Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Strombergs Nachschlag So gehen auf der Zunge die Lichter an
In der Küche haben viele Angst vor Experimenten. Dabei können sie leicht gelingen, wenn man einige Genuss-Grundlagen beachtet.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten, denn der Genuss hängt von vielen Parametern ab. Unter anderem von der Sensorik, den Geschmacksrichtungen, der Nährstoffdichte und der lieben Gewohnheit.
Nehmen wir ein knuspriges Knäckebrot, geben cremigen Aufstrich darauf und toppen es mit knackiger Kresse und Radieschen-Streifen, dann ist unsere Sensorik angesprochen, also die Sinneseindrücke, die wir mit dem Essen verbinden. Dabei geht es um die Augen, die Nase, den Geschmack, das Mundgefühl. Für diese Sensorik gibt es übrigens eine DIN Norm – DIN 10950.
Kresse und Radieschen bringen Schärfe und Bitternoten, der cremige Aufstrich auf Sauerrahmbasis steuert Säure bei, das Brot salzig-malzige Noten. Hobelt man noch Parmesan grob darüber, kommt so Umami hinzu. Umami ist die fünfte Geschmacksrichtung (neben süß, sauer, salzig und bitter), die man als würzig oder rauchig beschreiben kann. Sie entsteht durch Aminosäuren in Eiweißen.
Was jetzt noch fehlt, sind kleine süße Spitzen – da tun es Apfelspalten oder auch Rosinen. Und ab geht das ganze auf die Palette, also unsere Zunge, und im Mund gehen die Lichter an!
Zur Person
Holger Stromberg ist Weltmeister-Koch und Ernährungsexperte. Mit 23 Jahren errang er als jüngster Koch Deutschlands den Michelin-Stern. 2007 bis 2017 begleitete er im DFB-Betreuerstab als Ernährungscoach und Koch die Deutsche Fußballnationalmannschaft und kehrte 2014 als Koch der Weltmeister aus Rio de Janeiro zurück. Für t-online schreibt er über Genuss und wie Essen und Trinken nicht nur zum persönlichen Wohlbefinden, sondern auch zur Erhaltung einer lebenswerten Umwelt beitragen können. Hier lesen Sie alle Kolumnen von ihm.
Lecker kann so einfach in der Umsetzung sein, wenn man die olfaktorischen (Geruch) und gustatorischen (Geschmack) sowie die optischen Wahrnehmungen (Aussehen) kombiniert. Dieser einfachen Tricks bedient sich auch die Industrie, baut darauf basierend aber meist Nahrungsmittel zusammen, die lange haltbar sind, dagegen aber inhaltlich wenig zu bieten haben.
In meinem Umfeld tun sich viele meiner Mitmenschen, wie Familie, Freunde und Arbeitskollegen damit schwer, Neues auszuprobieren. Die Gewohnheit schlägt oft die Neugier. Oder besser gesagt, die Angst über eine mögliche Enttäuschung ist oft größer als die Vorfreude auf eine fantastische Entdeckung.
Stimmen Optik und Sound – bäääm
Um eine Akzeptanz des Probierens erst einmal zu erzielen, müssen Speisen optisch attraktiv sein, um unsere Reize anzusprechen. Daher sieht beim Knäckebrot-Beispiel der Belag bunt und frisch aus. Dann müssen neue Speisen geschmacklich-sensorisch überzeugen, um akzeptiert zu werden und den Wunsch nach Wiederholung auszulösen.
Wie glauben Sie, hätte ich sonst neue Speisen in meiner Karriere in Kantinen, bei Kindern oder Fußballnationalspielern etablieren können? Die Wahrscheinlichkeit, dass neue Speisen und Snacks ankommen, ist, wenn man Geschmacksrichtungen und Sensorik darin vereint, sehr hoch.
Die Optik und der Sound beim Hineinbeißen locken an und dann bäääm – unsere Sinne befinden sich in der Gaumendisko. Gelegentlich kann es noch Unstimmigkeiten geben. Wie zum Beispiel dadurch, dass wir Lebensmittel einfach nicht riechen können. Koriandergrün ist so ein Beispiel. Und ja, die Gewohnheit basiert auf Wiederholung. So wie uns ein Song auch manchmal erst beim dritten Mal anhören, richtig gut gefällt.
Bleiben Sie also offen für Neues und lassen Sie sich für Neues begeistern. Vergessen Sie dabei nicht das Gewohnte und die gute Gesellschaft, denn über Geschmack lässt sich nicht streiten – er ist relativ.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.