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Cannabis-Legalisierung: Der Plan der Ampel nimmt Gestalt an


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Umstrittener Ampelplan
Wie die Cannabis-Legalisierung Deutschland verändern könnte


20.02.2022Lesedauer: 6 Min.
Eine Frau dreht sich einen Joint (Symbolbild): Die Cannabis-Legalisierung kommt.Vergrößern des Bildes
Joint (Symbolbild): Die Cannabis-Legalisierung kommt. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Deutschland. Noch. Denn die Ampelkoalition will Kiffen legal machen. t-online zeigt Ihnen, wie die Cannabis-Legalisierung aussehen könnte.

Millionen Deutsche verstoßen regelmäßig gegen das Gesetz – weil sie kiffen. Fast 3,7 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren haben laut einer Umfrage einmal innerhalb der vergangenen zwölf Monate Cannabis konsumiert. Die Zahl stammt aus dem sogenannten "epidemiologischen Suchtsurvey", die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen. Dieser Gesetzeswidrigkeit will die Ampelkoalition ein Ende bereiten: Cannabis soll legal werden.

So sehr sich Deutschlands Kiffer freuen, so umstritten ist das Vorhaben. Seit jeher gilt Cannabis als Einstiegsdroge, die selbst zwar vergleichsweise ungefährlich ist, jedoch schnell zum Konsum härterer Substanzen führen könnte, sagen Kritiker.

Zwar dürfte es noch eine Weile dauern, bis "Gras" und Haschisch legal zu kaufen sind. Doch schon jetzt lässt sich skizzieren, wie der Plan von SPD, FDP und Grünen aussehen könnte – und welche Folgen er für die Gesellschaft und die Wirtschaft in Deutschland hätte.

Durch eine Legalisierung würden "die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet", heißt es im Koalitionsvertrag. Das bedeutet: Wenn Cannabis legal ist, kann auch besser überwacht werden, an wen es verkauft wird – und dass der Verkäufer neben Cannabis keine weiteren Drogen vertreibt.

"Der Drogendealer um die Ecke vertickt neben Cannabis zum Beispiel Crystal Meth oder Kokain", sagt Kristine Lütke, drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, t-online. "Wir möchten unterbinden, dass Menschen über den Cannabiskonsum an härtere Drogen kommen." Außerdem könne man über die Legalisierung sicherstellen, dass das Produkt nicht verunreinigt ist, zum Beispiel mit giftigem Blei.

Daneben könnte der Bund mit den Einnahmen aus einer Cannabissteuer, die wohl kommen wird (siehe unten), Jugendschutzkampagnen finanzieren. Lütke: "Aufklären statt Verbieten, das ist unsere Devise."

Der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), sieht das ähnlich. Gelten müsse "Hilfe und Schutz statt Strafe", sagt er – und zwar nicht nur beim Thema Cannabis, sondern in der nationalen und internationalen Drogenpolitik insgesamt. Auch könnten die Polizei und der Justizapparat entlastet werden, so die Hoffnung.

Was will die Ampelkoalition genau?

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht: "Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein." Doch die Ampel will nicht nur den Konsum und Verkauf von Cannabis legalisieren. Sie plant auch, den Anbau für kommerzielle Zwecke zu erlauben. Bislang ist das lediglich für medizinische Zwecke möglich.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagte Anfang des Jahres: "Wenn es Shops gibt, die Cannabis legal verkaufen dürfen, dann muss es auch Produzenten geben, die das legal anbauen und vertreiben dürfen". Zudem wäre dann für Erwachsene auch der Besitz gesetzlich erlaubt, wahrscheinlich zu einer im Gesetz festgelegten Höchstgrenze.

Denn die Ampelparteien wollen damit auch das "niederländische Modell" verhindern, sagt FDP-Politikerin Lütke. In Deutschlands Nachbarland ist der Konsum zwar entkriminalisiert, der Anbau allerdings verboten. Die Folge: Die Cannabisproduktion wird vollständig dem Schwarzmarkt überlassen.

