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Mieterbund-Präsident: "Die Inflation haut bei Indexmieten bald richtig rein"


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Geringverdiener gefährdet
"Die Inflation haut bei Indexmieten richtig rein"


10.05.2022Lesedauer: 7 Min.
Protest gegen teuren Wohnraum in Hamburg. Wer einen Indexmietvertrag unterschrieben hat, muss sich derzeit auf stark steigende Mieten gefasst machen.Vergrößern des Bildes
Protest gegen teuren Wohnraum in Hamburg. Wer einen Indexmietvertrag unterschrieben hat, muss sich derzeit auf stark steigende Mieten gefasst machen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Steigende Preise, wohin man schaut – auch bei Mieten und Nebenkosten. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds, fordert deshalb mehr als nur ein einmaliges Entlastungspaket. Und Energiepauschalen, die alle erreichen.

Seit Jahren steigen die Mieten in Deutschlands Großstädten. Jetzt aber machen die hohen Energiepreise das Wohnen für Mieter bundesweit noch teurer: entweder weil ihre Vermieter höhere Vorauszahlungen auf die Nebenkosten verlangen oder weil die Miethöhe an die Inflation gekoppelt ist – ohne Grenze nach oben.

Das müsse sich ändern, sagt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds. Ein Gespräch über Kappungsgrenzen für Indexmieten, dauerhafte staatliche Entlastungen und wie die Mietpreisbremse besser funktionieren würde.

t-online: Herr Siebenkotten, die Inflation macht das Leben deutlich teurer. Vor allem die Kosten für Energie sind gestiegen. Wie viele Anrufe von besorgten Mietern nehmen Sie jeden Tag entgegen?

Lukas Siebenkotten: Es sind schon eine ganze Menge Fragen, die derzeit bei unseren 300 Mietervereinen in Deutschland ankommen. Die steigenden Nebenkosten, deren Hauptbestandteil die Heizkosten sind, beschäftigen viele Mieter.

Weil ihre Vermieter sie zu höheren Vorauszahlungen drängen?

Genau, das kommt zur Zeit häufig vor.

Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich mir höhere Zahlungen nicht leisten kann?

Wir raten immer dazu, mit dem Vermieter zu sprechen. Der ist zwar verpflichtet, die Nebenkosten realistisch einzuschätzen, aber kein Mensch weiß, wie lange der Ukraine-Krieg dauert und wie sich die Heizkosten genau entwickeln. Die Gesamtabrechnung für das, was jetzt passiert, erhalten viele Mieter ja erst im November nächsten Jahres.

Und müssen dann womöglich ordentlich nachzahlen.

Das kann passieren, selbst wenn Vorauszahlungen jetzt im Einvernehmen zwischen Vermieter und Mieter angehoben werden. Die Mieter sollten ab sofort dafür Geld zurücklegen, sofern es ihre finanziellen Möglichkeiten zulassen.

Und wenn ich das nicht kann?

Das ist genau der Punkt. Wer die Hälfte seines Haushaltsnettoeinkommens für Wohnen ausgibt, den kann man noch so viel mietrechtlich beraten, am Ende reicht das Geld einfach nicht. Da muss dann der Staat unterstützen – und zwar nicht nur mit einem einmaligen Entlastungspaket.

Sondern?

Es braucht einen Rechtsanspruch auf einen staatlichen Zuschuss, der Menschen mit geringem Einkommen dauerhaft stärker entlastet.

Wie könnte der konkret aussehen?

Das müssen wir uns in Ruhe überlegen. Denkbar wäre, das Einkommen und die Höhe der Miete in Relation zu setzen und den Anspruch greifen zu lassen, sobald die Miete inklusive Nebenkosten im Verhältnis zum Einkommen zu hoch wird. In jedem Fall muss der Staat Mieter dauerhaft bei den Heizkosten unterstützen, solange die Krise dauert. In Betracht kämen auch Energiepauschalen, die alle erreichen, die durch die Energiekrise in Not geraten.

Lukas Siebenkotten, geboren 1957, ist seit 2019 Präsident des Deutschen Mieterbunds. Zuvor war er von 2008 bis 2019 Bundesdirektor der Interessenvertretung, die als Dachorganisation rund 300 Mietervereine vertritt. Siebenkotten ist Jurist und arbeitete seit 2000 als Rechtsanwalt in Krefeld. Zuvor war er von 1995 bis 1999 Bürgermeister von Willich. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

Viele Mieter haben inzwischen sogenannte Indexmietverträge, bei denen die Miete jährlich mi der Inflationsrate steigt. Wie sehr schröpfen solche Indexmieten die Deutschen gerade?

