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Hamburg: So kommt die "Ottensen macht Platz"-Aktion zu autofreien Straßen an


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Autofreie Zone in Hamburg
"Die Stimmung im Viertel ist vergiftet"


24.10.2019Lesedauer: 3 Min.
Gisela Alberti: Sie ist die Sprecherin der Gegeninitiative "Ottensen bewegt".Vergrößern des Bildes
Gisela Alberti: Sie ist die Sprecherin der Gegeninitiative "Ottensen bewegt". (Quelle: Michael Althaus)

Was passiert, wenn die Autos von den Straßen verschwinden? In Hamburg-Ottensen sind einige Verkehrswege sechs Monate lang für Fahrzeuge gesperrt. Das finden nicht alle Bewohner gut. t-online.de-Autor Michael Althaus hat sich vor Ort umgeschaut.

Passanten schlendern gemütlich über die Straße, aus den Cafés dringen Gespräche und lautes Lachen, Radfahrer fahren fast geräuschlos vorbei. Was auffällt: Es gibt keinen Autolärm. Im quirligen Stadtteil Ottensen in Hamburg sind fünf Straßen offiziell autofrei – zunächst für ein halbes Jahr als Pilotprojekt. Unter dem Motto "Ottensen macht Platz" will der Bezirk Altona erproben, "wie man den Straßenraum neu nutzen kann".

Anfang September wurde der Modellversuch mit einem großen Straßenfest eröffnet. Seither gibt es viel Begeisterung, aber auch Konflikte und eine Gegeninitiative, wie wir bei einem Rundgang durch das Gebiet rund um die Ottenser Hauptstraße erfahren.

"Ruhiger und leiser"

"Ich find's super", sagt eine 33-jährige Anwohnerin, die sich mitten auf einer Kreuzung mit einem Bekannten unterhält. "Die Autos rattern jetzt nicht mehr über das Kopfsteinpflaster. Es ist viel leiser und schöner von der Atmosphäre her." Dass sie mit dem Auto in der Regel nicht mehr bis zur Haustür fahren darf, stört sie nicht. "Einen Parkplatz habe ich hier schon vorher meist nicht gefunden."



Ihr Gesprächspartner hat sich schon ganz an die neue Situation gewöhnt: "Es ist schwer sich vorzustellen, dass hier jemals wieder Autos fahren dürfen", sagt der 31-Jährige, der zwar nicht in Ottensen wohnt, aber dort arbeitet. "Es macht nun viel mehr Spaß, in der Mittagspause durch die Straßen zu gehen." Das Projekt bietet seiner Meinung nach "einen echten Mehrwert".

Manchen geht das nicht weit genug

Janina Hohndorf und Alexandra Kulina vom Naturkosmetikladen "Grün & Schön" geht die Umsetzung sogar nicht weit genug. "Der Bereich ist nicht wirklich autofrei", kritisieren sie. Es würden immer noch viel zu viele Kraftfahrzeuge durch das Viertel westlich des Altonaer Bahnhofs fahren. In der Tat gibt es Ausnahmen: Zwischen 23 und 11 Uhr sind die betroffenen Straßen für den Lieferverkehr freigegeben. Taxis und Inhaber eines privaten Stellplatzes innerhalb des Gebiets dürfen sogar den ganzen Tag durchfahren. Parken im öffentlichen Raum darf dagegen niemand.

Kritiker sprechen von einer Zumutung

Für Jochen Faiz, Inhaber der Comet-Reinigung an der Ottenser Hauptstraße, ist der Versuch "eine Katastrophe". Viele seien früher zu seinem Geschäft mit dem Auto gekommen, um etwa Bettwäsche, Teppiche oder andere größere Textilien zu bringen. Seit Projektstart sei die Zahl seiner Kunden um etwa 20 Prozent zurückgegangen, berichtet Faiz. "Das Bezirksamt hat die Straßen einfach dicht gemacht, ohne uns vorher zu informieren", bemängelt er. Von den Plänen habe er erst aus den Medien erfahren.

Ähnlich äußert sich Gisela Alberti, die mitten in der autofreien Zone rund um den Spritzenplatz wohnt: "Wir Anwohner sind nicht miteinbezogen worden in die Planungen". Das Projekt nennt die 69-Jährige, die nach einem Unfall Schwierigkeiten beim Gehen hat, "eine Zumutung". Ihr Mann könne sie nun nicht mehr wie früher mit dem Auto vor der Haustür einsammeln. Auch das Heimbringen der Einkäufe sei nicht mehr ohne weiteres möglich. Darüber hinaus sei die Stimmung im Viertel vergiftet. Gemeinsam mit anderen Kritikern hat sich Alberti in der Initiative "Ottensen bewegt" organisiert. Die Gruppe plädiert dafür, ein für alle akzeptables Mobilitätskonzept zu erarbeiten.

Pöbeleien und Tomatenwürfe

Nicht alle Gegner bleiben Berichten lokaler Medien zufolge sachlich. Demnach müssen sich Autofahrer, die mit Ausnahmegenehmigung in dem Gebiet unterwegs sind, mitunter Pöbeleien gefallen lassen. Es soll sogar schon Tomatenwürfe und Tritte gegen Fahrzeuge gegeben haben.

Dem Bezirksamt Altona seien Informationen "von entsprechenden vereinzelten Aktionen" zu Gehör gekommen, sagt dessen Sprecher Martin Roehl auf Anfrage. Auch gebe es "vereinzelt widerrechtlich und teilweise schnell ein- und durchfahrende Autos im Versuchsgebiet". Aber eine hohe Polizeipräsenz sorge vor Ort dafür, die Beachtung der neuen Regeln durchzusetzen. Auch während unseres Rundgangs ist ein Polizist mit dem Motorrad in den betroffenen Straßen unterwegs, um Strafzettel an Falschparker zu verteilen.

Insgesamt ist das Bezirksamt dennoch mit "Ottensen macht Platz" zufrieden: "Im Großen und Ganzen stößt der Verkehrsversuch bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung auf positive Resonanz", so der Sprecher.


Zur Entwicklung von Nutzungsideen für den neu gewonnen Raum, fänden regelmäßig öffentliche Ideenrunden statt. Wie es nach Ablauf der Pilotphase im Februar 2020 weitergeht, wird nach einer wissenschaftlichen Auswertung entschieden.

Verwendete Quellen
  • Gespräche vor Ort
  • Eigene Recherche
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