Viel Cannabis gelangt außerdem aus dem Ausland nach Holland – gemeinsam mit anderen, oft härteren Drogen. Immer kritisieren Experten, dass der niederländische Weg dem organisierten Verbrechen den Boden bereite. "Das kann nicht unser Ziel sein", sagt Lütke.

Was ist die Kritik an der Cannabis-Legalisierung?

Die Legalisierung von Cannabis ist umstritten. Kritik an den Plänen der Ampelkoalition kommt vor allem von der Polizei und aus der Opposition: Die Unionsfraktion ist strikt gegen Marihuana an der Ladentheke. Ihr innenpolitischer Sprecher, Alexander Throm (CDU), sagte bereits im Dezember: "Die Hoffnung, mit der Legalisierung von Cannabis die Polizei zu entlasten, dürfte sich als Trugschluss herausstellen."

Auch der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Oliver Malchow, glaubt nicht daran, dass sich durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene der Schwarzmarkt austrocknen lässt.

"Es wird weiterhin Dealer geben, weil Jugendliche in den lizenzierten Shops nicht einkaufen dürfen und weil das Cannabis dort, wo Ladenmiete bezahlt wird und Steuern abgeführt werden, teurer sein wird", sagte er.

Am meisten störe ihn, dass durch die Legalisierung vor allem an Jugendliche das falsche Signal gesendet werde, nämlich "dass Cannabis nicht so gefährlich sei". Wer hier auf Erfolg durch Prävention setze, sei realitätsfern, denn Aufklärung über Drogen gebe es in den Schulen heute schon.

Das dürfte noch dauern. "Wir stehen noch ganz am Anfang der Legalisierung", so Lütke. "Wir sind uns bewusst, dass die Legalisierung von Cannabis eine hochkomplexe Angelegenheit ist. Gerade deshalb ist es entscheidend, klug und nicht vorschnell zu agieren."

Die Regierungsparteien seien sich jedoch einig, dass Cannabis legal wird – "und das noch in dieser Legislaturperiode", sagt sie.

Auch Drogenbeauftragter Blienert nannte jüngst in einem "Welt"-Interview keinen konkreten Termin, wann Kiffen legal wird. Die Ampel wolle "einen soliden und handfesten Vorschlag vorlegen", so Blienert. "Wir brauchen dafür einen breiten Austausch in der Gesellschaft, Politik und Wissenschaft."

Entsprechend geduldig gibt sich derweil auch die Cannabis-Industrie selbst. Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverbands Cannabiswirtschaft (BvCW), geht davon aus, dass es noch mindestens zwei, eher drei Jahre dauern wird, bis Gras über die Ladentheke verkauft wird. "Ein so komplexes Gesetzgebungsverfahren braucht diese Zeit", sagt er t-online.

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Wer wird das Cannabis anbauen?

Laut dem Branchenverband Cannabiswirtschaft stehen etliche Firmen bereit, die Cannabis anbauen könnten. "Vom kleinen Landwirt über den Mittelstand bis zum Großkonzern könnte Cannabis produziert werden", sagt Verbandsgeschäftsführer Neumeyer.

Auch Bundesagrarminister Cem Özdemir sieht bei Landwirten in Deutschland großes Interesse an der Legalisierung von Cannabis. "Viele Bäuerinnen und Bauern stehen in den Startlöchern, um Hanf anzubauen", sagte der Grünen-Politiker der "Bild am Sonntag" bereits Ende vergangenen Jahres.

Allerdings ist bislang offen, wie konkret das ablaufen würde. Bei der Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke im Jahr 2017 gab es eine Ausschreibung, auf die sich Firmen bewerben konnten. Wer Gras anbauen wollte, musste bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

"Das war viel zu bürokratisch", sagt FDP-Politikerin Lütke. "Wir müssen es jetzt einfacher regeln und die Hürden für Unternehmen gering halten." Anders als bei medizinischem Cannabis komme es etwa nicht darauf an, "auf die Nachkommastelle genau den THC-Gehalt zu überprüfen". Tetrahydrocannabinol, kurz THC, ist die Substanz in Hanfpflanzen, die für die berauschende Wirkung von Cannabis verantwortlich sein soll.

