Auftragsboom Lieferengpässe erschweren die Produktion bei Siemens
Der Mischkonzern Siemens konnte bei seiner Jahreshauptversammlung mit guten Ergebnissen glänzen. Trotz voller Auftragsbücher könnte es nun aber Probleme geben – das liegt vor allem an Lieferengpässen.
Guter Auftakt für Siemens -Chef Roland Busch: Bei seiner ersten Hauptversammlung konnte er erfreuliche Daten präsentieren – trotz Corona-Krise. Die Pandemie schlug sich aber nicht nur in der virtuellen Versammlung nieder: Busch warnte auch vor anhaltenden Lieferproblemen und höheren Materialpreisen.
Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2021/2022 kletterte der Umsatz von Oktober bis Dezember auf vergleichbarer Basis um neun Prozent auf 16,5 Milliarden Euro. Das Ergebnis aus dem industriellen Geschäft stieg um zwölf Prozent auf 2,5 Milliarden Euro – und übertraf damit die Erwartungen der Analysten deutlich.
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Busch sprach von einem sehr erfolgreichen Start in das Geschäftsjahr. "Unsere Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass wir Vorreiter sind, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu beschleunigen." An der Börse wurden die Quartalszahlen gut angenommen. Der Kurs des Industriegüterkonzerns legte auf Tradegate um rund vier Prozent zu auf 143,50 Euro im Vergleich zum Xetra-Schluss am Vortag.
Auftragsboom gefährdet
Siemens erlebt derzeit einen regelrechten Auftragsboom. Der Auftragseingang schoss um 42 Prozent auf 24,2 Milliarden Euro nach oben. Besonders begehrt waren die Fabrik-Automatisierung und ICE-Züge, von denen die Deutsche Bahn weitere für 1,5 Milliarden Euro bestellte.
Dabei räumte Siemens erstmals Schwierigkeiten ein, alle Aufträge pünktlich abzuarbeiten. Größere Unterbrechungen seien zwar trotz Beschaffungs-Engpässen und Ausfällen infolge der Corona-Pandemie vermieden worden.
Für die erste Hälfte des Geschäftsjahres erwartet Busch längere Lieferzeiten durch Engpässe bei Bauteilen. Hinzu kämen hohe Materialpreise, steigende Transportkosten und Fachkräftemangel.
Siemens-Töchter schlagen sich sehr unterschiedlich
Die Medizintechniktochter Healthineers sorgt für große Zufriedenheit in der Vorstandsetage. Nach einem Rekordjahr setzte das Unternehmen seinen guten Lauf jüngst auch im ersten Geschäftsquartal fort und erhöhte die Prognose.
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Das gegenteilige Bild bietet derzeit Siemens Energy . Siemens hatte das Energietechnikgeschäft 2020 abgespalten und hält selbst noch 35 Prozent. Wegen schlechter Geschäfte im zugehörigen, ebenfalls börsennotierten Windkraftgeschäft Gamesa , die auch durch hausgemachte Probleme verursacht sind, hat Energy jüngst die Prognose senken müssen.
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Aus Gamesa will sich Siemens eigentlich zurückziehen, doch das werde nun langsamer geschehen als zunächst geplant, so Busch. Eigentlich wollte Siemens den Anteil innerhalb von zwölf bis 18 Monaten nach dem Börsengang im Herbst 2020 von 35 Prozent in Richtung 25 Prozent reduzieren.
Siemens sei "nicht zufrieden mit der operativen Leistung bei Siemens Gamesa", so Busch. Die spanische Tochter hat Siemens Energy im ersten Quartal in die roten Zahlen gedrückt. Finanzvorstand Ralf Thomas sprach von einer "für uns unerwarteten und äußerst unbefriedigenden Entwicklung".
Die Berufung von Jochen Eickholt zum Vorstandschef von Siemens Gamesa sei "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte Busch. Eickholt hat sich bei Siemens einen Namen als erfolgreicher Sanierer gemacht.
Verkauf von Randbereichen geplant
Siemens will zudem einige Tochterfirmen abstoßen. Das lohnt sich auch finanziell: Allein aus dem im Januar verkauften Unternehmen für Straßenverkehrstechnik Yunek erhofft sich Finanzvorstand Ralf Thomas 600 bis 800 Millionen Euro. Käufer ist der italienischen Infrastrukturkonzern Atlantia.
Das brummende Geschäft mit Post- und Paket-Sortieranlagen geht für 1,15 Milliarden Euro an den Hamburger Maschinenbauer Körber. Und auch aus dem defizitären Gemeinschaftsunternehmen Siemens Valeo eAutomotive für Antriebe von Elektroautos steigt der Konzern bis zur Jahresmitte aus; der französische Autozulieferer Valeo zahlt 277 Millionen Euro für den 50-Prozent-Anteil von Siemens.
Protest gegen geplante Ausgliederung
Doch nicht überall sind die Menschen über Ausgliederungen und Verkäufe erfreut. Während die Aktionäre virtuell mit dem Vorstand über den Geschäftsbericht berieten, gab es in Berlin Proteste gegen die ebenfalls geplante Ausgliederung der Großmotorenproduktion LDA.
Rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kamen am Donnerstagmorgen vor dem Dynamowerk des Konzerns in der Berliner Siemensstadt zusammen, wie die Gewerkschaft IG Metall mitteilte. Auch an der Nürnberger Siemensbrücke wurde protestiert.
Siemens hatte im vergangenen Oktober angekündigt, sein Geschäft mit großen Motoren rechtlich auf eigene Füße stellen zu wollen. Die Sparte Large Drive Applications (LDA) hat ihren Hauptsitz in Nürnberg, beschäftigt dort und in Berlin rund 2.200 Mitarbeiter sowie in Tschechien, den USA und China weitere 4.800. Hauptprodukt sind große Motoren für den Bergbau, die Chemie-, Öl- und Gasindustrie.
- Eigene Recherche
- Jahreshauptversammlung von Siemens
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters