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Corona | Virologen-Chef: Schutz ist bei Kreuzimpfungen besser


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Wirkung & Nachimpfung
Virologen-Chef: Corona-Schutz bei Kreuzimpfungen besser


Aktualisiert am 19.07.2021Lesedauer: 4 Min.
Corona-Impfung: Kommt der Booster-Piks gegen Delta?Vergrößern des Bildes
Corona-Impfung: Kommt der Booster-Piks gegen Delta? (Quelle: picture alliance / Rupert Oberhäuser)

Die Impfkampagne gerät ins Stocken. Trotzdem werden die Rufe nach einer dritten Impfung lauter. Kommt der Delta-Impfstoff? Und: Diese Impfung ist für das Immunsystem am besten.

Etwa 45 Prozent der Deutschen sind bereits vollständig gegen das Coronavirus geimpft, 60 Prozent erhielten die erste Impfdosis. Doch schon jetzt wird über eine Nachimpfung im Herbst nachgedacht. t-online fragte den Präsidenten der Gesellschaft für Virologie, Dr. Ralf Bartenschlager.

t-online: Herr Bartenschlager, wird es die dritte Impfung für alle geben?

Dr. Ralf Bartenschlager: Aktuell ist es wichtig, erst mal bei möglichst vielen den Impfschutz durch die Zweifachimpfung herzustellen – abgesehen vom Johnson & Johnson-Impfstoff, den man nur einmal geben muss. Das ist das vorrangige Ziel. Allerdings kann es im Herbst nötig werden, bestimmte Risikogruppen nachzuimpfen, gewissermaßen als Booster für den Immunschutz.

Wen könnte das betreffen?

Es geht in erster Linie um ältere Menschen und solche, die aus anderen Gründen eine schlechtere Immunantwort produzieren, zum Beispiel weil sie Medikamente einnehmen müssen, die das Immunsystem unterdrücken. In England gibt es bereits solche Konzepte. Nachgeimpft werden sollen dort auch Menschen über 70 Jahre sowie Personal in Pflegeheimen oder Krankenhäusern.

Bieten sich dafür Kreuzimpfungen an? Also wer bislang einen mRNA-Impfstoff bekommen hat, bekommt nun einen Vektorimpfstoff. Also auf Biontech folgt Astrazeneca oder umgekehrt?

Anbieten würde sich, mit einem Vakzin zu impfen, das speziell zur Bekämpfung der Delta-Variante entwickelt wurde. Zum Beispiel hat Biontech bereits verkündet, dass daran schon gearbeitet werde. Die Wirksamkeit der Impfung, die ja gegen das Ausgangsvirus entwickelt wurden, ist bei der Delta-Variante offenbar etwas reduziert. Wobei alle Impfstoffe immer noch eine hohe Schutzwirkung gegen schwere Erkrankung auch bei der Delta-Variante aufweisen.

Dennoch sehen wir hin und wieder Durchbruchsinfektionen. Also: Auch doppelt Geimpfte haben sich infiziert und sind im schlimmsten Fall an der Infektion gestorben.

Da muss man genau schauen, um wen es sich dabei handelt. Zu vermuten ist, dass es sich um sehr alte Menschen mit Vorerkrankungen handelt oder immunsupprimierte Personen, die nach den Impfungen immer noch keinen ausreichenden Immunschutz aufbauen konnten.

Kreuzimpfungen sind derzeit ein großes Thema. Also nach Astrazeneca Biontech oder umgekehrt. Ist die Schutzwirkung da tatsächlich besser?

Ja, und das ist auch nicht verwunderlich. Das Immunsystem bekommt sozusagen zwei unterschiedliche Reize. Damit ist die produzierte Immunantwort tatsächlich etwas besser. Allerdings sind diese Kombi-Impfungen noch nicht in allen Ländern anerkannt, sodass man immer noch Probleme bekommen kann, sich in diesen Ländern damit frei zu bewegen. Da müssen sich dann doppelt Geimpfte immer noch testen lassen.

Wie erklären Sie sich, dass die Impfkampagne etwas in Stocken zu geraten scheint?

