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Psychologin erklärt: Tagebuchschreiben stärkt Immunsystem


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Schreiben hilft
Wie Tagebuchschreiben das Immunsystem stärkt

Eine Kolumne von Ulrike Scheuermann

26.12.2020Lesedauer: 4 Min.
Tagebuch schreiben: Nur noch bei uns in Deutschland wird das Aufschreiben täglicher Gedanken oft belächelt.Vergrößern des Bildes
Tagebuch schreiben: Nur noch bei uns in Deutschland wird das Aufschreiben täglicher Gedanken oft belächelt. (Quelle: Leonardo De La Cuesta/getty-images-bilder)
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Besonders an den Feiertagen und zwischen Weihnachten und Neujahr fühlen sich viele einsam oder sind von Sorgen belastet. Psychologin Ulrike Scheuermann hat einen Tipp, um die Gedanken loszuwerden.

Nicht immer hat man einen Gesprächspartner, der einem dabei hilft, sich emotional zu entlasten oder Gedankenwirrwar zu klären. Aber eines können Sie immer machen, was nachgewiesen ein wirksamer Weg für emotionale Entlastung ist: Schreiben.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: Felix schreibt seit einiger Zeit jeden Abend seine Gedanken zum Tag auf. Wofür er dankbar ist, was er an diesem Tag gelernt hat, was seine größte Freude war – und ein Fazit: Das Wichtigste am heutigen Tag. Das dauert zehn Minuten. Er wertet seine Erlebnisse und Erfahrungen aus und "legt sie ab".

Was macht das mit ihm? Er kommt am Ende des Tage zur Ruhe, die Gedanken hören auf zu kreisen und so geht Felix entspannt in die Nacht: Er schläft schnell ein und in letzter Zeit – seit er mit den Tagebuchnotizen begonnen hat – auch bis zum nächsten Morgen durch.

In Deutschland wird Tagebuchschreiben oft belächelt

Tagebuchschreiben ist doof? Nur noch bei uns in Deutschland wird das Tagebuchschreiben oft belächelt. Es hat den Touch eines Hobbys ohne nennenswertes Ergebnis, praktiziert von Jugendlichen mit Liebeskummer oder Rentnern mit zu viel Zeit. Zu Unrecht. Viele Studien der Schreibforschung belegen seit Jahrzehnten zweifelsfrei: Schreiben hilft. Beim Denken, Ideenentwickeln, Lernen, Konzentrieren und Fokussieren. Und: Beim Entlasten und Beruhigen.

In anderen Ländern, allen voran den englischsprachigen, ist man mit dem privaten, also nicht für die Veröffentlichung und zur Kommunikation gedachten, Schreiben viel weiter als wir. Hier wird das (Arbeits-)Tagebuchschreiben oder Journaling sowohl im Beruf und in der Wissenschaft als auch im Privatleben essenziell für die kreative Entwicklung und Dokumentation sowie für die emotionale Entlastung und psychische Klärung umfassend genutzt.

Schreiben klärt und stärkt das Immunsystem

Grundlage dieser Entwicklung sind die Forschungsarbeiten des Psychologen James Pennebaker an der University of Texas in den 1980er Jahren. Er belegt, dass das Tagebuchschreiben, bei dem man seiner Gedanken- und Gefühlswelt Ausdruck verleiht, das Immunsystem stärkt und dabei hilft, Kummer zu verarbeiten.

Zudem wird die Resilienz, also die psychische Widerstandskraft bei Krisen und anderen belastenden Lebensereignissen, wesentlich gestärkt. Diese sogar selbsttherapeutische Wirkung wurde auch nach Pennebaker durch zahlreiche Studien bestätigt.

