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Gasversorgung: Robert Habeck stellt Vorrang von Privathaushalten in Frage


Gasversorgung
Habeck stellt Vorrang von Privathaushalten in Frage

Von afp, fho

Aktualisiert am 12.07.2022Lesedauer: 3 Min.
Wirtschaftsminister Robert Habeck: Deutschland hat zugesichert Österreich und Tschechien im Fall einer Gaskrise zu unterstützen.Vergrößern des Bildes
Wirtschaftsminister Robert Habeck: Deutschland hat zugesichert Österreich und Tschechien im Fall einer Gaskrise zu unterstützen. (Quelle: Bernd Elmenthaler/imago-images-bilder)

In einer Gasmangellage sind Privatkunden besonders geschützt. So sieht es der Notfallplan Gas vor – doch Habeck rüttelt nun an dieser Gewissheit.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die bisher vorgesehene Priorisierung von Verbrauchern gegenüber der Industrie im Falle einer Gasknappheit infrage gestellt. Privathaushalte müssten auch "ihren Anteil leisten", sagte Habeck bei einem Besuch in Wien am Dienstag. Denn "eine dauerhafte oder langfristige Unterbrechung von industrieller Produktion" hätte "massive Folgen" für die Versorgungssituation.

"Die europäische Notfall Verordnung Gas sieht vor, dass kritische Infrastruktur und Verbraucher geschützt sind und Industrie und Wirtschaft nicht", führte der Wirtschaftsminister aus. Dies sei sinnvoll bei kurzfristigen und regionalen Problemen, etwa wenn ein Kraftwerk ausfällt. "Und dann sagt man naja, das überbrücken wir mit Kurzarbeitergeld für die Industrie und wir reparieren dann später, aber frieren soll niemand." Nun sei die Situation aber anders gelagert.

Die europäische Verordnung ist die Basis für den deutschen Notfallplan Gas. Dieser hat drei Stufen, die regeln wie knappe Gasmengen verteilt werden. Aktuell ist die zweite Stufe, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Darin ist auch der besondere Schutz der Privathaushalte festgelegt. Mehr zum Notfallplan Gas lesen Sie hier.

Habeck: "Möglicherweise monatelange Unterbrechung"

"Wir reden hier möglicherweise von einer monatelangen Unterbrechung von Gas-Strömen." Deshalb müsse an dieser Stelle noch mal nachgedacht und nachgearbeitet werden, so Habeck.

Was in dieser Aussage mitschwingt ist: Die deutsche Industrie ist besonders abhängig vom Gas. Sie machte 36 Prozent des Gesamtabsatzes 2021 aus. Dabei ist sie aber nicht nur der größte Abnehmer, sondern Gas ist auch der wichtigste Energieträger in der Industrie mit über 30 Prozent. Die Folgen einer Gasmangellage für die Wirtschaft wären deutlich spürbar. Experten warnten bereits davor, dass Deutschland in diesem Fall in eine Rezession rutschen könnte.

Das will Habeck möglichst verhindern. Deshalb will er die Industrie nicht automatisch benachteiligen. Die europäische Verordnung passe nicht genau und müsse eventuell nachgeschärft werden. Er äußerte diese Überlegungen auf eine Frage zu Erwartungen an die EU-Strategie für die Energieversorgungssicherheit, die die EU-Kommission in der kommenden Woche vorstellen soll.

Wenn nun eine Situation entstünde, in der ein Land seine wirtschaftliche Tätigkeit zurückschraube, um in einem anderen Land für warme Wohnungen zu sorgen, "muss es ein Stück weit auch einen Solidaritätsmechanismus des Ausgleichs geben", sagte er.

Abkommen mit Österreich und Tschechien

Denn auch europäische Nachbarländer sind auf deutsche Gaslieferungen angewiesen und haben mitunter Anrecht auf Versorgung durch andere Staaten in einer Mangellage.

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Thilo Schaefer, Energieexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, erklärt: "Deutschland ist nicht nur Gasimporteur, sondern auch Exporteur. Durch einen sogenannten SOS-Vertrag mit Österreich wäre Deutschland im Notfall auch verpflichtet, die Versorgung der österreichischen Privathaushalte zu priorisieren, notfalls vor der deutschen Industrie." Gemeint ist damit das 2021 unterzeichnete Solidaritätsabkommen mit Österreich.

Nun hat Habeck sich mit der österreichischen Energieministerin Leonore Gewessler getroffen und erneut eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Am Montag war er bereits in Tschechien. Ziel sei es, "ein klares Signal der Kooperation zwischen unseren Ländern zu senden", erklärte der Vizekanzler anschließend. Auch mit Dänemark existieren Abkommen.

Nord Stream 1 sorgt für Unsicherheit

Die Sorge vor einer Gasmangellage ist in den vergangenen Tagen verstärkt Thema gewesen. Grund dafür: Seit Montagmorgen fließt kein Gas mehr durch die Ostseepipeline Nord Stream 1, die wichtigste Gasleitung für Deutschland. Allerdings ist dieser Aussetzer geplant. Für zehn Tage werden die jährlichen Wartungsarbeiten durchgeführt. Kremlangaben zu Folge soll das Gas danach wieder fließen. Experten sind skeptisch und auch Habeck hatte das russische Verhalten wiederholt als "politisch motiviert" bezeichnet.

Denn schon zuvor war die Nord Stream 1 zum Sorgenkind geworden. Seit Wochen floss nur noch etwa 40 Prozent der vereinbarten Gasmenge. Nach russischen Angaben lag das an einer Turbine, die zur Reparatur bei Siemens in Kanada war und wegen der Sanktionen nicht zurückgeschickt werden konnte. Mittlerweile hat Kanada sich – auch auf Bitten von Habeck – dazu bereit erklärt das Bauteil zu liefern. Protest gab es von der Ukraine. Ob demnächst wieder mehr Gas durch die Pipeline fließt, muss nun abgewartet werden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachrichtenagentur AFP
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