Frank Hormann/imago-images-bilder)
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In fast allen Wahlprogrammen klaffen Lücken beim Klimaschutz. Eine gemeinnützige Organisation will diese mit ihren Ideen stopfen und hat dafür ein Programm mit 200 Punkten vorgestellt.

Das größte Versprechen der Politik wackelt: Kein einziges Wahlprogramm der Bundestagsparteien schafft es wohl, die globale Erderwärmung bei einem Plus von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum Jahr 1990 zu stoppen. Genau dazu hat Deutschland sich allerdings 2015 verpflichtet. Laut Pariser Klimaabkommen muss jedes Land seinen Teil dazu beitragen, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Doch auch sechs Jahre nach Unterzeichnung des Vertrags ist das noch nicht abzusehen.

Berechnungen des Leipziger Thinktanks Neue Ökonomie zeigen, dass die Wahlprogramme von Union, FDP und SPD das verbleibende deutsche CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel deutlich sprengen. Und selbst die Pläne der Grünen und der Linken übersteigen den vorgegebenen Rahmen. Die Klimaschutzorganisation German Zero will die Programme der Parteien deshalb kurz vor der Bundestagswahl noch auf Kurs bringen.

Das deutsche CO2-Budget: Will die Bundesrepublik es tatsächlich schaffen, die Erderwärmung bei einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 1,5 Grad zu stoppen, darf sie seit Beginn 2020 nur noch insgesamt 4 Gigatonnen Treibhausgase ausstoßen. Konkret heißt das: Werden die letzten Kohlekraftwerke wie geplant erst im Jahr 2038 abgeschaltet, produzieren sie in der Zwischenzeit rund die Hälfte aller Treibhausgase, die das Budget noch erlaubt.

Die Nichtregierungsorganisation hat dazu am Mittwoch ein "1,5-Grad-Gesetzespaket" vorgestellt. Darin enthalten: 200 Maßnahmenvorschlägen für Energieversorgung, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie, die Deutschland bereits 2035 klimaneutral machen sollen – statt wie geplant erst 2045. t-online stellt Ihnen die Klimavorschläge der Experten vor, die Sie direkt betreffen und erklärt, wie die Parteien dazu stehen.

Ihr Auto

Der Verkehr ist der einzige Sektor in der Bundesrepublik, in dem sich in den vergangenen 30 Jahren nichts am Treibhausgasausstoß getan hat: Der CO2-Fußabdruck von Autos und Lkw war im Jahr 2019 auf dem gleichen Niveau wie 1990.

Autos fahren heute zwar klima- und umweltverträglicher als noch vor drei Jahrzehnten. Allerdings gibt es auf Deutschlands Straßen heute deutlich mehr Verkehr als damals; die enorme Zunahme an Fahrzeugen hebt den Fortschritt bei den Emissionen einzelner Wagen auf.

Aus diesem Grund macht German Zero für die kommende Bundesregierung beim Thema Verkehr besonders weitgehende Vorschläge. Die Klimaschützer setzen dabei vor allem auf batteriebetriebene Fahrzeuge. Geht es nach ihnen, soll das Aus für Verbrennungsmotoren schon 2025 kommen.

Für Ihre Diesel- und Benzin-Pkw gäbe es nach dem Willen der NGO damit aber kein Fahrverbot: Das Verbrennerverbot solle nur für Erstzulassungen gelten. Fahrzeuge, die bereits auf den Straßen sind, wären davon genauso wenig betroffen wie Gebrauchtwagen. Einige Bundestagsparteien haben bereits ähnliche Pläne, jedoch sieht kein Programm ein Verbot für Neuzulassungen so früh vor, wie German Zero es sich wünscht.

Die Linke will das Aus für Neuzulassungen und den Export von Verbrennern ab 2030, auch die Grünen möchten ab dann nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen. Die Union spricht in ihrem Wahlprogramm zwar davon, "einen Fahrplan" für "den Umstieg in emissionsfreie Mobilität" vorlegen zu wollen, der fehlt bisher allerdings. In den Programmen von SPD, FDP und AfD ist von einem Verbrenner-Aus derweil keine Rede.

Ihre Haushaltsgeräte

Ein Großteil der Elektrogeräte für den deutschen Markt stammt aus dem Ausland. Dass die hiesige Industrie dennoch die zweitbedeutendste Quelle von Treibhausgasen ist, liegt an der Herstellung von Stahl, Zement und Chemieprodukten.

Die Klimavorschläge von German Zero gehen trotzdem auch auf elektronische Haushaltsgeräte ein: Am besten sei es, "wenn Emissionen gar nicht erst entstehen, weil Produkte wiederverwendet, repariert oder recycelt werden". Die NGO fordert deshalb ein umfassenderes Recht auf Reparaturen.

Sollte die kommende Bundesregierung die Vorschläge der Klimaschützer für den Industriesektor aufnehmen, könnte das bedeuten, dass deutsche Hersteller wie Miele, Siemens oder Bosch ihren Kunden längere Garantiezeiten für Kühlschränke, Spülmaschinen und Co. einräumen müssen.

Dieser Vorstoß steht ganz ähnlich auch im Wahlprogramm der Grünen. Kommen sie in die Regierung, wollen die Grünen unter anderem die Mindestgewährleistungsfrist für Elektrogeräte auf vier Jahre verdoppeln und Hersteller dazu zwingen, die vorgesehene Lebensdauer der Geräte anzugeben. Die übrigen großen Parteien gehen auf die Idee bisher nicht ein.

