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Herztransplantation: Ein Betroffener muss neun Jahre auf Spenderherz warten


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Ein Patient berichtet
"Mit dem Spenderherz begann mein zweites Leben"


Aktualisiert am 16.02.2023Lesedauer: 7 Min.
Günter Breitenberger mit seinem Hund Pepe. Drei Jahre nach seiner Transplantation kann der Familienvater aus Wetter an der Ruhr wieder ein weitgehend normales Leben führen.Vergrößern des Bildes
Günter Breitenberger mit seinem Hund Pepe. Drei Jahre nach seiner Transplantation kann der Familienvater aus Wetter an der Ruhr wieder ein weitgehend normales Leben führen. (Quelle: privat)
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Herzschwäche im Endstadium. Als Günter Breitenberger 2011 seine Diagnose erhielt, zog es ihm den Boden unter den Füßen weg. Seine Herzleistung betrug nur noch zehn Prozent.

Schuld daran war eine verschleppte Erkältung, die zu einer schweren Entzündung seines Herzmuskels geführt hatte. Nur ein Spenderherz konnte das Leben des zweifachen Familienvaters, der damals erst 44 Jahre alt war, retten.

Doch Spenderorgane sind rar. Sechs Jahre musste Breitenberger darauf warten, bis er im Herzzentrum Bad Oeynhausen transplantiert werden konnte. Im Interview mit t-online erzählt der zweifache Familienvater, wie er diese Zeit überstanden hat und warum sein neues Herz den Namen Sevhay trägt.

t-online: Wann genau bekamen Sie Ihr neues Herz?

Günter Breitenberger: Am 6. Mai 2017 fand meine Herztransplantation statt.

Wie kam es dazu, dass Ihr Herz versagte?

Es fing 2011 mit einem ganz normalen grippalen Infekt an. Ich habe anfangs die Symptome ignoriert und mich nicht geschont. Das Ganze hat sich dann zu einer Lungenentzündung entwickelt. Irgendwann bekam ich keine Luft mehr, musste nachts den Notarzt rufen und wurde direkt auf die Intensivstation gebracht. Dort stellte man fest, dass die Herzleistung nur noch etwa zehn Prozent betrug.

Hatten Sie vorher schon mal Herzprobleme?

Nein, gar nicht. Ich war nur beruflich sehr ehrgeizig und engagiert. Ich stand mitten im Leben und hatte mir bloß durch eine verschleppte Erkältung eine Herzmuskelentzündung eingefangen. Als mir die Ärzte dann sagten, dass diese dann aber zu irreparablen Schäden am Herz geführt haben, war ich geschockt.

Was passierte dann?

Nach etwas mehr als sechs Wochen wurde ich aus der Klinik entlassen, musste aber aufgrund meiner schweren Herzschwäche eine Defibrillator-Weste tragen. Sie dient dazu, das Herz kontinuierlich zu überwachen. Werden lebensgefährliche Rhythmusstörungen erkannt, senden die Elektroden im Notfall Stromstöße aus, damit es nicht zum Herzstillstand kommt.

Wie veränderte die Krankheit Ihren Alltag?

Das war ganz schlimm, denn ich hatte kaum noch Kraft. Wenn ich morgens aufgestanden bin. Ich ging ins Bad. Ich wusch mein Gesicht, meinen Oberkörper, putzte die Zähne. Danach war ich so erschöpft, dass ich zurück ins Bett musste. Dort erholte mich, um wieder Kraft zu haben, eine Etage runter ins Wohnzimmer zu gehen. Dort saß ich dann meisten den ganzen Tag auf dem Sofa. Zwischendurch mal einen Tee zu machen, war schon eine Höchstleistung. Aber am schlimmsten war es, abends wieder die Treppen hinaus ins Schlafzimmer zu steigen.

Konnten Sie in diesem Zustand überhaupt noch das Haus verlassen?

Nein, das war nicht mehr möglich. Ich stand oft am Fenster und schaute nach draußen. Aber um rauszugehen, war ich viel zu schwach. An ein normales Leben war somit überhaupt nicht mehr zu denken.

Irgendwann war klar, dass Ihr Herz es nicht mehr schafft. Wie ging es dann weiter?

