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Frühling und Corona: Wird es bald weniger Covid-Infektionen geben?


Eigenschaften des Virus
Wird es im Frühling weniger Corona-Infektionen geben?

dpa, Lennart Stock

Aktualisiert am 22.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Pandemieverlauf: Steigende Temperaturen können die Stabilität von Coronaviren beeinflussen.Vergrößern des Bildes
Pandemieverlauf: Steigende Temperaturen können die Stabilität von Coronaviren beeinflussen. (Quelle: SolStock/getty-images-bilder)

In der wärmeren Jahreszeit zieht es viele ins Freie. Die Gefahr einer Corona-Infektion ist draußen geringer als in Räumen. Legt das Virus also nach dem Winter eine Pause ein? Und welche Rolle spielen die Mutationen?

Wenn im Frühling die Temperaturen steigen, sinkt die Erkältungsgefahr, und auch Grippeviren verschwinden allmählich. Doch hat das Wetter auch Einfluss auf das Coronavirus? Wissenschaftler gehen davon aus, dass saisonale Effekte den Covid-19-Erreger durchaus beeinflussen können. Wie wirkt sich das auf die Pandemie aus?

Nicht nur die Jahreszeit ist entscheidend

"Die Saisonalität von Viren, die über die Atemwege verbreitet werden, ist ungeheuer komplex und lässt sich nicht an einzelnen Faktoren festmachen", sagt der Direktor des Instituts für Virologie des Uniklinikums Essen, Ulf Dittmer. Neben der Jahreszeit bestimmen noch weitere Faktoren den Pandemieverlauf, etwa das Verhalten der Menschen. Eine eindeutige Prognose ist daher schwierig.

Das Robert Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass sich SARS-CoV-2 in der kälteren Jahreszeit besser verbreitet. Im Sommer schwäche sich die Übertragungsdynamik tendenziell ab. Tatsächlich ließ das hiesige Infektionsgeschehen im Sommer 2020 nach.

Wird der Sommer 2021 wieder entspannter?

Kann man davon auf dieses Jahr schließen? Der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, hält das für unwahrscheinlich. "Dass wir 2020 einen so entspannten Sommer hatten, hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass unsere Fallzahlen im Frühjahr unter einer kritischen Schwelle geblieben sind. Das ist inzwischen aber nicht mehr so", sagt er kürzlich dem "Spiegel". In Spanien etwa seien im Sommer die Fallzahlen nach einem Lockdown wieder gestiegen – trotz Hitze.

Umwelteinflüsse können die Stabilität von Coronaviren beeinflussen. Darüber hinaus könnten Umweltfaktoren auch auf die Aerosole oder Tröpfchen wirken, mit denen das Virus verbreitet werde, sagt die Virologin Stephanie Pfänder von der Ruhr-Universität Bochum. "Auch deren Eigenschaften verändern sich abhängig von den Umweltbedingungen." Auf Basis von Studien lassen sich für einzelne Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchte und UV-Strahlung grundsätzliche Erkenntnisse ableiten. Ein Überblick:

Temperatur: Stabilität der Virushülle verändert sich

Die Virushülle ist laut Dittmer im Freien bei einer Temperatur von etwa zehn Grad besonders stabil. "Je wärmer es wird, desto mehr nimmt die Stabilität ab", erklärt der Virologe. Durch die Wärme verändern sich Fettmoleküle in der Hülle so, dass sie platzen kann.

UV-Strahlen: Viren weniger gefährlich

Sonnenstrahlen – insbesondere UV-Strahlung – schädigen die genetische Information des Virus. "Ganz grob kann man sagen, dass UV-Strahlung in der Lage ist, das Virus zu inaktivieren, indem die virale Nukleinsäure angegriffen wird", sagt die Virologin Pfänder. Die Viren seien dann nicht mehr infektiös.

Luftfeuchte spielt in geschlossenen Räumen größere Rolle

Die Erkenntnisse zur Luftfeuchte beruhen vor allem auf Untersuchungen zu Übertragungen in Innenräumen. Dort spielt die Luftfeuchte laut dem Leipziger Aerosolforscher Ajit Ahlawat eine wichtige Rolle. Zusammen mit anderen Forschern fand der Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (Tropos) heraus, dass die Ansteckungsgefahr im Inneren bei höherer Luftfeuchte niedriger ist.

"Wenn die relative Luftfeuchtigkeit der Raumluft unter 40 Prozent liegt, nehmen die von Infizierten ausgestoßenen Viruspartikel weniger Wasser auf. Sie sinken daher nicht so schnell zu Boden, sondern bleiben in der Luft und können eher von gesunden Menschen eingeatmet werden", erklärt Ahlawat. Zudem würden bei trockener Luft die Nasenschleimhäute trockener und damit durchlässiger für Viren.

