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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Infektionszahlen steigen So sehr sind Ältere vom Coronavirus betroffen
Sie sind bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 besonders gefährdet: ältere Menschen. Im Sommer waren sie weniger betroffen, doch jetzt gibt es auch wieder Ausbrüche in Altenheimen. Wie ist die aktuelle Lage? Und wie kann sich diese Risikogruppe schützen?
Im Frühjahr traf die Corona-Pandemie besonders viele ältere Menschen. Damals waren mehr Intensivbetten belegt, auch die Sterberate von Covid-19 war höher als jetzt im Herbst. Doch mit den rasant steigenden Infektionszahlen sind auch Risikogruppen wieder stärker gefährdet. Was bedeutet das für ältere Menschen in Deutschland?
Wie viele Ältere sind aktuell infiziert?
Seit Anfang September nimmt der Anteil älterer Personen unter den Covid-19-Erkrankten laut Robert Koch-Institut wieder zu. Es gebe demnach auch wieder deutlich mehr Fälle Alten- und Pflegeheimen. Da Ältere auch häufiger schwer erkranken, steigt gleichzeitig die Zahl der an oder mit dem Coronavirus verstorbenen sowie die der Anzahl schweren Fälle.
Das Robert Koch-Institut hat die Infektionszahlen seit Beginn der Pandemie nach Altersgruppen untergliedert. Die Grafik zeigt, dass im Frühjahr die 15- bis 34-Jährigen sowie die 35- bis 59-Jährigen besonders betroffen waren. Darauf folgte die Gruppe der über 80-Jährigen.
Seit die Infektionszahlen Anfang September wieder anstiegen, gab es zunächst die höchste Inzidenz bei den 15- bis 34-Jährigen sowie den 35- bis 59-Jährigen. Auch Kinder zwischen fünf und 14 waren in dieser Phase besonders häufig infiziert. Kurz darauf stieg allerdings auch die Zahl der infizierten über 60-Jährigen wieder an. "Insbesondere die Anstiege in den Altersgruppen der 60- bis 79-Jährigen und der über 80-Jährigen müssen genau beobachtet werden", heißt es dazu vom RKI.
Es sei "absolut nachvollziehbar", dass die Coronavirus-Infektionen bei einem großen Anteil jüngerer Patienten ohne besondere Begleiterkrankungen verlaufen, erklärt Prof. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und Chefarzt. Somit seien auch weniger intensivpflichtige Patienten zu erwarten, was sich momentan auch noch in vergleichsweise niedrigen Belegungszahlen auf den deutschen Intensivstationen zeige.
"Aber unsere Sorge ist es, dass es wieder zu einem zunehmenden Überspringen der Infektion auf die älteren Patientengruppen kommt und dieses ist nachweislich ab September der Fall", betont er.
Welche Herausforderungen ergeben sich durch mehr ältere Infizierte?
Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin in München erklärt, insbesondere ältere Patienten müssten in den Schwerpunktzentren der Kliniken versorgt werden. Zudem liege die Sterblichkeit bei älteren Patienten zum Teil deutlich über dem Durchschnitt. "Das wird eine gewisse Herausforderung sein und umso mehr, als es eine Doppelwelle Influenza plus Covid-19 zu verhindern gilt", erklärt Wendtner.
Uwe Janssens hat zudem die Hoffnung, dass vor allem bei der älteren Generation immer noch eine große Disziplin bei den Corona-Maßnahmen zu sehen ist. "Die halten sich wirklich fern. Unsere Hoffnung ist, dass tatsächlich diese Riesenwelle im Februar, März, April, die dann wirklich die Alten erfasst hat, dass das vielleicht etwas abgemildert ist."
