Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.25 Jahre Telekom-Aktie Das Trauma wirkt bis heute – drei Lehren aus dem Börsendrama
Die Aktie der Deutschen Telekom war meine erste Aktie, meine Leidenschaft für die Börse war geweckt. Für viele Neu-Aktionäre entwickelte sich die T-Aktie allerdings zu einem Drama. Was uns die Geschichte lehrt.
Es gibt diese Momente, da fühlt man sich ein bisschen alt: Wenn das Patenkind auf einmal Teenager ist oder das 27. Abiturtreffen ansteht. Oder wenn man feststellt, dass sich der Börsengang der ersten Aktie, die man jemals im Depot hatte, zum 25. Mal jährt. Genau das passiert am 18. November.
Die Aktie der Deutschen Telekom feiert ihren 25. Börsengeburtstag. Vielen Privatanlegern der ersten Stunden wird aber gar nicht zum Feiern zumute sein. Für viele entwickelte sich der Börsengang des einstigen Staatskonzerns nämlich zum Drama.
- Aktueller Kurs: Wo steht die Telekom-Aktie gerade?
Und ein Drama hat bekanntlich mehrere Akte und endet in der Katastrophe. Akt Nummer eins war der Börsengang. Gefühlt wollte wirklich jeder die Aktie haben, die der beliebte Schauspieler Manfred Krug in Fernsehspots anpries. "Die Telekom geht jetzt an die Börse, da geh ich mit", verkündete er täglich zur besten Sendezeit. Und Millionen Menschen folgten ihm.
Drei Millionen Menschen ließen sich beim Investoren-Service der Telekom registrieren, um Aktien mit einem Preisnachlass zu bekommen. Für viele von ihnen war es die erste Berührung mit dem Thema Börse überhaupt. Auch für mich war die T-Aktie eine Premiere. Auf Sparbuch, Sparbrief und Bundesschätzchen folgte die Volksaktie.
Neuaktionäre im Rausch
Die Nachfrage nach der T-Aktie war so groß, dass jeder nur einen Bruchteil der gezeichneten Papiere bekam. Zehn Milliarden Euro nahm die Telekom mit dem ersten Börsengang ein, knapp zwei Millionen Privatanleger waren dabei. Mehr als eine halbe Million von ihnen soll genauso unerfahren gewesen sein wie ich, heißt es immer wieder in Studien. Der Emissionskurs lag bei 28,50 DM, umgerechnet 14,57 Euro.
Gleich am ersten Tag ging es um fast 20 Prozent aufwärts. Ich war total begeistert, wie im Rausch. Wie mir ging es wohl vielen. Wer braucht schon ein Sparbuch oder gar eine langweilige Lebensversicherung, wenn man doch an der Börse so schnell Geld verdienen – ach was: reich werden kann!
Die Börsenexpertin
Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Zuletzt ist ihr jüngstes Buch "Warum wirklich jeder entspannt reich werden kann" erschienen. Bei t-online schreibt sie alle zwei Wochen über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.
Akt Nummer zwei folgte, also das erregende Moment, wenn ich mich richtig an meinen Deutsch-Leistungskurs erinnere. Diese Zeit um die Jahrtausendwende war ziemlich verrückt. Es war die Zeit des Neuen Marktes, einer Börse für junge Unternehmen, die der New Yorker Technologiebörse Nasdaq nachempfunden war. Es herrschte echte Goldgräberstimmung. Die Kurse stiegen ein paar Jahre lang wie Raketen in die Höhe. Alles, was irgendwas mit Telekommunikation oder Internet zu tun hatte, stieg und stieg und stieg.
Auch die T-Aktie schoss in die Höhe. Am 6. März 2000 erreichte sie bei 103,50 Euro ihren Höchststand. Im Drama ist das wohl der dritte Akt, der Akt mit dem Höhepunkt. Das Allzeithoch habe ich übrigens als T-Aktionärin nicht mehr erlebt. Denn ich habe das Papier relativ früh wieder verkauft, mit einem überschaubaren Gewinn. Als die T-Rally dann Fahrt aufnahm, habe ich den entgangenen Gewinnen natürlich hinterhergetrauert. Dafür habe ich mit anderen Kursraketen gezockt wie verrückt.
Auf das Allzeithoch folgte der Absturz
Aber zurück zur T-Aktie. Auf das Allzeithoch folgte der Absturz, im Drama das retardierende Moment. Besonders bitter war das für die Anleger, die 1999 beim zweiten Börsengang oder 2000 auf dem Höhepunkt der Interneteuphorie beim dritten Börsengang eingestiegen waren. Aber auch die Aktionäre der ersten Stunde trauten ihren Augen nicht.