Die Inflation haut bei Indexmieten bald richtig rein. Der Fairness halber muss man aber sagen: In den vergangenen Jahren war es genau umgekehrt. Angesichts der praktisch nicht vorhandenen Inflation waren Indexmieten für Mieter eine tolle Sache. Das hat sich drastisch geändert. Viele Vermieter sind jetzt daran interessiert, Indexmietverträge abzuschließen. Es kann aber nicht sein, dass diese Mieten mit der Inflation grenzenlos steigen dürfen.

Deshalb fordern Sie, die Kappungsgrenze, die derzeit nur für klassische Mietverhältnisse gilt, auch bei Indexmieten greifen zu lassen. Wie viel Mieterhöhung ist zu viel?

Die Bundesregierung will die Kappungsgrenze für normale Mietverhältnisse in angespannten Märkten von 15 auf 11 Prozent in drei Jahren senken. Pro Jahr können die Mieten damit immer noch um knapp vier Prozent pro Jahr steigen. Das ist in der derzeitigen Situation einfach zu viel. Wir fordern eine deutlich niedrige Kappungsgrenze.

Und wie niedrig sollte sie sein?

Unsere Vorstellung war, die Kaltmieten für mehrere Jahre gar nicht zu erhöhen und anschließend zu schauen, ob wir das Stopp-Instrument weiterhin brauchen. Alternativ hätten wir auch mit einer Erhöhung von jährlich einem Prozent leben können statt der geplanten fast vier Prozent pro Jahr. Trotzdem: Die Kappungsgrenze sollte auch für Indexmieten gelten. Dann wäre schon viel gewonnen.

Nicht nur die Inflation macht das Wohnen teurer, sondern auch der CO2-Preis. Den konnten Vermieter bisher komplett auf ihre Mieter abwälzen, ab 2023 sollen sie mitzahlen – und zwar umso mehr, je schlechter die Energiebilanz ihrer Immobilie ist. In sehr gut gedämmten Häusern sollen Mieter die Abgabe weiter komplett selbst tragen. Ist das ein faires Modell?

Das Stufenmodell ist generell eine gute Idee, schließlich liegen bislang die gesamten Kosten bei den Mietern. Auch im laufenden Jahr müssen sie diese Kosten noch in vollem Umfang tragen. Aber auch beim vorliegenden Stufenmodell sind Mieter im Nachteil: Wenn ein Vermieter viel für die Energiesanierung tut, liegen alle Kosten beim Mieter. Macht der Vermieter bei einem in miserablem energetischen Zustand befindlichen Haus hingegen nichts, müssen die Mieter immer noch 10 Prozent der Abgabe zahlen. Das ist ungerecht. Und zudem verfehlt es auch die gewünschte Lenkungswirkung.

Das müssen Sie erklären.

Das Stufenmodell tut so, als gäbe es zwei Parteien, die etwas am energetischen Standard der Wohnung ändern können. Der Mieter kann zwar in sehr begrenztem Umfang weniger heizen, um etwas CO2 einzusparen, aber letztlich kann nur der Vermieter grundlegend etwas ändern und zum Beispiel die Heizungsanlage austauschen. Der Anreiz muss also beim Vermieter gesetzt werden.

Fürchten Sie, dass die Modernisierungskosten sonst eine zu große Last für Mieter werden könnten?

Der Deutsche Mieterbund ist ganz klar für energetische Sanierung. Sie muss aber sozialverträglich passieren. Dafür muss zunächst einmal die Sondervorschrift für Vermieter weg, die es erlaubt, die Modernisierungskosten vollständig und unbefristet von den Mietern bezahlen zu lassen.

Wie stellen Sie sich eine fairere Verteilung vor?

Wir schlagen die Warmmietenneutralität vor. Das bedeutet, dass die Kosten, die durch energetische Sanierung eingespart werden, auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden könnten. Für den Mieter stünde dann die gleiche Warmmiete auf der Rechnung. Es gibt auch andere Vorschläge zur Mietteilung: Im Koalitionsvertrag ist von einer Teilwarmmiete die Rede, bei der der Vermieter zum Beispiel die Kosten für das Heizen bis zu einer gewissen Gradzahl finanziert und der Mieter alles, was darüber liegt.

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In Berlin prüft gerade eine Expertenkommission, ob große Wohnungsunternehmen enteignet werden dürfen. Sind Enteignungen das richtige Mittel, um günstigen Wohnraum zu garantieren?