"Wir haben deutlich mehr Patienten als wir vor vier Wochen hatten", berichtet Wendtner aus seiner Arbeitspraxis. "Zurzeit haben wir 25 Patienten. Vor vier Wochen wären das unter zehn Patienten gewesen. Das Alterskollektiv ist deutlich über 70." Das Problem sei, dass diese Patienten dann auch einen schlechteren Verlauf erleben und häufiger intensiv-medizinische Maßnahmen benötigen. Aber er beruhigt auch: "Wir sehen jetzt noch keine Überforderung."
Wendtner mahnt aber auch, es komme nicht nur auf die Bettenkapazität an. Hinter den Maschinen müsse es auch Pflegekräfte geben. Hinzu kämen auch Nicht-Corona-Patienten. "Das heißt, die leeren Betten müssen dann auch unter all diesen Patienten aufgeteilt werden. Und da muss eine Ressourcen-Fairness stattfinden und geschaut werden, dass keiner über den Tisch gezogen wird oder hinten herunterfällt." Darum finde er auch die vorbereitenden Appelle der Politik in diesem Feld sehr wichtig, meint Wendtner. "Wir müssen die Zahlen auch in den nächsten Tagen und Wochen sehr genau beobachten und uns darauf vorbereiten."
Warum steigen die Zahlen der älteren Infizierten?
Dass mit generell steigenden Infektionszahlen auch die Zahlen infizierter Risikopatienten steigen, ist zunächst ein logischer Schluss. Und auch, wenn sich viele, insbesondere Ältere, diszipliniert an die Corona-Maßnahmen halten und so das Infektionsgeschehen eindämmen, kommt es zunehmend auch zu Infektionsketten beispielsweise im familiären Bereich.
Das sei im Herbst durch das Wetter und dadurch, dass sich vieles jetzt wieder in Innenräumen abspiele nicht zu vermeiden, so Janssens. ´"Deshalb sind die Appelle der Politiker nachvollziehbar, dass man genau diese Festivitäten, bei denen dann auch Ältere mit Jüngeren zusammentreffen, tatsächlich meidet", erklärt der DIVI-Präsident.
Wie können sie sich schützen?
Um sich jetzt vor dem Coronavirus zu schützen, sollten Sie sich zum einen an die aktuell geltenden Schutzmaßnahmen halten. Halten Sie, wann immer es geht ausreichend Abstand zu anderen Menschen. Tragen Sie dort, wo es vorgeschrieben ist eine Mund-Nasen-Bedeckung. Versuchen Sie, in geschlossenen Räumen mit anderen Menschen regelmäßig zu lüften und achten Sie auf eine gute Handhygiene.
Chefarzt Wendtner empfiehlt zum Schutz vor einer Doppelinfektion zudem eine Grippeschutzimpfung. Ihm zufolge sollten sich aber nicht nur über 60-Jährige impfen, sondern auch jüngere Patienten. Das helfe, das Infektionsgeschehen geringer zu halten und erhöhe den Schutz vor einem gefährlichen Ausgang der Erkrankung, betont er.
Inwiefern ist die ältere Generation von Einschränkungen betroffen?
Zu den Sorgen um die Gesundheit kommen in der Corona-Pandemie auch die Einschränkungen im Lebensumfeld hinzu. Auch davon sind ältere Menschen in besonderem Maße betroffen. Aus Sorge besucht die Familie die Großeltern nicht mehr so häufig, Enkel werden nicht mehr zu Oma und Opa zum Aufpassen vorbeigebracht.
Aber auch der ganz normale Alltag hat sich verändert: Einkaufen ist durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für viele anstrengender geworden. Viele gesellschaftliche Events sowie sportliche und kulturelle Angebote, bei denen sich ältere Menschen treffen konnten, finden nicht mehr oder nur eingeschränkt statt. Und auch in Alten- und Pflegeheimen gelten teils strenge Besuchsregelungen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Robert Koch-Institut: Situationsberichte
- SMC Press Briefing zum Thema "Wie gefährlich wird Covid19 im Winter?"; 19. Oktober 2020
- Bundesregierung
- Eigene Recherche