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Klimaschutzziele der EU: Das bedeuten sie fürs eigene Auto


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Das bedeuten die Klimaziele für den eigenen Wagen
Darf man noch ein Verbrennerauto kaufen?

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 09.02.2024Lesedauer: 6 Min.
Benzinpreise aus den 1970ger Jahren (Symbolblild): Kommen jetzt die E-Fuels.Vergrößern des Bildes
Benzinpreise aus den 1970er-Jahren (Symbolbild): Kommen jetzt die E-Fuels? (Quelle: Eckhard Stengel/imago-images-bilder)

Die EU konkretisiert ihre Klimaschutzziele und schlägt vor, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu reduzieren. Politisch sind die Ziele durchaus ambitioniert, aber was würden sie konkret bedeuten – etwa fürs eigene Auto?

In meinem Freundeskreis haben sich in den vergangenen Jahren viele, die vorher kein Auto besaßen, eins zugelegt. Einen Bus für Urlaube und Wochenendausflüge, Kombis, in denen man zwei Kinder und Gepäck gut verstauen kann. Gründe gab es viele: die Pandemie, Familienzuwachs, Umzüge, raus aus der Großstadt.

Alles nachvollziehbar, ohne Frage. Gleichzeitig ist klar: Die Emissionen müssen runter, so schnell wie möglich und am besten ganz auf null, wenn wir die Erderhitzung stoppen und unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen. Die EU hat diese Woche ihre Klimaschutzziele konkretisiert und will die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent senken. Zusätzliche Verbrenner auf der Straße bringen uns diesem Ziel nicht näher. Was also heißt das jetzt konkret für den Straßenverkehr?

"Aktive Mobilität" gegen die Klimakrise

Das lässt auch die EU-Kommission noch relativ offen. Sie erwähnt zwar, dass Schienen mehr und effizienter genutzt werden müssten und eine "nachhaltige und erschwingliche Mobilität in der Stadt" gefördert werden solle, etwa durch eine angemessene Stadtplanung.

Sara Schurmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise so, dass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei T-Online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom Medium Magazin zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Mehr öffentliche Verkehrsmittel, mehr "aktive Mobilität", also laufen und Fahrrad fahren für kurze Strecken. All das könne einen wichtigen Beitrag leisten, um Emissionen einzusparen, und werde gleichzeitig positive Effekte für die Gesundheit der Menschen haben. Es ist jedoch auch die Rede davon, dass unter anderem der Ausbau von sogenannten E-Fuels finanziell stark gefördert werden müsse. Mehr zu E-Fuels lesen Sie hier.

Werden Verbrenner also bald einfach mit E-Fuels betankt? Müssen alle auf Elektroautos umsteigen? Oder sogar auf Bus, Bahn und Fahrrad?

Klimaschutz muss effizienter werden

Das Fazit im aktuellen Bericht des Weltklimarates ist recht eindeutig: Angesichts der hohen Kosten und der begrenzten Effizienz werde sich die Einführung synthetischer Kraftstoffe auf die Luftfahrt, Schifffahrt und den Straßenfernverkehr konzentrieren. Also genau die Bereiche, wo die Antriebe nicht so leicht auf E-Antrieb umgestellt werden können.

Auch wenn sich der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit Händen und Füßen dagegen wehrt: Im Privaten sind E-Autos die eindeutig effizientere Alternative. Und Effizienz ist angesichts der Größe der Herausforderungen ein wichtiges Stichwort.

Um die Emissionen schnellstmöglich zu senken, wird es nicht reichen, jeden Verbrenner durch ein E-Auto zu ersetzen, auch das ist aus wissenschaftlicher Sicht klar. Wenn alle möglichen Bereiche und Sektoren mit erneuerbaren Energien betrieben werden, müssen diese irgendwo herkommen, ebenso die Batterie-Rohstoffe für Elektroautos.

Paris macht das Unvorstellbare vor

In Städten braucht es stattdessen eine ernsthafte Verkehrswende. Was viele lange für nicht umsetzbar und sogar unvorstellbar hielten, wird in Paris unter der Bürgermeisterin Anne Hidalgo seit ein paar Jahren einfach gemacht.

Der Platz in der Stadt wird neu aufgeteilt, auf den Straßen machen sich zunehmend Fußgängerinnen und Fahrradfahrer breit, die Parkgebühren für SUVs werden verdreifacht. Alles, was die Bewohnerinnen und Bewohner im Alltag brauchen, soll künftig fußläufig innerhalb von 15 Minuten zu erreichen sein.

Natürlich ist das keine Lösung für ländliche Gegenden, aber wenn Städte ihre Emissionen senken wollen, werden sie um einen solchen Umbau nicht herumkommen.

Deutschland wird besser – aber ist das genug?

Umsetzen müssen die EU-Ziele die Mitgliedsländer. Der Verkehrssektor ist in Deutschland der einzige Bereich, in dem sich seit 1990 kaum etwas getan hat. Mitverantwortlich dafür sind SUVs. Sie machen weltweit mehr als die Hälfte der Neuzulassungen aus, ihr großer Verbrauch macht die Einsparungen zunichte, die effizientere Technologien eigentlich ermöglichen.

 
 
 
 
 
 
 

In internationalen Klima-Rankings verbessert sich Deutschland zwar, schneidet aber unter anderem wegen der verschleppten Maßnahmen im Verkehrssektor weiterhin nur mittelmäßig ab. In Deutschland müssten die Emissionen in dem Bereich pro Jahr um sechs Prozent gesenkt werden, um die bereits gültigen Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Seit 2010 waren es im Schnitt aber nicht einmal zwei Prozent.

