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Wer braucht die vierte Corona-Impfung und wer nicht?


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Corona-Zahlen steigen rasant
Wer die vierte Impfung braucht – und wer nicht


Aktualisiert am 13.10.2022Lesedauer: 5 Min.
Corona-Impfung: Die bald verfügbaren Impfstoffe sollen besser vor aktuellen Virusvarianten schützen.Vergrößern des Bildes
Corona-Impfung: Braucht es die vierte Impfung für alle? (Quelle: Uwe Umstätter via www.imago-images.de)
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Die Corona-Herbstwelle überrollt das Land. Ein Experte bewertet, ob sich der zweite Booster auch für Jüngere lohnt – und ob eine heftige Grippewelle droht.

Im dritten Corona-Herbst zeigt sich ein altbekanntes Bild: Die Inzidenzen schnellen nach oben und die Krankenhäuser melden eine steigende Belegung mit Personen, deren PCR-Test positiv ausgefallen ist. Klar ist allerdings: Nicht jeder, der auf einer (Intensiv-)Station behandelt wird, liegt dort wegen seiner Corona-Infektion.

Dennoch sind die Corona-Zahlen in einigen Regionen so hoch, dass bereits planbare Operationen verschoben werden müssen. Der Betriebsrat des städtischen Klinikums München schlug in einem Brandbrief an den Münchner Oberbürgermeister Alarm: "Die Notfallzentren sind überfüllt, die Patienten stapeln sich auf den Fluren." Die Sicherheit der Patienten und Mitarbeiter sei "nicht mehr gewährleistet, die Gefährdung ist real und beweisbar".

Erste Experten empfehlen vierte Impfung für alle

Einige Experten rufen auch jene Menschen zur vierten Impfung auf, denen der zweite Booster nicht durch die Ständige Impfkommission (Stiko) empfohlen wird. Bislang empfiehlt die Stiko die vierte Impfung für Menschen über 60 Jahre, für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, Pflegepersonal sowie Personen mit Immunschwächekrankheiten. Bei Letzteren gilt die Empfehlung bereits ab einem Alter von fünf Jahren.

Im TV-Sender RTL riet der Frankfurter Virologe Martin Stürmer nun allen Bürgern zur vierten Impfung. Laut Stürmer biete sie all jenen, denen auch die dritte Impfung empfohlen wurde, einen erheblichen Mehrwert, um risikofreier durch die kalte Jahreszeit zu kommen. "Eine vierte Impfung kann die Verbreitung eindämmen", so Stürmer. Er rät zur Verwendung der neuen angepassten Omikron-Impfstoffe.

Wer braucht nun die vierte Impfung wirklich und mit welchem Impfstoff? t-online sprach darüber mit dem Immunologen Andreas Radbruch.

Herr Radbruch, machen Ihnen die Hospitalisierungsinzidenzen auch Sorgen?

Andreas Radbruch: Man muss diese schon im Blick behalten. Dort liegen sicher nicht alle Patienten wegen einer, sondern viele auch mit einer Corona-Infektion, aber es wird auch viele schwere Covid-Fälle geben.

Das Robert Koch-Institut sieht einen Anstieg vor allem in der Altersgruppe ab 80 Jahren.

Ja, das belegen die Daten. Aber man muss auch festhalten, dass wir derzeit bundesweit – in einigen Regionen ist das anders – eine Covid-Intensivbettenauslastung haben, die etwa so hoch ist wie die aus den Zeiten, als wir noch Sieben-Tage-Inzidenzen von unter 50 hatten. Nun liegen wir bei einer Inzidenz von 800. Und die Dunkelziffer dürfte noch um ein Vielfaches höher sein.

Andreas Radbruch
Andreas Radbruch (Quelle: Gero Breloer)

Dr. Andreas Radbruch ist Immunologe und Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin. Er berät unter anderem auch den Gesundheitsausschuss des Bundestages.

Das ist ein Erfolg der Impfungen?

Das ist eindeutig so. Man muss sich natürlich im Klaren sein: Keine Impfung bietet 100-prozentigen Schutz und eine Häufung schwerer Krankheitsverläufe sehen wir immer dann, wenn das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung sehr hoch ist. Dann kommt das Virus auch bei denen an, die zu den Risikogruppen gehören und/oder deren Immunisierung nicht gut funktioniert hat. Aber für das Gros der Menschen bieten die Impfungen einen guten Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod.

Wie viele Impfungen braucht es dafür?

Der Schutz zeigt sich eigentlich langfristig nach der zweiten, besser noch nach der dritten Impfung. Die Zellen, die die Antikörper produzieren, bleiben auf jeden Fall mindestens bis zu einem Jahr erhalten. Darüber hinaus haben wir noch keine validen Daten.

Was spricht für eine vierte Impfung?