Ich erhielt mehrere Katheterablationen, die aber keine Besserung brachten. Danach sagten mir die Ärzte, dass eine Herztransplantation unumgänglich sei. Die Wartezeit für ein Spenderherz hätte jedoch drei bis neun Monate gedauert. Das hätte ich nicht überlebt. Daher bekam ich am 12. Juni 2016 ein sogenanntes Kunstherz, ein VAD (Ventricular assist device), eingesetzt. Das sollte mein Herz unterstützen und die Zeit überbrücken, bis ein Spenderherz zur Verfügung stünde.

Ihr Leben hing sozusagen an einem Stromkabel. Wie hat sich das angefühlt?

Schrecklich. Die Vorstellung war schwer für mich zu ertragen. Ich hatte eine golfballgroße Pumpe in der Herzspitze sitzen, die über ein Kabel nach draußen mit einem strombetriebenen Controller verbunden war. Ich habe mich in dieser Zeit mal im Spiegel betrachtet und mich wie ein Monster gefühlt. Mit dieser langen Narbe auf der Brust, dem Kabelausgang in der Bauchdecke und den Akkus, die ich in der Hand hielt. Und dann war da ja auch noch der Defibrillator in meinem Schlüsselbein zu sehen, den ich in dieser Zeit noch implantiert hatte.

Der Begriff "Monster" klingt hart. Warum gerade dieses Bild?

Ich habe mich damals als halbe Maschine gesehen. Die Abhängigkeit vom Strom war immer ein Angstgedanke. Ich konnte zwar wieder das Haus verlassen und einige Dinge erledigen, aber der Weg nach draußen musste immer akribisch geplant sein. Immer Akkus mitnehmen, einen Reservecontroller dabeihaben, überlegen, wo die nächste Steckdose ist. Nachts war ich ans Hausnetz angeschlossen. Das Steuerelement und die Kabel lagen im Ehebett in der Besucherritze, zwischen meiner Frau und mir. Die LEDs blinkten, das Gerät summte und manchmal gab es auch Alarmsignale.

Die psychische Belastung war demnach enorm. Wie hält man so etwas aus?

Meine Familie hat mir in dieser Zeit sehr geholfen, vor allem meine Frau und meine Kinder. Wir erhielten aber auch Unterstützung von der Familienhilfe bei uns im Ort, die sich um uns gekümmert haben. Zusätzlich bin ich zu einem Psychotherapeuten gegangen.

Für Patienten mit einer Herzschwäche und Ihre Angehörigen bietet die Deutsche Herzstiftung den kostenlosen Ratgeber "Das schwache Herz“ an. Er kann bei der Herzstiftung telefonisch unter 069 955128400 angefordert werden. Informationen zum Thema Kunstherz stellt die Herzstiftung auf folgender Internetseite zur Verfügung: www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinsuffizienz/broschuere-kunstherz.

Das Kunstherz erhöhte Ihre Chancen auf ein Spenderherz. Wie ging es weiter?

Nachdem ich das Kunstherz bekommen hatte, kam ich auf die sogenannte T-Liste. Das "T" steht dabei für transplantabel, das heißt "keine Dringlichkeit". Denn wenn man ein VAD erhalten hat, wird man nicht als hochdringlich gelistet. Erst wenn alle hochdringlich gelisteten Patienten ein Spenderherz erhalten haben, ist man dran. Außerdem müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Es dürfen zum Beispiel keine Entzündungsherde im Körper mehr vorhanden sein. Daher wurden mir auch noch 18 Zähne in einer weiteren Operation gezogen. Danach war ich insgesamt 694 Tage auf der T-Liste. Erst als es zu Komplikationen kam und ich mit einer Blutvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wurde ich als "hochdringlich" gelistet.

Wie kam es zu dieser Blutvergiftung?

In dem Schlauch, der im VAD-System von der Pumpe zum Schlauch geht, war es zu einer Entzündung gekommen. Direkt am Herzen.

Eine lebensgefährliche Situation ...

Richtig. Nachdem ich im Krankenhaus mit Antibiotika behandelt worden war, kam die Entzündung trotzdem wieder hoch und das Fieber kam wieder. Plötzlich stellte ich fest, dass ich nicht mehr lesen konnte. Ich habe die Buchstaben gesehen, konnte sie aber nicht mehr zu einem Wort zusammensetzen. Ich konnte auch nicht mehr richtig sprechen, sondern redete nur noch Kauderwelsch. Meine Frau rief daraufhin den Notarzt. im Krankenhaus stellte man dann fest, dass ich einen Schlaganfall hatte und sich ein Blutgerinnsel im Kopf gebildet hatten.

