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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutliche Zahlen aus Deutschland Deshalb sterben mehr Männer an Covid-19 als Frauen
Die Zahlen sind mittlerweile eindeutig: Männer, die sich mit dem Coronavirus infizieren, erkranken schwerer und sterben öfter als Frauen gleichen Alters. Forscher nennen dafür mögliche Gründe.
Männer haben bei der Covid-19-Erkrankung eine schlechtere Prognose als Frauen. Sie erkranken oft schwerer und sterben häufiger. Anfangs schien es ein Phänomen aus China mit seiner hohen Zahl rauchender Männer zu sein.
Daten der Forschungsinitiative Global Health 50/50 aus mehr als 20 Ländern zeigen mittlerweile aber gesichert, dass Frauen sich sogar etwas häufiger mit dem Virus infizieren als Männer. Bei den Sterberaten liegt die Verteilung jedoch umgekehrt etwa bei einem Drittel zu zwei Dritteln.
Auch in Deutschland mehr Männer betroffen
Das Robert Koch-Institut (RKI) schlüsselt die gemeldeten Infektions- und Todesfälle in Deutschland auch nach Alter und Geschlecht auf. Demnach wurde in der Altersgruppe von 35 bis 59 Jahren bei Frauen etwas häufiger eine Corona-Infektion gemeldet als bei Männern: rund 1,53 Millionen bei Männern, rund 1,67 Millionen bei Frauen. Bei den Männern dieser Altersgruppe sind 4.293 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 verzeichnet, bei den Frauen sind es nur 1.808.
Auch bei der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen zeigt sich dieses Bild: Männer erkranken schwerer und sterben etwa doppelt so häufig an den Folgen der Infektion. Lediglich bei den über 80-Jährigen sind mehr Frauen als Männer im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben – 40.189 gegenüber 34.384. Das Verhältnis kehrt sich hier um, möglicherweise deshalb, weil es mehr Frauen als Männer dieses Alters gibt.
Schlechtere Covid-Prognose: Was sind die Gründe?
Warum aber sind die Corona-Todeszahlen bei Männern viel höher? Zu den Gründen heißt es beim RKI, es gebe viele offene Fragen. Mehrere Studien haben sich mit dem Thema befasst und kommen zu folgenden Schlüssen:
1. Vorerkrankungen und Lebensstil spielen eine Rolle
Männer entwickeln im Schnitt häufiger und früher im Leben Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs, zudem rauchen sie öfter. Eine Untersuchung aus den USA mit rund 300.000 Patienten zeigte allerdings, dass Männer auch dann häufiger intubiert werden mussten, länger im Krankenhaus lagen und häufiger starben als Frauen, wenn man ihre Vorerkrankungen statistisch berücksichtigte.
2. Das Immunsystem funktioniert geschlechterspezifisch
US-Forscher der Yale University haben bereits 2020 untersucht, wie das Immunsystem von Frauen und Männern auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 reagiert. Dazu wurden die Blutwerte von weiblichen und männlichen Corona-Patienten mit dem Durchschnittsalter von 60 Jahren verglichen. Das Ergebnis: Männer reagieren anders auf eine Corona-Infektion, sie schütten mehr sogenannte Zytokine aus.
Zytokine sind Proteine, die bei Entzündungsreaktionen eine Rolle spielen. Sie funktionieren als Botenstoffe und locken andere Immunzellen zu den Entzündungsherden. Bei einer Überreaktion der Immunabwehr wird jedoch zu viel Zytokin gebildet. Dadurch werden dann auch viele gesunde Zellen markiert und zerstört.
Im Zusammenhang mit schweren Covid-19-Verläufen ist häufig von einem Zytokinsturm die Rede. Dieser kann bei Patienten zu Lungenentzündungen und Atembeschwerden führen, die in einigen Fällen sogar tödlich enden. Der Studie zufolge ist die Neigung zu einem Zytokinsturm bei Männern um ein Vielfaches erhöht.
Ein weiterer Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht in der T-Zell-Antwort. T-Zellen können infizierte Zellen abtöten, was eine weitere Vermehrung der Viren verhindert. Bei Frauen war diese T-Zell-Antwort bereits bei der Erstuntersuchung ausgeprägter als bei Männern. Bei ihnen werden offenbar weniger dieser spezialisierten Immunzellen als Reaktion auf eine Infektion mit dem Coronavirus gebildet. Auffallend war in diesem Zusammenhang: Je kränker und je älter die männlichen Probanden waren, desto schwächer zeigte sich die Abwehrreaktion mit T-Zellen.
3. Hormone beeinflussen den Covid-Verlauf
Manche Experten sehen als Faktoren für die unterschiedlichen Verläufe von Frauen und Männern das weibliche Sexualhormon Östrogen mit seinem schützenden Wirkmechanismus und generell das stärkere Immunsystem von Frauen – ohne dass es hier eindeutige Belege gibt.
Dass das Immunsystem von Frauen auf Virusinfektionen grundsätzlich schneller und stärker reagiert als das von Männern, zeigt sich laut Virologen auch bei anderen Viruserkrankungen, etwa bei der Grippe, bei Sars und bei Mers. Dafür erleiden Frauen häufiger Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, bei denen das Immunsystem überschießt und eigene Zellen angreift – eine mögliche Komplikation auch bei Covid-19.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nature: "Sex differences in immune responses that underlie COVID-19 disease outcomes"
- Robert Koch-Institut (RKI)
- Nachrichtenagentur dpa
- Spiegel: "Warum Covid-19 für Männer häufiger tödlich ist als für Frauen", 27. Januar 2022
- Eigene Recherche