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Die Ruhe vor dem Sturm? Darum bleiben die Corona-Infektionszahlen derzeit stabil


Die Ruhe vor dem Sturm?
Darum bleiben die Corona-Infektionszahlen derzeit stabil

Von dpa
Aktualisiert am 15.09.2021Lesedauer: 3 Min.
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Corona-Pandemie: Ist die vierte Welle in Deutschland schon gebrochen? (Quelle: NurPhoto/imago-images-bilder)
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Beim Infektionsgeschehen in Deutschland gab es zuletzt wenig Dynamik. So mancher mag nun schon das Ende der vierten Corona-Welle wittern. Was sagen Experten?

Seit etwa zwei Wochen sind die Corona-Infektionszahlen in Deutschland relativ stabil – zuletzt sind sie sogar leicht gesunken. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Mittwoch bei 77,9 (Vortag: 81,1; Vorwoche: 82,7).

Auch bei der Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten – die für politische Entscheidungen besonders im Vordergrund stehen soll – tut sich wenig. Ist das nun schon wieder das Ende der vierten Welle, oder sollten wir uns auf einen anstrengenden Herbst einstellen?

Experten ziehen verschiedene Ursachen in Betracht

Aus Sicht des Saarbrücker Experten für Corona-Prognosen Thorsten Lehr beruht die Entwicklung auf mehreren Effekten: Zum einen ebbe die Zahl der Reiserückkehrer langsam ab – und damit auch die eingeschleppter Infektionen.

Zum anderen seien in vielen Bundesländern nach den Sommerferien zunächst die Infektionszahlen bei Schülern explosionsartig angestiegen. "Dieser Anstieg ist durch die Durchführungen von Tests in der Schule und dem Entdecken von in die Schule getragenen Infektionen zu erklären und nicht durch unkontrollierte Infektionen in der Schule", betont der Experte. Wegen des kontinuierlichen Testens und der Quarantänemaßnahmen bei Kontaktpersonen komme es vielerorts ein bis zwei Wochen nach dem Schulstart nun zu einer Stagnation oder sogar Abnahme der Zahlen in dieser Altersgruppe. "Es kehrt eine gewisse Normalität ein."

Den Zusammenhang mit den Reiserückkehrern begründet Mobilitätsforscher Kai Nagel zunächst damit, dass eine Ansteckung in einem Zielland mit höheren Inzidenzen natürlich wahrscheinlicher sei als zu Hause. Außerdem würden Reiserückkehrer systematischer getestet, sodass vermutlich auch mehr Fälle entdeckt würden.

Viola Priesemann, Leiterin einer Forschungsgruppe am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, sieht zudem stagnierende Zahlen von Neuinfektionen in den Nachbarländern als Grund. Aufgrund von Reisenden und auch Grenzpendlern sei es normal, dass sich die Inzidenzen in benachbarten Staaten oft anglichen.

Vierte Welle noch nicht gebrochen

Ist die vierte Pandemie-Welle in Deutschland also schon gebrochen? Nein, mahnt der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. "Von einem Ausbremsen der vierten Welle zu sprechen, ist sicher zu früh."

Auch Lehr warnt vor voreiligen Schlüssen. "Dieses Verhalten der Inzidenzkurve haben wir fast auf den Tag genau im letzten Jahr beobachten können." Damals sei die Inzidenz ebenfalls leicht abgesunken beziehungsweise auf konstantem Niveau verharrt, bevor sie Ende September stark angestiegen sei. "Bei der aktuellen Impfsituation und den gelockerten Kontaktbeschränkungen ist ein ähnlicher Anstieg Ende September, Anfang Oktober wieder erwartbar", so Lehr.

Der befürchtete Anstieg dürfte aus Lehrs Sicht durch die sogenannte Saisonalität, also den Einfluss der Jahreszeit, deutlich verstärkt werden. Habe die Saisonalität im Frühjahr und Sommer noch als "Rückenwind" bei der Reduktion der Infektionen gewirkt, werde sie ab Oktober wohl wieder zum "Gegenwind".

Anstieg der Infektionszahlen im Herbst wahrscheinlich

Auch Mobilitätsforscher Nagel hält einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen mit der herbstlichen Verlagerung von Aktivitäten in Innenräume für wahrscheinlich. Ob dies zu einer Überlastung der Krankenhäuser führe, sei noch nicht vorhersagbar. "Empfehlenswert ist auf jeden Fall, dass bis auf Weiteres auch Geimpfte vor Begegnungen in Innenräumen einen Schnelltest machen, da auch sie das Virus übertragen können", betont Nagel.

"Wir haben auch in Deutschland noch das Potenzial, dass die Zahlen im Herbst wieder deutlich hochgehen. Und zwar so hoch, dass auch die Krankenhäuser wieder sehr belastet werden können", warnt Expertin Priesemann. In vielen Altersgruppen seien noch deutlich mehr als zehn Prozent der Menschen nicht immunisiert.

Mit Blick auf die Bevölkerung über 50 sagt Priesemann: "Wenn immer noch über zehn Prozent der relevanten Altersgruppe nicht immunisiert sind, dann haben diese zehn Prozent das Potenzial, die Masse, um die Krankenhäuser zu füllen." Im letzten Winter seien rund 10 bis 15 Prozent der Menschen infiziert worden, und schon das habe die Krankenhäuser über Monate an die Grenzen gebracht. Deshalb müsse man moderate Vorsichtsmaßnahmen beibehalten – und weiterhin für eine Impfung werben –, "damit wir ohne Engpässe über den Winter kommen".

Experte: "Hoffnung ist berechtigt"

Epidemiologe Hajo Zeeb sieht in der Stagnation dennoch einen Grund für vorsichtigen Optimismus. "Die Hoffnung ist berechtigt, dass insbesondere angesichts der niedrigen Hospitalisierungs- und Sterbezahlen der Verlauf dieses Jahr deutlich günstiger wird – wenn nicht neue Varianten wie in der Vergangenheit diese Aussicht ins Wanken bringen."

In jedem Fall, so Lehr, hätten die Menschen in Deutschland die weitere Entwicklung selbst in der Hand. "Wir sollten diese Ruhephase vor einem potenziellen Sturm dringend zur Impfung nutzen und nicht mit Wundenlecken und politischen Diskussionen verstreichen lassen."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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