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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Familienbesuche Rettet die "Vor-Quarantäne" unser Weihnachtsfest?
Weihnachten rückt näher – doch in ganz Deutschland steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen an. Wie können Familien unter diesen Umständen gemeinsam Weihnachten feiern?
Für die meisten Menschen im jungen bis mittleren Alter ist das Coronavirus aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sonderlich gefährlich, wenn sie grundsätzlich gesund sind. Das ist der aktuelle Stand der Forschung. Ältere Menschen und Risikopatienten müssen allerdings ganz besonders vor SARS-CoV-2 geschützt werden. Das gilt in Zeiten der Corona-Pandemie auch an Feiertagen.
Viele Menschen sind verunsichert: Kann Weihnachten in diesem Jahr wie gewohnt im Kreise der Familie stattfinden? Wie stellen wir sicher, dass ältere Verwandte geschützt sind? Wie lässt sich das Risiko von Corona-Übertragungen minimieren?
Virologe Drosten rät zur "Vor-Quarantäne" vor Familienbesuchen
Um das Corona-Infektionsrisiko zu verringern, rät der Berliner Virologe Christian Drosten zu einer Art Selbstisolation im Vorfeld von Familienbesuchen. Auch im Hinblick auf die Weihnachtszeit sei eine solche "Vor-Quarantäne" eine gute Idee, sagte Drosten im NDR-Podcast "Coronavirus-Update".
Das bedeute, "dass Menschen einige Tage, optimalerweise eine Woche, vor dem Familienbesuch mit Oma und Opa soziale Kontakte so gut es geht vermeiden". Durch die Zeit mit weniger Kontakten fahre man zu den Verwandten und habe im Hinterkopf, dass man sich in dieser Woche "wahrscheinlich nicht infiziert hat", so Drosten. "Wenn überhaupt, dann hat man sich vielleicht eher in der Woche zuvor angesteckt, und dass in diesem Fall alle aus der Familie symptomfrei bleiben, ist eher unwahrscheinlich", so der Experte der Charité.
Auch Isabella Eckerle, Leiterin des Zentrums für Viruserkrankungen an der Universität Genf in der Schweiz und Expertin für neuartige Viren wie SARS-CoV-2, rät in einem Gastbeitrag für die "Zeit" zur Kontaktreduktion. Und: "Wer kann, sollte in diesen Tagen im Homeoffice arbeiten und größere soziale Aktivitäten meiden", so Eckerle.
Aber es bleiben immer Restrisiken. Drosten machte deutlich, dass man auch auf mögliche Symptome wie eine laufende Nase und leichtes Halskratzen achten und bei solchen Krankheitsanzeichen zu Hause bleiben sollte.
Wie lange ist die durchschnittliche Inkubationszeit?
Die sogenannte Inkubationszeit beträgt laut Medizinstatistiker Tim Friede von der Uni Göttingen im Durchschnitt fünf bis sechs Tage. Gemeint ist die Zeit von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung. Man kann jedoch auch davor und danach infektiös sein. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) und etwa der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Uni Göttingen, Uwe Groß, berufen sich auf diese Zahlen.
Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass ein großer Teil der Infizierten gar keine klinischen Symptome entwickle und dennoch infektiös sein könne, sagt Groß. Das seien in etwa 15 bis 45 Prozent. "Vor allem junge Leute."
Ein weiteres Problem der Selbstquarantäne ist laut Friede auch, "dass es hier keinen zeitlichen Bezugspunkt gibt, wie etwa ein erster negativer Test". Man wisse daher nicht, ob sich die jeweilige Person infiziert habe oder nicht und ob sie schon oder vielleicht nicht mehr infektiös sei. Er halte daher das Infektionsrisiko auch nach fünf Tagen Selbstquarantäne "noch für erheblich".
Zudem könnten in seltenen Fällen, bei weniger als fünf Prozent der Infizierten, auch erst nach zehn bis 14 Tagen Symptome auftreten. Bis wann maximal Symptome auftreten können, lasse sich nicht genau festmachen. "Aber klar ist natürlich, dass die Wahrscheinlichkeit immer geringer wird, je mehr Tage vergehen."
Wie wahrscheinlich ist es, nach der Inkubationszeit Symptome zu entwickeln?
"Aus den genannten Daten würde ich ableiten, dass die Wahrscheinlichkeit, Symptome zu entwickeln, auch nach fünf Tagen noch bei durchaus 50 Prozent liegen könnte", sagt Friede.
Zudem können Erkrankte schon vor Auftreten von Symptomen infektiös sein. "Und zwar etwa ein bis drei Tage vorher", sagt Friede. Das mache die Sache natürlich viel komplizierter, da die Betroffenen dies nicht wissen können, es sei denn, sie wurden getestet.
Weiteren Corona-Schutz vor Weihnachten 2020 könne die Festlegung auf eine Kernfamilie bieten, mit der wir die Feiertage verbringen. "Optimalerweise wäre das nur ein einziger weiterer Haushalt“, so die Expertin. "Mit dieser Gruppe teilen wir dann nicht nur unsere Plätzchen, den Weihnachtsbraten und die Festtagsstimmung, sondern auch ein gemeinsames Infektionsrisiko."
Ab wann ist man infektiös?
Eine Infektion sei erst nach einigen, frühestens zwei, typischerweise vier bis sieben Tagen nachdem man einer infektiösen Person begegnete etwa mittels PCR-Test feststellbar und erst dann sei man ansteckend, sagt Andreas Podbielski von der Uni Rostock. "Infektionssymptome treten noch einmal ein bis zwei Tage später auf. Typischerweise wird jemand, der sich Heiligabend infiziert, selber erst nach Weihnachten ansteckend sein."
Theoretisch sei es möglich, dass man schon am Tag der Infektion ansteckend sei, sagt Groß. Er persönlich halte das aber in den meisten Fällen eher für unwahrscheinlich.
Pflegebeauftragter hält "Weihnachten im Schichtsystem" für sinnvoll
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, schlägt den Familien für Weihnachten ein "Schichtsystem" vor. Wegen der Corona-Pandemie sollten Kontakte auch zu Angehörigen reduziert werden, sagte Westerfellhaus der "Bild"-Zeitung. Er rate dazu, lieber mit weniger Menschen und dafür doppelt zu feiern.
Das Weihnachtsfest müsse möglichst entzerrt werden, so Westerfellhaus. "Man kann auch mal am 28. Dezember oder sogar noch später Bescherung machen." So könnten unterschiedliche Haushalte an unterschiedlichen Tagen miteinander feiern.
Sind Besuche in Pflegeheimen zu Weihnachten möglich?
Ob Besuche in Pflegeheimen überall möglich sind, konnte Westerfellhaus noch nicht sagen. Es könnten nicht alle Angehörigen an Heiligabend kommen, besser wären gestaffelte Besuche. Westerfellhaus kündigte an, dass in den kommenden Wochen bis zu 20 Corona-Schnelltests pro Monat und Besucher zur Verfügung gestellt werden sollen.
Es gehe nicht nur um die Abwehr von Corona, sondern auch um die Lebensqualität der Menschen in den Einrichtungen. Aus den Erfahrungen der vergangenen Monate sei gelernt worden, so Westerfellhaus. Dass Menschen teilweise alleine sterben müssten, ohne ihre Liebsten noch einmal zu sehen, dürfe sich nicht wiederholen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- NDR-Podcast "Coronavirus-Update"
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa
- Zeit Online: "Dieser Winter noch"
- Eigene Recherche