"Sonst könnte Cannabis-Legalisierung scheitern"

Auch Neumeyer plädiert dafür, unbegrenzt Lizenzen zu vergeben. Auch weil pro Jahr rund 400 Tonnen Cannabis benötigt würden. "Es entsteht ein ganz neuer Markt", sagt er. "Wichtig ist, dass die Ampel ihn mit Verordnungen nicht erstickt, bevor er richtig aufblüht. Sonst könnte die Cannabis-Legalisierung scheitern."

So müsse sichergestellt sein, dass es eine breite Produktvielfalt gebe, und dass legales Cannabis nicht teurer als illegales werde. "Legales Cannabis muss mit dem von der Straße konkurrieren können."

Ein weiteres Problem, das die Ampel angehen müsse, so Neumeyer: Bislang ist es laut UN-Konvention verboten, Cannabis für Genusszwecke zu handeln, womit der Im- und Export illegal ist. Lediglich medizinisches Cannabis oder Gras für Forschungszwecke darf ein- und ausgeführt werden. Das müsse der Bund ändern und "die gesamte Lieferkette des Cannabis legalisieren und sicherstellen", fordert Neumeyer.

Was heißt die Legalisierung für die Wirtschaft?

Vor allem zusätzliche Staatseinnahmen sowie Zehntausende Arbeitsplätze. Neumeyer vom Cannabis-Wirtschaftsverband sagt: "Der Wirtschaftszweig kann Deutschland voranbringen." Das gelte besonders, wenn auch in Zukunft der internationale Handel möglich sei (siehe oben).

Auch FDP-Politikerin Lütke hofft das. "Ich kann mir vorstellen, dass deutsche Unternehmen unsere Hanfpflanzen exportieren und es bald Cannabis 'Made in Germany' geben wird."

Schon jetzt steht fest: Cannabis werde "irgendeiner Form der Besteuerung unterliegen, wie andere Konsumprodukte auch", sagte Justizminister Buschmann.

Naheliegendster Vergleich: die Tabaksteuer auf Zigaretten, die von den Herstellern an den Fiskus gezahlt, jedoch im vollen Umfang an die Verbraucher weiter gereicht wird. Offen ist allerdings wohl noch, ob sich eine Cannabissteuer nach dem THC-Gehalt oder dem Gewicht richten wird.

Cannabissteuer könnte pro Jahr Milliarden einbringen

Wie viel eine Legalisierung dem Bund wirklich bringen könnte, hat der Ökonom Justus Haucap für den Deutschen Hanfverband ausgerechnet. Allein durch eine Cannabissteuer würden dem Staat demnach jährlich 1,8 Milliarden Euro zufließen. Dazu kämen Mehreinnahmen bei Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuern in Höhe von 734 Millionen Euro.

Haucap, der an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf forscht, rechnet außerdem mit 27.000 neuen Arbeitsplätzen in der Cannabiswirtschaft. Für diese falle wiederum Lohnsteuer von rund 280 Millionen Euro an. Insgesamt rechnet der Wettbewerbsexperte mit Einsparungen, Aufkommen aus Sozialversicherungsbeiträgen und zusätzlichen Einnahmen von 4,7 Milliarden Euro pro Jahr.

Welche Fragen sind noch offen?

Sehr viele, etwa wer alles Cannabis verkaufen darf – ob nur spezielle Shops oder auch Apotheken. Auch ist offen, ob Cannabis-Verkäufer eine besondere Schulung brauchen und wie diese aussehen könnte.

Zudem steht noch nicht fest, wie Cannabis angebaut werden muss, ob in Gewächshäusern, wo man es besser kontrollieren kann, oder auf dem freien Feld. Unklar ist auch, was mit den Bestandteilen der Cannabispflanze geschieht, die nicht für Joints gebraucht werden. Schließlich spielt vor allem das Marihuana, also die getrockneten Blüten der weiblichen Cannabispflanze, eine wichtige Rolle für die berauschenden Glimmstängel.

Darüber hinaus gibt es noch unzählige Fachfragen, die die Ampelkoalition beantworten muss. t-online wird Sie auf dem Laufenden halten und über die Cannabis-Legalisierung informieren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Kristine Lütke
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