Teils um 57 Prozent Intensive Landwirtschaft befördert Vogelschwund in Europa
In Europa leben immer weniger Vögel, zeigt eine Studie aus Frankreich. Doch nicht allein der Verlust an Lebensraum bildet einen der Hauptgründe.
Um rund ein Viertel sind die Bestände von Vögeln in Europa von 1980 bis 2016 zurückgegangen. Hauptursache dafür ist einer Studie zufolge die intensive Landwirtschaft. Doch auch wachsende Städte und der Temperaturanstieg setzen der Vogelpopulation zu. Aber manche Vogelarten profitierten von den sich ändernden Verhältnissen, schreibt eine Gruppe um Stanislas Rigal und Vincent Devictor vom Institut des Sciences de l'Évolution de Montpellier (ISEM) im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" ("PNAS").
Rückgang regional sehr unterschiedlich
"Seit Jahrzehnten wird über einen Rückgang der europäischen Vogelpopulationen berichtet", schreiben die Studienautoren. "Die direkten Auswirkungen großer menschengemachter Belastungen auf diesen Rückgang sind jedoch noch nicht beziffert." Als Basis für ihre Untersuchung nutzten sie zum einen Beobachtungsdaten zu 170 häufig vorkommenden Vogelarten an mehr als 20.000 Standorten in 28 europäischen Ländern. Zum anderen verwendeten sie offizielle Statistiken, etwa vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) und von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).
Der Rückgang der Vogelbestände ist demnach nicht gleichmäßig verteilt. Vögel, die Ackerland als Lebensraum bevorzugen, waren mit einer Reduzierung um fast 57 Prozent besonders betroffen. Bei Vögeln in kühleren Lebensräumen gingen die Bestände um 40 Prozent zurück. Der Schwund bei Vögeln in städtischen Lebensräumen war mit knapp 28 Prozent etwas stärker als der allgemeine Trend von etwa 25 Prozent. Weniger stark, um gut 17 Prozent, schrumpften Vogelpopulationen, die wärmere Lebensräume bewohnen und als Lebensraum Wälder bevorzugen.
Landwirtschaftliche Methode verstärkt Effekt
Durch statistische Trendanalysen bestimmten die Wissenschaftler die Größenordnung verschiedener Ursachen für die Verringerung der Vogelbestände. Demnach ist die intensive Landwirtschaft mit einem großen Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln und Düngemitteln die Hauptursache. Pestizide reduzierten die Anzahl an Insekten, die wiederum vielen Vogelarten als Futter dienen, heißt es. Dies erklärt, warum jene Vogelarten, die Ackerland als Lebensraum bevorzugen, besonders betroffen sind.
Verstädterung und die im Zuge des Klimawandels steigenden Temperaturen waren der Analyse zufolge weitere Ursachen für das Schwinden von Vögeln. Es gab aber auch Vogelarten, die von den Änderungen profitierten. Bei den 55 analysierten Waldbewohnern zeigte etwa die Hälfte einen negativen, die andere Hälfte einen positiven Trend.
Wissenschaftler mahnen zum Handeln
"Angesichts der überwältigenden negativen Auswirkungen der Intensivierung der Landwirtschaft und der durch Temperatur- und Landnutzungsänderungen verursachten Angleichung legen unsere Ergebnisse nahe, dass das Schicksal der gemeinsamen europäischen Vogelpopulationen von der raschen Umsetzung transformativer Veränderungen in den europäischen Gesellschaften und insbesondere von Agrarreformen abhängt", mahnen die Wissenschaftler.
Die Ergebnisse der Studie sind für Christian Hof von der Technischen Universität München (TUM) nicht überraschend. "Die neue Errungenschaft der Studie ist der große Umfang, die Datenqualität und die explizite Verknüpfung der Vogeldaten mit der Intensität der Landwirtschaft und anderen Faktoren", sagt er. Zur Bedeutung von Vögeln erklärte Hof: "Sie halten Ökosysteme intakt, indem sie die Insekten im Wald und in der Landwirtschaft im Zaum halten. Sie spielen eine Rolle bei der Samenausbreitung von Bäumen, Sträuchern und anderen Pflanzen."
Jörg Hoffmann vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Kleinmachnow kritisiert allerdings Versäumnisse der Autoren. So seien die Zeiträume und Methoden der Vogelerhebungen nicht angeglichen worden. "Auch wären zum Beispiel in Bezug auf Klimaänderungen neben der Lufttemperatur im Besonderen die Niederschläge, deren jahreszeitliche Verteilung sowie Veränderungen im Landschaftswasserhaushalt zu beachten", betont er.
- Nachrichtenagentur dpa