Die Situation spitzte sich also weiter zu. Verbesserte das die Chancen auf eine Transplantation?

Ja. Als ich dann auf die Hochdringlichkeitsliste für eine Herztransplantation kam, die sogenannte HU-Liste (High Emergency Liste). Danach dauerte es nur noch 15 Tage, bis ich mein neues Herz bekam.

Wie haben Sie es erfahren als das Spenderherz endlich da war?

Ich erinnere mich noch genau. Es war der 6. Mai 2017 und ich war zu dem Zeitpunkt schon über vier Monate im Herzzentrum Bad Oeynhausen. Gegen zwei Uhr nachts wurde ich von der Nachtschwester geweckt und darüber informiert, dass das Herz da sei und es jetzt langsam losgehe.

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Ein aufregender Moment. Wie haben Sie ihn erlebt?

Ich hatte mich so lange darauf vorbereitet und mir vorgestellt, wie er sein würde. Doch als der Moment dann da war, war ich ganz gefasst. Alles ging ganz schnell danach. Ich wurde für die OP fertig gemacht und ich hatte keine Zeit mehr, um viel nachzudenken. Am Morgen kurz nach 7 Uhr ging es dann los und ich wurde in den OP-Saal gebracht. Der Anästhesist gab mir eine Spritze und im nächsten Moment ging das Licht aus. Meine nächste Erinnerung war dann, als ich im Aufwachraum lag.

Was war dort Ihr erster Gedanke?

Ich habe mich gefragt, ob es geklappt hat. Der erste Griff war an die Stelle, wo beim Kunstherz normalerweise das Kabel aus dem Bauch herauskam. Dann suchte ich im Bett nach der Tasche mit dem Controller. Anschließend habe ich das große lange Pflaster am Brustbein ertastet und gedacht: Es hat funktioniert! Das war ein Riesengefühl der Erleichterung.

Das Kunstherz haben Sie als Fremdkörper empfunden. Wie war das beim Spenderherz?

Ganz anders. Es hat sich sofort so echt angefühlt, so warm. Es war wieder Teil von meinem Körper. Es war sofort meins. Wohlwissend, dass es von jemand anderem war. Aber es war auch ein beruhigendes Wissen, dass auch mein Spender durch mich in gewisser Weise weiterlebt.

Denken sie oft an Ihren Spender?

Den Gedanken an den Spender habe ich jeden Tag.

Würden Sie gern wissen, wer er ist?

Ich bin mir nicht sicher. Ich habe versucht, mir ein Bild von ihm zu zeichnen, wie er gewesen ist. Das habe ich zusammen mit meinem Therapeuten gemacht, aber ich denke, das reicht mir so. Ich kann einfach nur Danke sagen. Mit dem Spenderherz begann mein zweites Leben.

Viele Menschen mit Spenderorganen feiern den Jahrestag ihrer Transplantation. Sie auch?

Ja, der 6. Mai hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Den ersten Jahrestag haben wir zu Hause ganz groß gefeiert, mit einem Gartenfest, bei dem alle Freunde und die ganze Familie mit dabei waren. In den Jahren danach haben wir die Feier dann in kleinerem Rahmen gemacht. Ich habe also einmal im Jahr Geburtstag und einmal Lebenstag.

Sie nennen Ihr neues Herz Sevhay. Was hat es damit auf sich?

Sevhay ist der Name der Schwester, die mir die Nachricht überbracht hat, dass ein Spenderherz für mich zur Verfügung steht. Außerdem hat sie mich monatelang, als ich auf der Station lag, betreut und hat mich auch zur OP begleitet. Irgendwann haben wir uns dann angefreundet. Daher habe ich den Namen meines Herzens ihr gewidmet.

Wie geht es Ihnen heute mit dem neuen Herzen?