Tagebuchschreiben als "Schreibdenken"

Felix erlebt, was viele an positiven Wirkungen erfahren, die täglich Tagebuch schreiben. Als ich ihm das "Schreibdenken", das ich entwickelt habe, empfahl, war er nicht gleich überzeugt, setzte die Empfehlungen aus meinen Büchern aber um. Aber schon nach wenigen Tagen schrieb er begeistert, weil er eine sofortige Wirkung sah: wie sehr das Schreiben ihm im Alltag hilft. Motivation entsteht durch Tun.

Ich habe das "Schreibdenken" entwickelt, um Menschen dabei zu helfen, mit pragmatischen, kurzen schriftlichen Denkstrategien wie den Schreibsprints oder Denkskizzen, ihre Ideen konzentriert und fokussiert weiterzuentwickeln und das Schreiben damit als Denk-, Lern- und Fühlwerkzeug zu nutzen.

Der große Vorteil: Schreiben ist fast jederzeit und überall möglich, wir beherrschen grundsätzlich die Technik, müssen also nichts Aufwändiges dafür lernen.

Fokussieren, klären, beruhigen: die Vorzüge des Schreibdenkens

Schreibdenken, also die Form des Schreibens, bei der wir das Schreiben als Werkzeug für Denken und Lernen nutzen, hilft bei:

  • Gedanken: klären, beruhigen, fokussieren auf das Wichtigste
  • Ideen: neu entwickeln, andere Denkwege finden und gehen
  • Ganz wichtig! Emotionen: bewusst machen und verstehen, entlasten und zur Ruhe bringen
  • Fokussprint und Schreibstaffel: eine tägliche Schreibroutine

Meine tägliche Schreibroutine können Sie leicht in der nächsten Zeit umsetzen. Die Tage "zwischen den Jahren" sind prädestiniert dafür. Jetzt wünschen wir uns oft, uns mehr als sonst nach innen zu wenden und besinnlich über uns, andere und das Leben nachzudenken.

Mit dem "Fokussprint", einer assoziativen Schnellschreibtechnik, schreiben Sie ohne Hürden flüssig Ihre Gedanken auf, ohne sich dabei zu zensieren:

  • Notieren Sie eine Überschrift, zu der Sie sich gleich ein paar neue Gedanken schreiben möchten.
  • Schreiben Sie so schnell wie möglich und ohne innezuhalten, möglichst eins zu eins alle ihre Gedanken auf, die Ihnen gerade in den Sinn kommen.
  • Tun Sie dies, ohne sich zu bewerten, in dem Wissen, dass dieser Text nur für Sie selbst, nicht für andere ist und dass Sie die Übung nach fünf Minuten beenden.
  • Lesen Sie durch, was Sie gerade geschrieben haben und markieren Sie alles Interessante.
  • Schreiben Sie unter den Text einen Kernsatz, der das Wichtigste kurz auf den Punkt bringt: Fertig ist ein neuer, prägnant formulierter Gedanke, den Sie jederzeit wieder abrufen können.
  • Erweitern Sie anschließend den "Fokussprint" zur "Schreibstaffel", indem Sie jeden Tag an das Ergebnis, also den Kernsatz vom Vortag, anknüpfen und sich dadurch selbst den Staffelstab für den nächsten Fokussprint übergeben.
  • Ziehen Sie das zwei Wochen täglich durch, am besten immer zur selben Zeit, die Ihnen liegt. Bereits innerhalb dieser 14 Tage werden Sie eine Routine entwickeln, vor allem, wenn Sie es wirklich jeden Tag tun.

Nochmal – auch für die guten Neujahrsvorsätze: Motivation entsteht durch Tun. Kommen Sie gut durch die Tage. Schreibdenken wird Ihnen dabei helfen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Ulrike Scheuermann: Schreibdenken: Schreiben als Denk- und Lernwerkzeug nutzen und vermitteln: UTB/Budrich, 3. Auflage 2016.
  • James W. Pennebaker: Heilung durch Schreiben: Ein Arbeitsbuch zur Selbsthilfe. Hogrefe 2019.
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