Vergesellschaftungen sind das letzte Mittel, die ultima ratio. Aber, und auch das muss man betonen: Vergesellschaftungen sind legitim. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sie bewusst als mögliches Mittel in unsere Verfassung geschrieben. Klar: Vergesellschaftungen schaffen keine Wohnungen, aber sie können, wenn kein anderes Mittel hilft, dazu beitragen, bezahlbare Wohnungen bezahlbar zu halten.

Man könnte auch sagen: Mit Enteignungen bestiehlt der Staat seine Bürger.

Nein, diese Ansicht teile ich nicht. Allerdings hat das Ganze durchaus einen Pferdefuß.

Nämlich?

Die Entschädigung für die Enteigneten. Es ist völlig unklar, wie hoch diese ausfallen würde, da es noch keine entsprechenden Gerichtsurteile gibt.

Ein anderes Mittel, die Mieten niedrig zu halten, sollte der Mietendeckel sein. Das Verfassungsgericht hat ihn ja nicht grundsätzlich verboten, Berlin konnte ihn bloß nicht eigenmächtig beschließen. Sollte er noch mal auf die Agenda?

Aus meiner Sicht ja. Man könnte zum Beispiel eine Rahmengesetzgebung schaffen, die die Länder dazu ermächtigt, selbst zu entscheiden. Auch das zweite verfassungsrechtliche Urteil aus Bayern im Fall der Kampagne "Mieten Stopp" hat lediglich festgehalten, dass Bayern nicht zuständig ist. Leider ist aktuell aber seitens der Bundesregierung nichts in diese Richtung geplant. Noch besser wäre ein bundesweiter Mietenstopp, also zum Beispiel für die Dauer von sechs Jahren gar keine Erhöhungen der Kaltmiete zuzulassen.

Ein bereits bestehendes Instrument ist die Mietpreisbremse.

Ja, aber die Mietpreisbremse hatte noch keinen durchschlagenden Erfolg. Das liegt an den vielen Ausnahmen, die dann doch eine Mieterhöhung zulassen. Wir fordern daher alle Ausnahmen abzuschaffen, außer für Neubauten.

Bauministerin Klara Geywitz will mit mehr Wohnungsbau gegen die hohen Mieten kämpfen. 400.000 Wohnungen will sie im Jahr bauen, das würde die Mietpreise auch entlasten. Ist das zu schaffen?

Den Plan haben wir sehr begrüßt, vor allem, dass 100.000 der 400.000 Wohnungen geförderte beziehungsweise Sozialwohnungen werden sollen. Das wäre eine Verdreifachung des bisherigen Bauvolumens bei geförderten Wohnungen. Insgesamt halten wir das aber zur Zeit für kaum machbar. Die Bauindustrie ist in den vergangenen Jahren mit rund 300.000 Wohnungen jährlich an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen. Die können auch keine neuen Mitarbeiter aus dem Boden stampfen. Hinzu kommen noch die enorm gestiegenen Baukosten.

In den vergangenen Monaten hat man von der Bauministerin wenig gehört. Sind sie enttäuscht?

Nein, ich habe sogar einen guten Eindruck von ihr. Ihr Problem ist, dass ihr Ministerium nur wenige Kompetenzen hat und sie sich oft mit dem Justizminister und dem Wirtschaftsminister abstimmen muss – sei es bei Mietrechtsfragen oder bei der energetischen Sanierung. Im Koalitionsvertrag gab es einige Dinge, die uns positiv überrascht haben. Zum Beispiel ist die Wohnungsgemeinnützigkeit reingekommen, die helfen könnte, Wohnungen auf Dauer in der Sozialbindung zu halten, und nicht nur, wie heutzutage, für 30 Jahre. Auch das kommunale Vorkaufsrecht zu stärken, ist eine gute Sache.

Wie nützlich ist denn ein staatliches Vorkaufsrecht, wenn der Staat dann jede sechste bundeseigene Wohnung leer stehen lässt, wie der NDR kürzlich berichtete?

Zunächst einmal geht es um ein Vorkaufsrecht für Kommunen, nicht für alle staatlichen Ebenen. Im übrigen bezieht es sich auf Milieuschutzgebiete, die liegen in dicht besiedelten Stadtvierteln, in denen die Mietenentwicklung häufig durch die Decke geht. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts soll dort bezahlbarer Wohnraum erhalten werden. Das befürworten wir.

Herr Siebenkotten, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes
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