Von der Bewegung und von meiner Lebensqualität her ist es fast wie vorher. Es gibt allerdings ein paar Einschränkungen zu beachten, zum Beispiel was die Ernährung angeht. Rohes Fleisch und roher Fisch sind tabu für mich, da sie Bakterien enthalten können. Außerdem muss ich stark auf Hygiene achten. Ich muss regelmäßig zum Arzt und regelmäßig meine Medikamente nehmen, damit es nicht zu einer Abstoßung des Spenderorgans kommt. Doch das ist alles nicht so schlimm. Denn ich habe die Chance bekommen, weiterzuleben.

Prof. Dr. med. Jan Gummert, Herzchirurg und Hochschullehrer
Drei Fragen an
Prof. Dr. med. Jan Gummert, Kardiologe und Herzchirurg

Prof. Gummert ist ärztlicher Direktor des Herz- und Diabeteszentrums NRW / Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, Bad Oeynhausen und Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie.

Welche Verbesserung bringt ein Kunstherz für Menschen mit hochgradiger Herzschwäche?

Die Patienten haben keine Luftnot mehr. Sie fühlen sich fitter, sind mobil und können wieder am Leben teilhaben. Reisen, Kino- und Restaurantbesuche und bestimmte kontaktfreie Sportarten seien möglich. Allerdings muss der Patient muss darauf achten, dass die Batterien des Geräts vor Aktivitäten außerhalb der Wohnung aufgeladen sind und zwei vollständig aufgeladene Ersatzbatterien sowie eine Ersatz-Steuereinheit dabei sind.

Wie kommen die Patienten mit einem Kunstherz zurecht?

Einige kommen hervorragend damit zurecht, andere hoffen auf eine baldige Transplantation. Nach der Operation ist eine  psychologische Unterstützung sehr wichtig, um die Patienten bei der Bewältigung ihrer Ängste zu unterstützen und ihnen bei der Rückkehr in den Alltag zu helfen. Ideal sind extra geschulte Therapeuten, die sich besonders mit mechanischen Herzhilfen auskennen. 

Könnten Kunstherzen bald eine echte Alternative zu einem Spenderherzen sein?

Aus meiner Sicht ist das eine Wunschvorstellung, von der wir derzeit noch weit entfernt sind. Ideal wäre, wenn Herzkammerunterstützungssysteme eines Tages kabellos funktionieren würden.

Hat die Krankheit Ihre Sicht auf das Leben verändert?

Ja, für mich ist seitdem jeder einzelne Tag wichtig. Das Genießen, das Erfreuen an kleinen Dingen ist wunderschön. Ich habe jetzt den großen Vorteil, meine Töchter großwachsen zu sehen. Im Gegenteil zu vielen anderen Männern, die beruflich stark eingespannt sind. Insgesamt bin ich sehr viel gelassener geworden, manchmal aber auch ängstlich. Gerade jetzt in Corona-Zeiten, da ich zur Risikogruppe gehöre.

Sie sind auch Vorsitzender der Selbsthilfe Organtransplantierter in NRW. Sie geben dort ihre Erfahrungen an andere Betroffene weiter und setzen sich für das Thema Organspende ein.

Ja, das ist mir sehr wichtig. Ohne Organspende, insbesondere ohne diesen einen Organspender, wäre ich heute nicht mehr am Leben und hätte Ihnen diese Geschichte gar nicht erzählen können. Das ist meine Botschaft. Sie zeigt, dass eine Organspende Menschenleben retten kann. Dafür möchte ich das Bewusstsein in der Bevölkerung stärken. Ich kann verstehen, dass nicht alle ihre Organe nach dem Tod zur Verfügung stellen wollen. Aber ich finde es wichtig, dass sich jeder Bürger einmal in seinem Leben ganz intensiv mit dem Thema auseinandersetzt und abschließend eine bewusste Entscheidung trifft.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Breitenberger.

Millionen Menschen in Deutschland sind von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen. Für Patienten mit einer Herzschwäche und ihre Angehörigen bietet die Deutsche Herzstiftung den kostenlosen Ratgeber "Das schwache Herz“ an, der über Ursachen, Diagnose und Therapien der Herzschwäche und deren Vorbeugung aufklärt. Der Ratgeber kann bei der Herzstiftung telefonisch oder per E-Mail kostenlos angefordert werden. Informationen zum Thema Kunstherz stellt die Herzstiftung auf folgender Internetseite ebenfalls kostenfrei zur Verfügung: www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinsuffizienz/broschuere-kunstherz

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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