Kostenspirale bei Arzneimitteln Weshalb Medikamente in Deutschland so teuer sind
Medikamente sind teuer. Klar. Für ihre Entwicklung werden viele Forschungsgelder investiert. Aber in Deutschland kosten die gleichen Arzneimittel meist weit mehr als bei den europäischen Nachbarn. Ein Ende der Preissteigerung ist nicht in Sicht. Warum?
Deutschland ist ein Hochpreisland, was patentierte Arzneimittel angeht. Das ist bekannt. Dass die Kosten zuletzt wieder massiv gestiegen sind, zeigt auch der Innovationsreport 2017 der Techniker Krankenkasse. Der durchschnittliche Packungspreis ist demnach erneut gestiegen. Von 1.418 Euro (Innovationsreport 2016) auf zuletzt 2.458 Euro (Innovationsreport 2017).
Die Therapiekosten mancher Wirkstoffe erreichten bis zu 1,2 Millionen Euro, heißt es in dem Bericht. Eine einzelne Tablette kann bis zu 700 Euro teuer sein. Die Techniker Krankenkasse rechnet mit einer weiteren Steigerung der Arzneimittelkosten. Das liegt beispielsweise auch an neuen Krebstherapien, die besser auf die Patienten zugeschnitten sind und deshalb die Gesamtausgaben in die Höhe treiben.
In Deutschland sind Medikamente auch deshalb teurer als bei den europäischen Nachbarn, weil es im ersten Jahr der Markteinführung keine Preisbindung gibt. In der Mehrzahl der EU-Staaten entstehen Arzneimittelpreise hingegen durch eine gesetzliche Preisbindung.
In Deutschland können Arzneimittelhersteller den Preis selbst bestimmen
Kritiker sprechen von "Mondpreisen", etwa die Kosten für das noch junge Mittel gegen Hepatitis C. Bei Einführung des Mittels "Sovaldi" kostete eine Tablette 700 Euro. Weil Sovaldi mit weiteren Medikamenten kombiniert werden muss, kann eine Therapie von 24 Wochen bis zu 200.000 Euro kosten. Aber die Kassen erstatten es, denn es wirkt besser als herkömmliche Medikamente. Die Kosten tragen am Ende aber alle Versicherten. Inzwischen kostet eine Pille des Medikaments "nur noch" 488 Euro.
Eine gesetzliche Preisbindung gibt es in Deutschland nicht
Bis zum Jahr 2012 gab es hierzulande überhaupt keine Preisgrenze für Medikamente. Seither wurde gesetzlich festgelegt, dass Pharmaunternehmen auf dem deutschen Markt im ersten Jahr den Preis selbst bestimmen können. Dann wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) der Zusatznutzen des Medikaments beurteilt. Der Wirkstoff des Präparats muss den bereits vorhandenen überlegen sein – er muss besser wirken, dann darf er auch mehr kosten. Nach Ablauf des Jahres verhandelt der Spitzenverband der Krankenkassen mit dem Hersteller über einen Rabatt für das neue Medikament. So entsteht schließlich der Preis beziehungsweise der Erstattungsbetrag der gesetzlichen Krankenkassen. Und der ist in Deutschland immer noch viel höher als in den meisten Nachbarländern.
Hohe Kosten für Krankenkassen und Beitragszahler
Zudem führen die Preise, die für ein neues Medikament im ersten Jahr auf dem deutschen Markt von den Herstellern verlangt werden zu einer erheblichen Steigerung der Gesamtausgaben der Krankenkassen. Selbst wenn das neue Mittel sich als nicht wirksamer als bisherige herausstellt, also kein Zusatznutzen belegt werden kann, bleiben die Kassen auf den Kosten des ersten Marktjahres sitzen. Die hohen Ausgaben für Medikamente zahlen am Ende alle Versicherten in Form von Beitragssteigerungen. Und das obwohl sich nach Ablauf des Jahres in vielen Fällen herausstellt: Das neue Mittel wirkt nicht besser. Denn echte Durchbrüche wie im Fall des sehr wirksamen Hepatitis-C-Medikaments sind sehr selten.
Allerdings muss einschränkend dazu gesagt werden, dass die Arzneimittelausgaben auch davon abhängen, wie erstattungswillig die Krankenkassen sind. Hohe Ausgaben sind insofern auch darauf zurückzuführen, dass in Deutschland mehr Medikamente erstattet werden als in anderen EU-Ländern. Auch die Größe der Staaten muss berücksichtigt werden. Je mehr Einwohner, desto mehr Kosten. OECD-Vergleiche zeigen jedoch, dass sowohl die Pro-Kopf-Ausgaben der Arzneimittel in Deutschland als auch der Anteil der Ausgaben für Medikamente am BIP im EU-Vergleich sehr hoch ist. Bei umsatzstarken patentgeschützten Präparaten hat Deutschland die höchsten Preise.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Innovationsreport der Techniker Krankenkasse
- GKV-Spitzenverband
- Technische Universität Berlin
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
- eigene Recherchen