Die vierte Impfung kann die Qualität der Antikörper noch einmal kurzzeitig verbessern, zumindest bei denjenigen, die auf die ersten drei Impfungen noch nicht so gut angesprochen haben. Aber danach in kurzem Abstand mit dem gleichen Impfstoff in der gleichen Dosis nachzuimpfen, wird nichts mehr bringen. Das Immunsystem ist dann schlicht gesättigt.

Die vierte Impfung wird von der Stiko ab 60 Jahren empfohlen – eine richtige Entscheidung?

Das kann sinnvoll sein, allerdings sind auch in dieser Altersgruppe die meisten vor schweren Krankheitsverläufen schon nach drei Impfungen sehr gut geschützt. Wenn man nun aber ganz auf Nummer sicher gehen will, kann der vierte Pieks sinnvoll sein.

Was meinen Sie mit "ganz auf Nummer sicher"?

Nun, die angepassten Impfstoffe bieten vorübergehend auch etwas Schutz vor Ansteckung, damit natürlich auch zusätzlichen Schutz vor schwerer Erkrankung. Allerdings ist der Schutz vor Infektion nicht berauschend.

Von welcher Größenordnung sprechen wir hier?

Nach einer Studie aus Israel bieten die alten Impfstoffe beim vierten Pieks etwa zehn bis 30 Prozent Schutz vor Ansteckung mit Omikron, und wie lange dieser Schutz anhält, ist unklar. Wahrscheinlich nur wenige Wochen bis Monate.

Sind die neuen modifizierten Vakzine da besser?

Das ist noch unklar, sie sind einfach zu kurz im Einsatz. Aber wir können davon ausgehen, dass der Schutz in jedem Fall nur kurzfristig ist, denn die mRNA-Impfstoffe bringen die schützenden Antikörper prinzipiell nicht effizient auf die Schleimhäute und ihre Konzentration dort nimmt schnell ab.

Nun fragen sich ja viele, ob eine vierte Impfung für alle nicht das Infektionsgeschehen allgemein senken könnte, also nicht nur der individuelle Schutz etwas hochgefahren wird, sondern auch jener der Gemeinschaft …

Angesichts der nicht sehr eindrucksvollen Wirksamkeit der Impfstoffe in Bezug auf die Vermeidung von Ansteckungen dürfte das keine große Rolle spielen, fürchte ich.

Aktuell befinden wir uns ja in einer Phase der Durchseuchung, kann uns das helfen?

Man weiß inzwischen, dass der beste Schutz vor erneuter Ansteckung mit dem Virus die Kombination von Impfung und überstandener Infektion ist. Wir nennen das Hybridimmunität. Danach liegt der Schutz vor einer erneuten Infektion bei 90 Prozent noch nach einem Jahr.

Nun kennt aber jeder von uns Menschen, die bereits geimpft und genesen waren und sich dann doch wieder angesteckt haben.

Ja, auch hier gilt: 90 Prozent sind eben nicht 100 Prozent. Es stecken sich zwar zehnmal weniger Menschen an, aber besonders bei hohen Inzidenzen können das immer noch ganz schön viele sein.

Also ist die Durchseuchung nicht ganz so schlecht?

In dieser Hinsicht nicht, aber es wäre natürlich besser, wir könnten die Verbreitung des Virus anders verhindern. Dann würden keine neuen Varianten entstehen und wir hätten keine Covid-19 Symptome und Spätfolgen.

Das Risiko für Long-Covid – welche Rolle spielt das?

Wenn man das minimieren will, müsste man sich eigentlich wieder für Lockdowns entscheiden. Das ist aber angesichts der hohen Immunität in der Bevölkerung in meinen Augen nicht mehr angemessen.

Nun warnen Experten in diesem Herbst ja nicht nur vor Corona: Die Grippe-Saison fiel in den letzten Jahren aufgrund der Anti-Corona-Maßnahmen quasi aus. Kann uns das einholen?

Ja, das kann passieren. Wir wissen dadurch nicht genau, welche Influenzastämme uns heimsuchen werden. Im Grunde muss man etwas raten, welche Stämme es sein könnten und die passenden Impfstoffe auf gut Glück herstellen.

Aber Sie raten dennoch zur Grippe-Impfung?

Ja, die Personengruppen, denen die Stiko zur Impfung rät, sollten sich auch impfen lassen.

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Geht das parallel zur vierten Corona-Impfung? Das ist ja eine ganz ähnliche Personengruppe, für die auch die zweite Booster-Impfung empfohlen wird.

Ja, das geht sogar sehr gut zusammen. Unser Immunsystem reagiert präzise und gleichzeitig gegen beide Impfstoffe. Der Schutz ist dann zehn Tage nach der Impfung etabliert. Wir sind dann langfristig immun gegen diese Influenzastämme. Und diejenigen, die auf die ersten drei SARS-CoV-2 Impfungen noch nicht gut reagiert haben, sind dann wahrscheinlich auch etwas besser geschützt gegen schwere COVID-19 Verläufe.

Herr Radbruch, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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