Diese Erkenntnisse lassen sich jedoch nicht direkt auf die Verbreitung des Virus im Freien übertragen. Dort kämen laut Ahlawat weitere Faktoren hinzu, hauptsächlich die Verdünnung der Aerosolpartikel in der Luft und die Inaktivierung durch UV-Licht. Diese spielten im Freien eine größere Rolle als Temperatur und Luftfeuchte.

Verhalten: weniger Ansteckung im Freien

Das Wetter beeinflusst auch das Verhalten der Menschen. Im Winter halten wir uns eher in geschlossenen Räumen auf, in der wärmeren Jahreszeit zieht es viele eher ins Freie. "Wenn sich das ganze Leben verstärkt draußen an der frischen Luft abspielt oder Räume durchgehend gut gelüftet werden, ist das Übertragungsrisiko natürlich geringer", sagt Pfänder.

Immunsystem kann Coronaviren im Sommer besser abwehren

Das menschliche Abwehrsystem muss mit verschiedenen Herausforderungen umgehen: Wunden, Bakterien, Pilze – oder eben Viren. Für jeden Fall und Eindringling versucht der Körper eine passende Immunantwort zu haben. "Alles gleichzeitig bereitzuhalten, würde aber sehr viel Energie kosten", erklärt die Gießener Immunologin Eva Peters. Deswegen setze das Immunsystem – abhängig von der Jahreszeit – auf verschiedene Arten der Immunantwort: Die angeborene und die erlernte Immunantwort.

Im Winter sei meist eine Immunantwort für altbekannte Probleme gefragt: Dann würden etwa Antikörper gegen Viren gebraucht, mit denen der Körper zum Beispiel in vorherigen Wintern schon infiziert war, erklärt Peters. Diese erlernte spezifische Immunantwort sei sehr genau, baue sich aber nur langsam auf.

In der wärmeren Jahreszeit seien Menschen dagegen eher im Freien. Der Körper sei dann vielen möglichen, auch unbekannteren Risiken ausgesetzt. Das Immunsystem setze daher eher auf die angeborene, unspezifische Immunantwort. Mit dieser könnten Eindringlinge wie Viren anhand bestimmter Schadensmuster schnell erkannt werden. "Das heißt, im Sommer ist unser Immunsystem besser darin, neue Keime schnell und effizient abzuwehren. Das trifft auch auf SARS-CoV-2 zu", sagt Peters.

Vitamin D: keine belegbaren Zusammenhänge

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat das mit Hilfe von Sonnenlicht gebildete Vitamin D zwar regulatorische Effekte auf das Immunsystem. Noch sei jedoch nicht sicher, ob es vor einer Corona-Infektion schützen kann. Laut RKI ist die Vitamin-D-Bildung durch die geografische Lage in Mitteleuropa nur im Sommerhalbjahr (März bis Oktober) möglich. Im Winter nutze der Körper die im Sommer aufgebauten Vitamin-D-Reserven.

Temperatur, UV-Strahlung, Vitamin D: "Alle diese Faktoren verbessern sich im Frühjahr und im Sommer", fasst Virologe Dittmer zusammen. Es gebe also saisonale Effekte. Doch wie stark das Wetter Einfluss auf das Pandemiegeschehen nehme, dazu fehlten noch konkrete Erkenntnisse.

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"Wir wissen von Coronaviren, dass der R-Wert, also die Reproduktionsrate des Virus, aufgrund dieser Faktoren im Frühjahr und Sommer deutlich sinkt. Also mindestens um den Faktor 0,5, vielleicht sogar noch mehr. Und das ist schon relativ viel", erklärt Dittmer. Das vergangene Jahr habe aber auch gezeigt, dass die saisonalen Effekte nicht zu einem kompletten Verschwinden führten.

Virusmutationen könnten die Erfolge durchkreuzen

Nun kommt den Experten zufolge noch eine weitere Unbekannte dazu: Virusmutationen. Der gewonnene Vorteil durch die saisonalen Effekte könnte von den infektiöseren Mutanten quasi "aufgefressen" werden, sagt Virologe Dittmer mit Blick auf die kommenden Monate. Die saisonalen Effekte könnten dann möglicherweise nicht dafür ausreichen, dass der R-Wert langfristig unter die Schwelle von eins sinkt, ab der die Pandemie abflaut.

Virologin Pfänder geht davon aus, dass die wärmere Jahreszeit grundsätzlich schon dazu beitragen könne, die Übertragungsdynamik abzubremsen. Ungewissheit sieht auch sie bei den Mutanten. "Das Auftreten und die Verbreitung von Mutanten ist tatsächlich ein Faktor, der unberechenbar ist."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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