Umweltverbände klagten unter anderem deswegen. Ende November hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung daraufhin zu Sofortmaßnahmen verpflichtet, besonders für die Sektoren Verkehr und Gebäude. Statt dafür zu sorgen, dass der Verkehrssektor seinen Anteil leistet, hatte die Bundesregierung 2023 die verbindlichen Ziele für die einzelnen Sektoren wie Verkehr abgeschafft – stattdessen werden die Einzelvorgaben nun addiert und nur das Gesamtziel muss stimmen.

Klimakrise wirkt sich auf den Verkehr aus

Zugegeben, das klingt ja auch alles ganz schön anstrengend, um ein paar Klimaziele einzuhalten. Daher kurz zur Erinnerung, warum das überhaupt notwendig ist: Auch in Deutschland spüren wir die Folgen der Erderhitzung längst, sogar im Verkehr.

Starkregen flutet immer wieder Straßen. Beim Hochwasser in Niedersachsen konnten die Bewohner und Bewohnerinnen von Eissel ihr Dorf nur noch mit dem Boot verlassen. Am Autobahnkreuz Herne musste sich im vergangenen August ein Mann auf sein Autodach retten, von unten drang das steigende Wasser in seinen Wagen ein. Wegen des Hochwassers mussten mehrere Anschlussstellen zeitweise gesperrt werden.

Hitze wirkt sich zudem auf die Konzentrationsfähigkeit von Autofahrern aus; gibt es mehr Tage mit Temperaturen über 30 Grad, schießt auch die Unfallrate in die Höhe – um etwa 80 Prozent, wie Untersuchungen in Österreich zeigen. Folgen hat das auch für die Infrastruktur, der Asphalt weicht auf, Spurrillen entstehen.

Hitze beeinträchtigt auch die Deutsche Bahn

Auch der Bahnverkehr leidet. Schon in den vergangenen Jahren hat außergewöhnliche Hitze den Verkehr lahmgelegt, 2019 war der Schotter im Gleisbett bei Köln durch die hohen Temperaturen so beeinträchtigt, dass Fernzüge und S-Bahnen ausfielen. Als ich im vergangenen Sommer meine Großmutter in Brandenburg besuchte, war der Regionalzug regelmäßig verspätet – er musste langsamer fahren, weil sich in der Hitze die Schienen verbogen hatten. Die Deutsche Bahn kennt das Problem seit Jahren und testet daher weiße Schienen, auch Oberleitungen und Brücken leiden unter Hitze.

Video | Deutschland kämpft mit enormem Wasserverlust
Quelle: Glomex

Seit Jahren ist es ein Aufregerthema, dass die Klimaanlagen in ICEs im Sommer ausfallen. Und ja, zum Teil lag das daran, dass sie nicht ausreichend gewartet worden waren; es lag aber auch daran, dass die alten Generationen von Klimaanlagen nicht mehr ausreichen, um mit der ansteigenden Hitze der vergangenen Sommer klarzukommen. Neue Züge werden nun mit Klimaanlagen ausgestattet, die für Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius ausgelegt seien. 2019 wurden bei vier Wettermessstationen in Deutschland mehr als 41 Grad gemessen. Mehr hierzu lesen Sie hier.

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All das erleben wir heute bei rund 1,2 Grad höherer Durchschnittstemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Und mit jedem Zehntelgrad werden die Auswirkungen drastischer. Auch wenn nicht jeder einzelne Starkregen mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden kann, treten Extremwetter durch die Erderhitzung häufiger und heftiger auf. Bei Hitzewellen ist der Zusammenhang besonders klar: Jede einzelne Hitzewelle ist durch den Klimawandel stärker und wahrscheinlicher geworden.

Das 1,5 Grad-Ziel dürfte passé sein

In den vergangenen 12 Monaten waren es im Schnitt sogar schon 1,5 Grad mehr. Das heißt nicht, dass es im kommenden Jahr wieder so sein muss – Klima ist gemitteltes Wetter über einen Zeitraum von 30 Jahren –, aber es heißt, dass wir an dieser physikalischen Grenze kratzen. Das sollte wirklich alle Alarmglocken aktivieren, denn ab dieser Marke wird es immer wahrscheinlicher, dass wir Kipppunkte im Klimasystem anschieben, die eine weitere Erwärmung der Erde begünstigen.

Diese Entwicklung ist menschengemacht, das heißt, wir können sie auch stoppen. Und wenn wir das auf einem Level tun wollen, an das wir uns noch einigermaßen gut anpassen können, müssen wir schnellstmöglich auch die Emissionen stoppen – in jedem Sektor, jedem Bereich und in jeder Region.

Was das in Sachen Mobilität für Privatpersonen bedeutet, lässt sich tatsächlich auf eine relativ einfache Formel bringen: In der Stadt heißt das konkret weniger oder kein Auto, stattdessen Sharing, Bus, Bahn, Fuß und Fahrrad. Auf dem Land werden E-Autos viele der Verbrenner ersetzen, ergänzt durch mehr und bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr.

Die Ziele der EU weisen dafür in die richtige Richtung. Die nötigen Maßnahmen so klar wie möglich zu benennen, könnte helfen, diese Ziele so schnell wie möglich zu erreichen. Denn die Transformation wurde so lange verschleppt, dass uns gar nicht mehr so viele unterschiedliche Optionen bleiben.

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