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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue umstrittene Studie Erhöht Intervallfasten das Sterberisiko?
Intervallfasten hat einen guten Ruf. Doch chinesische Forscher behaupten nun, dass es der Gesundheit schaden kann und das Sterberisiko erhöht. Stimmt das?
Bislang galt Intervallfasten als gesundheitsfördernd und als effektive Strategie zur Gewichtsreduktion und Verbesserung der allgemeinen Gesundheit. Bei dieser Ernährungsform wird nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters gegessen und in den restlichen Stunden gefastet.
Intervallfasten: Gesundheitstrend mit Risikofaktor?
Doch laut einer aktuellen, noch nicht veröffentlichten Studie aus China kann der beliebte Fastentrend offenbar das Sterberisiko erhöhen. Forscher der Shanghai Jiao Tong University analysierten Essgewohnheiten von mehr als 20.000 US-Amerikanern über einen Zeitraum von 15 Jahren.
Ihre Ergebnisse wurden kürzlich auf einer Konferenz der Amerikanischen Herzgesellschaft vorgestellt und zeigten ein schockierendes Bild: Wer am Tag nur in einem Zeitfenster von acht Stunden Nahrung zu sich nahm und in der restlichen Zeit fastete, hatte ein um 91 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Bei den Probanden, die bereits vor Beginn der Studie an einer Herzerkrankung gelitten hatten und täglich in einem Zeitraum von weniger als zehn Stunden aßen, war das Risiko demnach um 66 Prozent erhöht.
Die Ergebnisse dieser Studie stehen im deutlichen Gegensatz zu früheren Untersuchungen, die vorrangig positive Effekte des Intervallfastens auf die Gesundheit gefunden hatten. Was ist also dran an den Behauptungen der chinesischen Forscher?
In Kürze
Unter Intervallfasten versteht man eine zeitlich eingeschränkte Nahrungsaufnahme. Zu den bekanntesten Varianten zählt die 16/8-Methode, bei der man täglich 16 Stunden fastet und in einem 8-stündigen Zeitfenster Nahrung zu sich nimmt.
Die Idee dahinter: Durch die längere Fastenphase soll der Körper mehr Zeit haben, seine Zellen zu reinigen und ist nicht mehr ständig mit der Verdauung beschäftigt. Die Methode soll dem Körper einen gesunden Zucker- und Fettstoffwechsel bescheren können. Die Studienlage zu den positiven gesundheitlichen Auswirkungen des Intervallfastens ist allerdings insgesamt eher dünn.
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Deutsche Experten kritisieren Vorgehensweise der Studie
Einige deutsche Mediziner äußerten bereits deutliche Zweifel und schätzten die neue Studie als nur bedingt aussagekräftig ein, da mehrere entscheidende Aspekte außer Acht gelassen wurden. Zum Beispiel hatten die Studienteilnehmer gar nicht angegeben, ob sie Intervallfasten betreiben. Sie aßen nur weniger als acht Stunden am Tag – die Gründe dafür sind nicht bekannt.
Der Mediziner Tilman Kühn von der Universität Wien sagte dem "Science Media Center", die Ergebnisse dieser chinesischen Studie bewiesen nicht, dass Intervallfasten das Sterblichkeitsrisiko erhöhe. Sie zeigten lediglich, dass Personen mit kürzeren Zeitfenstern für die Nahrungsaufnahme an zwei einzelnen Tagen im Erwachsenenalter ein höheres Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankung hatten. Dieses erhöhte Risiko stellte sich offenbar speziell unter Personen heraus, die schon einmal eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung oder Krebs gehabt hatten.
Auch Professor Andreas Michalsen, Chefarzt an der Berliner Charité, fand kritische Worte. Er schätze Studien in diesem Kontext generell als "absolut unzuverlässig" ein, da sie nur Korrelationen beschreiben und keine kausalen Zusammenhänge belegen würden. Andere Faktoren wie Stress oder bestehende Krankheiten könnten ihm zufolge dazu führen, dass Menschen Mahlzeiten weglassen – nicht unbedingt das bewusste Praktizieren von Intervallfasten.
Fest steht auch: Die Länge des Fasten-Zeitfensters und die Zusammensetzung der aufgenommenen Nahrung kann bei jedem Probanden sehr unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel kann eine Person 16 Stunden am Tag fasten, in der Zwischenzeit aber nur Fastfood essen. Das dürfte die gesundheitlichen Vorteile des Intervallfastens wohl negativ beeinflussen.
Alternative Erklärungen wahrscheinlicher
Stefan Kabisch von der Charité – Universitätsmedizin Berlin wies zudem auf den hohen Raucheranteil unter den untersuchten Teilnehmern hin. Möglicherweise sei gar nicht das Intervallfasten das Problem. Es gebe nämlich eine plausible alternative Erklärung für das beobachtete erhöhte Sterberisiko bei Intervallfastenden. So könnten diese Personen wegen Übergewichts, Diabetes Typ 2 oder auch erhöhter Blutfettwerte mit einer solchen Diätform begonnen haben. Genau dies seien starke Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, und sie erhöhten das Risiko, daran zu sterben, so der Mediziner.
Diese Erklärungen zeigen deutlich: Das Thema Intervallfasten ist komplex und erfordert weitere Forschung. Die aktuelle Studie der chinesischen Forscher liefert zwar neue Erkenntnisse, diese sollten aber mit Vorsicht interpretiert werden.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- sciencemediacenter.de: "Sterblichkeit bei Intervallfasten"