Für German Zero ist das jedoch nicht genug. Gleichzeitig soll, so der Wunsch der NGO, das Recyclingsystem für Elektrogeräte besser werden. Ähnlich wie aktuell bei Flaschen und Dosen soll es ein Pfandsystem für alte und kaputte Heimelektronik geben.

Die Logik dahinter: Wer für die fachgerechte Entsorgung seiner Geräte Geld zurückbekommt, stellt alte Fernseher und Waschmaschinen seltener illegal ab – die Sammelquote steigt. Ob die Pfandhöhe vom Gerätetyp oder vom Kaufpreis abhängen sollte, lässt der Vorschlag von German Zero offen. Als Beispiel nennt der Maßnahmenkatalog allerdings einen Pfandbetrag für Mobiltelefone von 10 bis 20 Euro.

Die meisten Wahlprogramme der Bundestagsparteien halten sich mit solchen Plänen für Haushaltsgeräte eher zurück. Nur bei den Grünen steht die Idee eines neuen Pfandsystems für "Handys, Tablets und energieintensive Akkus" explizit auf der To-Do-Liste. Als Alternative nennt das Programm der Linken eine Öko-Abwrackprämie für Elektrogeräte. Geld soll es demnach für Haushalte geben, die alte, energiefressende Geräte gegen stromeffizientere austauschen.

Ihr Strom

Knapp ein Drittel aller Treibhausgase in Deutschland stammt aus der Energiegewinnung, vor allem aus der Kohleverstromung. German Zero schlägt deshalb eine schnellere Umstellung auf 100 Prozent Ökostrom vor – und zwar bis spätestens 2035. Damit der Strombedarf der Bundesrepublik auch dann gedeckt ist, fordert die NGO ein neues "Energiegesetzbuch". Es soll die Rahmenbedingungen für den starken Ausbau großer Wind- und Solaranlagen schaffen und den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur fördern.

Besonders interessant für Sie: Die Gesetzidee von German Zero für den Energiesektor soll Ihnen und Ihren Nachbarn ermöglichen, als "Energiegemeinschaft" gemeinsam Strom zu erzeugen, zu verbrauchen und zu speichern. Sie könnten dezentral und unabhängig von großen Stromanbietern ihren Energiebedarf zu Hause decken und müssten dadurch auch deutlich weniger dafür zahlen, so der Wunsch der Klimaschutzorganisation.

Eine ähnliche Idee findet sich unter anderem im Wahlprogramm der Grünen. Sie wollen Bürgerinnen und Bürger demnach "bei Wind- und Solarparks besonders fördern und alle europarechtlich garantierten Möglichkeiten für Bürger*innen-Energiegemeinschaften vollumfänglich ausschöpfen." Auch die SPD will Energiegenossenschaften zum "Herzstück" ihrer Klimaschutz- und Energiepolitik machen. Die Linke setzt ebenfalls auf eine Energiewende, die mithilfe von Energiegemeinschaften "regional ausgerichtet" und "in der Bevölkerung verankert" ist.

Ihre Lebensmittel

Rülpsende Rinder, Biogasanlagen und überdüngte Äcker tragen mit dazu bei, dass die Landwirtschaft einen deutlichen Abdruck auf der deutschen Klimabilanz hinterlässt. Nach Energiegewinnung und Industrie trägt der Sektor am drittstärksten zum Treibhausgasausstoß in der Bundesrepublik bei.

Die größten Klimasünder sind dabei die Nutztiere, allen voran die Rinder, die während ihrer Verdauung besonders viel Methan produzieren – ein klimaschädliches Gas, das die Erderwärmung vielfach stärker anheizt als CO2. Für German Zero liegt eine zentrale Lösung darin, die Tierbestände auf ein "klimaverträgliches Maß" zu reduzieren.

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Klappen könnte das über eine maximale Tierzahl und Verschmutzungszertifikate für deren Produkte. Statt Landwirte mit den Zusatzkosten zu belasten, schlägt German Zero vor, Molkereien, Schlachthöfe und andere Verarbeitungsbetriebe zur Kasse zu bitten: Je emissionsärmer die Tierart und je besser die Haltungsform, desto günstiger werden die Zertifikate.

Das dürfte sich auch in Ihrem Portemonnaie bemerkbar machen: Das einzelne Stück Fleisch, der Liter Milch oder das Päckchen Butter könnten durch einen Emissionshandel für Tierprodukte teurer werden. Denn die verarbeitenden Betriebe würden den Aufpreis wohl an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben.

Einen solchen Eingriff in die Lebensmittelkette sowie das Einkaufs- und Ernährungsverhalten der Bürger plant keine der im Bundestag vertretenen Parteien. Im Wahlprogramm der Grünen findet sich allerdings der Verweis darauf, dass "deutlich weniger Tiere gehalten werden" müssten als bisher. Wie sie das erreichen möchte, schreibt die Partei nicht.

Koalitionskompromisse statt neuer Ambitionen

Fraglich bleibt, wie wahrscheinlich es ist, dass all diese Ideen wirklich Eingang in die Gesetzgebung nach der Bundestagswahl finden. Zwar unterstützen zahlreiche Prominente wie Komikerin Carolin Kebekus, Schauspieler Bjarne Mädel und Fußballer Christoph Kramer die Ziele von German Zero.

Dennoch gilt: Die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner in Koalitionsverhandlungen führt regelmäßig nicht zu größeren Ambitionen. Stattdessen stehen am Ende meist Kompromisse und zumindest für einen der Koalitionsparteien auch aufgeweichte Versprechen. German Zero besteht dennoch darauf: "1,5 Grad sind machbar, wenn die neue Bundesregierung es nur will."

Verwendete Quellen
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