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Neurasthenie: Der Vorläufer von Burnout?


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Nervenschwäche
Neurasthenie: Der Vorläufer von Burnout?

hm (CF)

26.02.2016Lesedauer: 3 Min.
Schon seit 1900 leiden Menschen unter einer Nervenschwäche, ähnlich dem Burnout.Vergrößern des Bildes
Schon seit 1900 leiden Menschen unter einer Nervenschwäche, ähnlich dem Burnout. (Quelle: CHROMORANGE/imago-images-bilder)

Burnout ist gar nicht so neu, wie man vielleicht vermuten könnte: Die ähnlich gelagerte Neurasthenie verbreitete sich schon um 1900. Wie die Symptome der Nervenschwäche aussahen und auf welche einfallsreiche Behandlung die damaligen Ärzte verfielen, erfahren Sie im Folgenden.

Neurasthenie: Eine Zeichen der Zeit

Das Fin de Siècle war aufgrund der industriellen Revolution allerhand Neuerungen ausgeliefert, die das Leben der Menschen bis heute prägen. Der Alltag beschleunigte sich durch Taschenuhren, Telegrafen und die Eisenbahn. Auch löste all das Neue, das sich unaufhaltsam in den Bereichen der Naturwissenschaft und Technik auftat, Ängste aus. Diese und andere Faktoren der Zeit um die Jahrhundertwende lösten bei vielen Menschen gerade aus der Mittelschicht eine neuartige Erkrankung aus: Neurasthenie. So wurde die Nervenschwäche genannt, die um 1900 einen großen Teil der Mittelschicht in Deutschland befiel.

Benannt hat das Leiden der New Yorker Nervenarzt George Miller Beard. Er prägte nach Angaben von "Spiegel Online" um 1880 den Begriff der Neurasthenie, der das griechische Wort "neuron" für Nerv geschickt mit "astheneia" für schwach verbindet: Geboren war der Begriff der Neurasthenie. Heutzutage wäre der Begriff Burnout – übrigens auch aus den USA importiert – treffender.

Neurasthenie gefährdet die Mittelschicht

Die Modekrankheit breitete sich in erster Linie in der Mittelschicht aus. Bauern und Arbeiter wurden für weniger gefährdet gehalten, da ihre Konstitution von Natur aus stärker sei. Dafür traf es die Mittelschicht aber umso ärger. Im Jahre 1914 gehörte die Neurasthenie schon zu den am häufigsten gestellten Diagnosen überhaupt und schlug damit ähnliche Wellen wie die Hysterie. Hetzerei und der Stress wurden von der zeitgenössischen Literatur klar als Ursache ausgemacht. Doch auch sexuelle Frustration scheint nach heutiger Sichtung der damaligen Patientenakten eine Rolle gespielt zu haben.

Der Ausbruch des 1. Weltkrieges sorgte zunächst für das Ende der Nervenschwäche. Erst viele Jahre später sollte sie in der abgeänderten Form von Burnout wieder populär werden.

Burnout der Jahrhundertwende: Symptome von Neurasthenie

Die Symptome von Neurasthenie ähneln Burnout merklich. Für Menschen der heutigen Zeit sind sie vielleicht hinlänglich bekannt, doch in der Zeit um 1900 stellten sie die Ärzte zunächst vor ein Rätsel. Da ist die Rede von körperlicher und psychischer Müdigkeit, chronischer Antriebsschwäche und Nervosität. Herzrasen in Verbindung mit einem jagenden Puls sind ebenso Symptome wie Depressionszustände.

Doch auch die Sinnesorgane schienen von der Nervenschwäche betroffen zu sein. Manche nahmen ein Flimmern vor den Augen wahr, andere litten unter Ohrensausen. Ebenso flossen Phobien wie Platzangst in die Störung ein. Diese Symptome steigerten sich bis zu einer großen Empfindlichkeit gegenüber Sinneseindrücken und einer allumfassenden Gereiztheit. Unkontrollierbare Zuckungen und Verdauungsstörungen machten Neurasthenie-Patienten ebenso zu schaffen.

Behandlung von Neurasthenie

Nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) wurde die Nervenschwäche damals als eine somatische, also körperliche Krankheit gewertet. Zum Glück für die Patienten: Denn geistige Erkrankungen waren um die Jahrhundertwende gesellschaftlich wenig akzeptiert. Da das Stadtleben mit seinem "Hetzen und Jagen" als eine der Ursachen für das Ausbrechen einer Nervenschwäche galt, wurden vielen Patienten zur Behandlung aufs Land oder zumindest in die freie Natur geschickt. Oft auf dem Sattel eines Fahrrades sollte das Burnout der Jahrhundertwende bekämpft werden.

Das Geschäft mit der Neurasthenie verschaffte einer ganzen Gesundheitsindustrie ein Einkommen. So wurde eine Vielzahl von Büchern zum Thema der Nervenschwäche veröffentlicht. Eines davon ist das Werk des deutschen Nervenarztes Leopold Loewenfeld, der unter anderem Bäder, Luft- und Mastkuren gegen Neurasthenie bewarb.

Hypnose und richtige Ernährung

Doch auch andere Bewegungen, die zur damaligen Zeit aufkamen, wurden auch für die Behandlung der Neurasthenie herangezogen. Mit der populären Hypnose sollte eine körperliche Ursache für die Nervenschwäche ausgemacht werden. Rückblickend ist es nicht verwunderlich, dass dieses Vorgehen nicht von Erfolg gekrönt war – handelte es sich bei der Neurasthenie doch eindeutig um eine psychische Störung.

Auch der Einfluss der Ernährung als Therapie wurde hervorgehoben. Der Schweizer Arzt und Ernährungswissenschaftler Maximilian Oskar Bircher-Benner empfahl reine Rohkost als Therapie. Auch die Bewegung der Vegetarier, die noch sehr jung war, fand Anhänger unter den Neurasthenie-Patienten, da der Fleischkonsum mit niederen Leidenschaften gleichgesetzt wurde.

Und wenn gar nichts mehr half, war da immer noch die Anstaltsbehandlung als letzte Möglichkeit gegen das Burnout der Jahrhundertwende.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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