Der Absturz war wirklich grauenhaft. Im Juni 2002 rutschte die Aktie sogar unter die Marke von 10 Euro. Eine Katastrophe, nicht nur im Drama. Ihre alten Höhen hat sie nie wieder erreicht. Im Gegenteil.
Beim Blick auf den Chart kommen wohl so manchem Altaktionär noch heute die Tränen. Die meisten haben irgendwann wahrscheinlich die Reißleine gezogen und mit hohen Verlusten verkauft, andere halten tapfer durch oder verdrängen ihre Verluste. Heute notiert die Aktie bei knapp 17 Euro. Auch die Dividende, die viele Jahre lang recht üppig floss, macht die Aktie nicht zu einer Rendite-Rakete.
Ohne die T-Aktie analysieren oder die aktuelle Situation des Unternehmens und seine Aussichten bewerten zu wollen: Das T-Drama lehrt uns eine ganze Menge.
- Von einem Rausch sollten wir uns nie mitreißen lassen.
- Einzelaktien sind riskant. Das habe ich in der damaligen Zeit mehr als gelernt, nicht mit der T-Aktie, aber mit anderen vermeintlichen Börsen-Superstars.
- Die Risikostreuung über viele Einzeltitel, Branchen und Länder gehört zu den wichtigsten Regeln der erfolgreichen Geldanlage.
Der Dax schlägt die T-Aktie um Längen
Im Fall der T-Aktie reicht schon ein Blick auf den Dax, um zu zeigen, dass Risikostreuung eine verdammt gute Idee ist. Während die T-Aktie kaum über ihrem Ausgabekurs notiert, hat sich der Dax im vergangenen Vierteljahrhundert mehr als versechsfacht. Von etwa 2.500 Punkten ging es auf mittlerweile mehr als 16.000 Punkte. Wer also auf einen Dax-ETF gesetzt hätte, wäre sehr viel besser gefahren. Allerdings gab es damals noch keine ETFs, aber den Dax gab es natürlich. Deshalb funktioniert der Vergleich trotzdem. Lesen Sie hier, wie Sie mit einem ETF-Sparplan fürs Alter vorsorgen.
Fairerweise muss man aber sagen, dass der Dax ein Performance-Index ist. Die Dividenden werden rein rechnerisch reinvestiert. Das ist beim Kurs der T-Aktie anders. Die teils recht üppigen Dividenden landeten auf den Konten der Aktionäre und sind natürlich auch Teil ihrer Rendite. Aber auch der Blick auf den Dax-Kursindex , also den Dax ohne Dividenden, zeigt: Risikostreuung bringt die bessere Rendite. Der Dax-Kursindex notierte Ende 1996 bei gut 2.300 Punkten, heute liegt er bei etwa 6.800 Punkten.
Natürlich gibt es auch Aktien, die den Dax um Längen schlagen. Trotzdem gilt: Risikostreuung schont nicht nur die Nerven, sondern bewahrt uns auch vor hohen Verlusten oder eben Nullperformern bei Einzeltiteln. Der Absturz der T-Aktie war besonders dramatisch, gerade auch, weil er so viele Neuaktionäre getroffen hat.
Das Drama um die Telekom-Aktie wirkt bis heute nach
Die meisten haben ihr T-Trauma nie überwunden. Das hat im Sommer erst wieder eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gezeigt. Haushalte, die den Crash der T-Aktien damals erlebt haben, investieren demnach selbst ein Vierteljahrhundert später 60 Prozent weniger in Aktien als jüngere Haushalte, die das Drama nicht bewusst erlebt haben.
Haushalte, die in T-Aktien investierten, sind auch deutlich seltener am Aktienmarkt aktiv als Haushalte, die den Crash zwar miterlebt haben, aber keine T-Aktien hielten.
Von der Zockerin zur besonnenen Anlegerin
Die Deutschen und die T-Aktie – das Trauma ist nach mehr einem Vierteljahrhundert noch immer sehr real. Für mich war es kein Trauma, aber ein Lehrstück. Ich habe damals viel gelernt.
Aus der Zockerin ist längst eine langfristig agierende Investorin geworden, die auf große Risikostreuung sehr viel Wert legt. Wenn ich mal wieder eine Ausnahme mache und in Einzeltitel investiere, dann landen sie im Spielgeld-Depot. Und ich investiere nur kleine Summen. Das macht auch weniger graue Haare. Es reicht, dass man sich ab und zu alt, aber man muss nicht auch noch so aussehen.
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