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Zum journalistischen Leitbild von t-online.BGH-Urteil Mieter oder Vermieter? Haftung für Unwetterschäden
Wenn Starkregen Keller unter Wasser setzt, kann es dafür viele Gründe geben: verwurzelte Kanäle, eine fehlende Rückstausicherung, überlastete Leitungen. Karlsruhe muss nun klären, wer wofür haftet.
In der Julinacht 2012 regnet und regnet es. Irgendwann stehen die Keller voll. Eine Hauseigentümerin im niedersächsischen Königslutter findet auf dem angrenzenden Wendeplatz der Gemeinde einen Schuldigen: eine Kastanie. Die Wurzeln waren in die Kanalisation eingedrungen, so dass diese die Regenmassen nicht mehr bewältigen konnte. Das Wasser richtet einen Schaden von etwa 30.000 Euro an. Von der Gemeinde will die Eigentümerin nun Ersatz für zwei Drittel ihrer Schäden, also 20.000 Euro. Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich mit dem Fall. (Az.: III ZR 574/16)
Warum geht es nur um zwei Drittel der Schäden?
Zum Problem wurden bei dem Unwetter nicht nur die Wurzeln der Kastanie: Die Klägerin hatte ihr Haus nicht gegen einen Rückstau gesichert. Sie steht deshalb für einen Teil der Schäden selbst ein.
Was ist eine Rückstausicherung?
"Damit soll verhindert werden, dass Wasser durch die Rohre ins Haus eindringt", sagt Peter Queitsch vom Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen (NRW). "Gerade bei Starkregen ist das wichtig." Die Gemeinden verpflichten deshalb die Bürger per Satzung dazu, ihre Häuser gegen einen Rückstau zu sichern.
Die Klägerin vorm BGH hat das trotzdem nicht gemacht. Ein Einzelfall?
Nein. "Sehr, sehr viele Hauseigentümer haben keinen Rückstauschutz eingebaut", sagt Manuela Lierow von der Verbraucherzentrale NRW.
Warum diese Nachlässigkeit?
"Aus Unkenntnis", so die Verbraucherschützerin. "Die Bürger wissen viel zu wenig über ihre Abwasserleitungen." Auch Queitsch sagt: "Wer weiß schon, was eine Rückstausicherung ist." Städte und Gemeinden setzten da zu viel voraus. "Ich würde mir wünschen, dass sich Bürger das erklären lassen." Aber es sei auch Aufgabe der Gemeinden, da aufzuklären. "Entwässerungssatzungen sind ja sprachlich nicht unbedingt so verfasst, dass man das vor dem Schlafengehen liest."
Wer haftet, wenn keine Rückstausicherung eingebaut wurde?
In der Vergangenheit hätten die Gerichte Eigentümern in solchen Fällen selbst die Schuld gegeben, sagt Queitsch. "Ich würde begrüßen, wenn diese Rechtsprechung gehalten wird." Die Vorinstanz, zu dem aktuellen BGH-Fall, liegt auf dieser Linie. Allerdings verweisen die Richter in ihrem Urteil auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg, die anders ausgefallen war: In dem Fall hatte ein Ahorn den Kanal verstopft und der Eigentümer keine Rückstausicherung eingebaut. Die Richter kamen zu dem Ergebnis: Irgendwie waren beide Schuld. Gemeinde und Eigentümer sollten sich den Schaden daher teilen.
Wie sehen Verbraucherschützer das?
"Man könnte grundsätzlich sagen, die Ursache für den Rückstau ist egal", sagt Lierow. "Eine Sicherung kann aber auch mal ausfallen, etwa durch Ratten in der Kanalisation, die Rückstauklappen anfressen können." Deshalb sollte gelten: Wenn eine Gemeinde selbst ein Rückstaurisiko schafft, etwa durch Kanalarbeiten, und nicht darauf hinweist, dann ist eine Mithaftung nicht ausgeschlossen. So sieht das auch Gerold Happ vom Eigentümerverband Haus und Grund mit Blick auf den Fall vor dem BGH: "Wenn die Gemeinde etwas gegen die Wurzeln der Kastanie in der Kanalisation hätte tun müssen, dann wird sie für einen Teil der Schäden aufkommen müssen." Der BGH wird daher auch klären müssen, welche Verkehrssicherungspflicht die Gemeinde im Hinblick auf die Verwurzelung der Kanalisationen trifft.
Tritt das Problem in letzter Zeit vermehrt auf?
"Das Thema ist wegen des vermehrten Starkregens in den vergangenen Jahren aktuell", sagt Bernd Düsterdiek vom Städte- und Gemeindebund. Außerdem: "Mittlerweile werden die Kapazitäten der Kanalsysteme wegen Neubauten vielerorts voll ausgeschöpft, wodurch häufiger Wasser in den Rohren und Schächten zurückstaut", sagt Lierow. Auch deshalb sei eine fehlende Rückstausicherung mittlerweile problematischer.