Dass es im Sommer schwierig werden würde, die Impfbereitschaft hoch zu halten, war zu erahnen. Wir haben derzeit sehr niedrige Inzidenzen, das führt zu dem Grundgefühl, Corona sei besiegt. Das täuscht aber. Im letzten Sommer war das ähnlich und dann kam die dritte Welle. Das sollte nicht noch einmal passieren. Wir müssen an die Menschen appellieren, sich impfen zu lassen und vor allem auch die Zweitimpfung nicht ausfallen zu lassen. Nach der ersten Dosis ist die Schutzwirkung gegen das Virus noch sehr gering.

Dr. Ralf Bartenschlager
Dr. Ralf Bartenschlager (Quelle: privat)

Dr. Ralf Bartenschlager leitet die Abteilung für Molekulare Virologie an der Universität Heidelberg und ist Präsident der Gesellschaft für Virologie.

Wie stehen Sie zu den aktuellen Forderungen nach einer Impfpflicht zum Beispiel im Gesundheitswesen?

Das ist eine politische Frage. Es geht hier um Einschränkungen der Grundrechte oder de facto Berufsverbote für Ungeimpfte. Aus virologischer Sicht kann ich nur sagen: Jeder, der sich nicht impfen lässt, wird sich früher oder später mit SARS-CoV-2 infizieren. Das Virus geht nicht weg. Der beste Schutz bleibt eine Grundimmunisierung der Bevölkerung. Das schützt zunächst auch mal vor neuen Varianten, zumindest vor denen, die bereits bekannt sind. Man sollte durch Appelle, Aufklärung und Anreize die Impfbereitschaft erhöhen.

Wie sehen Sie die Entwicklung dieses Virus? Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte in dieser Woche, er rechne noch mit deutlich ansteckenderen Varianten …

Das kann keiner sagen, das ist ein Blick in die Glaskugel. Wie das Virus mutiert, um dann vielleicht noch besser übertragbar zu werden, weiß niemand. Es gibt ja auch die Theorie, dass es sich in seinen pathogenen Eigenschaften abschwächen könnte, das heißt, es würde seine Wirte nicht mehr so schwer krank machen und eher zu einem harmloseren Erkältungsvirus mutieren. Das würde seine Verbreitungsmöglichkeiten erhöhen.

Der Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sagt, Masken würden wir im Alltag nie wieder loswerden. Klingt nach einer düsteren Zukunft …

Dass wir dauerhaft das ganze Jahr über einen Mund-Nasenschutz tragen müssen, damit rechne ich nicht. Aber es könnte sich ein Gesinnungswandel bei vielen Menschen einstellen. Wir haben ja gesehen: Die Grippesaison ist die letzten beiden Jahre praktisch ausgefallen, und zwar weil Masken eben auch vor diesen Viren schützen. In asiatischen Ländern ist das Tragen von Masken schon lange gang und gäbe. Möglich, dass sich auch hier ein gewisses Umdenken durchsetzt.

In Großbritannien fallen heute alle Corona-Regeln, auch die Maskenpflicht. Klubs und Diskotheken öffnen wieder. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?

Diese Öffnungen sind ein hochriskantes Unternehmen. Das ist schlicht das Konzept der Durchseuchung der Bevölkerung.

Begründet wird dies von einigen Politikern ja damit, dass durch die Impfungen der Inzidenzwert von den Raten der Schwerkranken oder gar Toten praktisch entkoppelt ist. Also: Dadurch, dass die Risikogruppen durch Impfung geschützt sind, spielt die Höhe der Inzidenz keine Rolle mehr, da sich dann Menschen infizieren, die in der Regel keine schweren Verläufe haben.

Ja, aber wir wissen schlicht nicht, welche Inzidenz wir uns erlauben können und wann man dann doch wieder steigende Raten von Hospitalisierungen sieht. Wir kennen den genauen Wert nicht. Es können ja auch junge Menschen auf der Intensivstation landen. Ganz zu schweigen davon, dass es auch noch Long-Covid gibt, ein bisher wenig verstandenes Krankheitsbild, das bei Erwachsenen und wohl auch Kindern auftreten kann. Aber für Kinder, sofern sie keine Vorerkrankung haben, gibt es keine Impfempfehlung. Die kann man im Moment nicht durch Impfung schützen.

Herr Bartenschlager, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Ralf Bartenschlager (13. Juli 2021)
  • Eigene Recherche
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