Nach 100 Jahren Forscher warnen vor zweiter "Spanischer Grippe"
Vor hundert Jahren tötete die Spanische Grippe mehr Menschen als der Erste Weltkrieg. Die Erkrankung, die ihren Namen von einem spanischen König hat, gilt als Prototyp der Pandemie. Forscher sind der Ansicht, dass die Gefahr einer Grippeepidemie auch heute noch besteht.
Millionen von Menschen starben Anfang des vergangenen Jahrhunderts an der Spanischen Grippe, insgesamt rund ein Drittel der Weltbevölkerung erkrankte an dem Virus. Seitdem sind hundert Jahre vergangen und aus der Epidemie wurden einige Lehren gezogen. Dennoch ist die Menschheit laut einer neuen Studie auf eine nächste große Grippeepidemie schlecht vorbereitet.
Die Autoren warnen, der demografische Wandel, Antibiotika-Resistenzen und der Klimawandel könnten die Bekämpfung der Krankheit erschweren, sodass bis zu 150 Millionen Menschen sterben könnten.
Forscher analysieren vergangene Grippeepidemien
"Wir stehen nun Herausforderungen gegenüber wie einer alternden Bevölkerung, Menschen mit Grunderkrankungen wie Fettleibigkeit und Diabetes", sagt Carolien van de Sandt vom Peter-Doherty-Institut für Infektionen und Immunität an der Universität von Melbourne.
Sie und ihre Kollegen haben für die Studie, die im Fachblatt "Frontiers in Cellular and Infection Microbiology" veröffentlicht wurde, einige große Grippeepidemien analysiert: die sogenannte Asiatische Grippe von 1957, die Hongkong-Grippe 1968 und die Schweinegrippe 2009. Außerdem werteten sie riesige Datenmengen über die Spanische Grippe aus, die sich 1918 am Ende des Ersten Weltkriegs auf dem ganzen Erdball verbreitete.
Spanische Grippe tötete 50 Millionen Menschen
Entgegen der damaligen Vermutungen erkrankten nach heutigem Forschungsstand nicht Spanier, sondern US-Soldaten als erste an der sogenannten Spanischen Grippe. Weltweit starben etwa 50 Millionen Menschen und damit 2,5 Prozent der damals Erkrankten.
Bei den Opfern handelte es sich besonders häufig um junge Menschen. Das Virus war auch deshalb so tödlich, weil Unterernährung infolge des Krieges besonders verbreitet war.
Gefahr durch Wohlstandskrankheiten und Klimawandel
Die Wissenschaft geht davon aus, dass die nächste große Grippeepidemie anders verlaufen wird und besonders ältere und chronisch kranke Menschen in den Industrieländern treffen wird. Schließlich gibt es hier besonders viele Übergewichtige und Diabetiker. Kirsty Short von der University of Queensland sagt, diese Menschen seien besonders häufig schwer an der Schweinegrippe 2009 erkrankt.
Short, van de Sandt und ihre Kollegen sprechen von einer "doppelten Bürde": Die Ausbreitung eines Grippevirus werde durch weit verbreitete Unterernährung in den Entwicklungsländern sowie durch die Überernährung in reicheren Ländern gefördert.
Und auch der fortschreitende Klimawandel könnte sich auf kommende Grippewellen auswirken. Van de Sandt weist darauf hin, dass viele Grippeviren-Stämme sich zuerst in Vögeln entwickeln. Der Klimawandel könne die Flugrouten von Vögeln verändern und damit "potenziell pandemische Viren in neue Orte bringen und potenziell eine größere Bandbreite an Vogelarten" befallen.
- Prototyp der Pandemie: Hundert Jahre Spanische Grippe
- Unterschätzte Folgen: Grippewellen können gefährlich werden
- Bundesagentur schlägt Alarm: Zu wenige Menschen lassen sich gegen Grippe impfen
Nicht außer Acht gelassen werden darf auch das Risiko, dass grippegeschwächte Patienten leichter an bakteriellen Infektionen erkranken. Diese können anders als das Grippevirus mit Antibiotika behandelt werden. Allerdings werden wegen des massenhaften Einsatzes von Antibiotika in der Medizin und der Tierzucht immer mehr Bakterien resistent. Damit steige das Risiko, dass Menschen bei der nächsten Grippeepidemie an bakteriellen Folgeinfektionen sterben, sagt Katherine Kedzierska vom Doherty-Institut in Melbourne.
Das Internet als Pandemie-Warnsystem
Seit 1918 hat sich die Welt sehr verändert. Es gibt mittlerweile sieben Milliarden Menschen auf der Erde, zahlreiche dicht besiedelte Mega-Städte und einen regen erdüberspannenden Flugverkehr. Das erleichtert die Verbreitung von Grippeviren – und einen universalen Impfstoff gegen die zahlreichen, sich ständig neu entwickelnden Varianten der Grippe gibt es noch nicht.
Van de Sandt und ihre Kollegen heben jedoch hervor, dass moderne Entwicklungen bei der Eindämmung künftiger Epidemien helfen könnten, wie etwa die schnelle Kommunikation via Internet. So könnten im Falle einer Pandemie schnell Warnungen und Verhaltensanweisungen verbreitet werden. Schließlich laute eine der wichtigsten Lektionen aus der Spanischen Grippe, "dass eine gut vorbereitete Reaktion der Öffentlichkeit viele Leben retten kann".
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- AFP