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Soziale Angst: Mehr als nur schüchtern


Angst vor fast allem
Manche Menschen gehen einfach nicht mehr raus

Von dpa-tmn
20.07.2016Lesedauer: 3 Min.
Symbolbild: Bloß nicht vor anderen blamieren - die Soziale Angst kann zur Isolation führen.Vergrößern des Bildes
Symbolbild: Bloß nicht vor anderen blamieren - die Soziale Angst kann zur Isolation führen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Die Angst, Vorträge zu halten, kennen viele. Wer aber schon beim Gedanken ans Brötchen kaufen oder telefonieren Schweißausbrüche bekommt, könnte unter Sozialer Angst leiden. Die Sorge, sich vor anderen zu blamieren oder unangenehm aufzufallen, bestimmt bei Betroffenen den Alltag. Das hat Folgen im Berufs- und Privatleben.

Schwitzen, Zittern, Schwindel - wenn die Angst kommt, will sie nur noch weg. Sabine Krüger* leidet an Sozialer Angst. "Als es besonders schlimm war, habe ich mich noch nicht mal mehr in den Hörsaal getraut", sagt die junge Frau. "Ich fühle mich dann manchmal wie gelähmt, und meine Reaktionsfähigkeit ist auch eingeschränkt." Sabine Krüger ist damit eine von etwa drei Millionen Betroffenen in Deutschland.

Die Angst vor der Blamage

"Soziale Angst ist die Angst, sich in Situationen mit anderen Menschen übermäßig zu blamieren, wenn man mit jemandem sprechen muss, wenn man einen Vortrag hält oder auch wenn man in der Öffentlichkeit isst oder trinkt", erklärt Ulrich Stangier, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Goethe-Universität Frankfurt.

Manche bereits im Kindergartenalter betroffen

Soziale Angststörungen beginnen meist im Jugendalter: "Wir können einen Anstieg beobachten, wenn Kinder in die Pubertät kommen und sich langsam aus der Familie lösen. Der Kontakt mit Gleichaltrigen und somit weniger vertrauten Personen ist dann häufiger und kann verunsichern. Aber auch schon Kinder im Kindergarten können betroffen sein", erklärt Silvia Schneider, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum.

Soziale Angst ist ein langfristiges Phänomen

"Anders als einfach nur schüchterne Menschen, sind Betroffene von Sozialer Angst extrem in ihrer Interaktion mit anderen Menschen eingeschränkt", sagt Schneider. Zudem sei die Angst kein kurzfristiges Phänomen, sondern über einen längeren Zeitraum präsent.

Mit Beginn des Studiums erreichen die Ängste von Sabine Krüger ihren Höhepunkt. Sie geht nicht mehr zu ihren Vorlesungen, sie traut sich nicht, mit ihren Professoren zu sprechen, und auch den Kontakt zur eigenen Familie pflegt sie kaum noch. Eine Beratungsstelle ihrer Universität rät ihr zu einer Therapie. Den Mut, diesen Schritt zu gehen, hat sie jedoch erst später. Über Internetforen findet sie andere Betroffene. Gemeinsam gründen sie eine Selbsthilfegruppe: "Es hat mir sehr geholfen mit anderen zu sprechen, die einen verstehen. Niemand verurteilt einen. So hat sich nicht nur Vertrauen aufgebaut, es haben sich auch echte Freundschaften entwickelt", sagt sie heute.

Angst verstärkt sich im Beginn einer neuen Lebensphase

In der Behandlung zeigt die kognitive Verhaltenstherapie die besten Ergebnisse. Die Betroffenen sollen Stück für Stück Fähigkeiten erlernen, mit denen sie schwierige Situationen meistern können. In den meisten Fällen haben die Ängste über die Lebenszeit einen schwankenden Verlauf. "Immer zu Beginn von neuen Lebensphasen können sie stärker werden, zum Beispiel beim Berufseinstieg", so Stangier.

Sabine zweifelte an sich selbst

Sabine Krüger findet nach ihrem Abschluss schnell einen Job. Ihre Arbeit bringt es jedoch mit sich, sich ständig vor den Kollegen erklären zu müssen. Ihr wird auf der Arbeit übel, sie zweifelt an ihren Fähigkeiten. "Schon nach wenigen Wochen wollte ich wieder kündigen." Eine Kollegin bemerkt ihr Problem und geht auf sie zu: "Sie hat mich aufgebaut, mir Mut gemacht. Heute ist sie eine gute Freundin." Mittlerweile hat sie sich gut in ihr Team eingefunden.

Angst-Situationen nicht mehr vermeiden

Mit Selbstschutzstrategien tun sich Betroffene keinen Gefallen, weiß Stangier. Sabine Krüger haben letztlich nicht nur die Verhaltenstherapie und die Selbsthilfegruppe geholfen. Sie belegt zudem Kurse, in denen Rhetorik, Körpersprache und Selbstvertrauen trainiert werden. Heute sagt sie: "Ich versuche Situationen, vor denen ich Angst habe, nicht mehr zu meiden. Ich habe gelernt, mich meinen Ängsten zu stellen."

*Name geändert

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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