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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Expertin erklärt Die Bahn will einen Dauerstreik verhindern
Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich mit der Bahn im Tarifkonflikt geeinigt. Die Bahn will sich auch mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG einigen – obwohl es dort schon einen aktuellen Tarifvertrag gibt.
Nach dem Tarifabschluss mit der Lokführergewerkschaft GDL will die Bahn eine zügige Verständigung mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG. "Wir werden dafür Sorge tragen, dass wenn es eine Abweichung gibt, dass das übertragen wird", sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler am Donnerstag. "Ich glaube, es ist möglich, dass wir mit der EVG zeitnah zu entsprechenden Regeln kommen."
Die Bahn hatte sich mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) auf einen Tarifabschluss verständigt. Er geht in Teilen über den Vertrag hinaus, der im vergangenen Jahr mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geschlossen wurde.
"Die EVG war im Zugzwang"
Die EVG hatte bereits am Donnerstag angekündigt, nachverhandeln zu wollen – auch einen Arbeitskampf schloss sie nicht aus. Da die Bahn auf die EVG zugeht, verhindert sie, dass es zu einem dauerhaften Arbeitskampf kommt, wie Lena Rudkowski erklärt. Sie ist Professorin für Arbeitsrecht an der Uni Gießen. "Wäre die Bahn nicht auf die EVG zugegangen, hätte es zu weiteren Streiks kommen können. Denn die EVG war im Zugzwang."
Hintergrund dieser Entwicklung ist ein bahninterner Konkurrenzkampf zwischen den Gewerkschaften um Mitglieder und somit Beiträge – und das sogenannte Tarifeinheitsgesetz.
Das soll dafür sorgen, dass nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft greift, die im jeweiligen Betrieb die Mehrheit hat. Die GDL hat in 16 der rund 300 Bahn-Betriebe die Mehrheit, in 71 Betrieben muss es noch festgestellt werden. In der aktuellen Einigung haben sich die Bahn und die GDL auch auf ein Verfahren geeinigt, festzustellen, welche Gewerkschaft in welchen Bahnbetrieben die Mehrheit hat. "Das war nötig, damit das Tarifeinheitsgesetz erst richtig greifen kann."
Doch das Problem an dem Gesetz: "Es treibt den Konkurrenzkampf zwischen den Gewerkschaften weiter an. Das Tarifeinheits-Tarifvertragsgesetz sollte daher in der kommenden Legislaturperiode überarbeitet werden", sagt Rudkowski.
Weselsky: "Tarifabschluss wird anderen hinterhergetragen"
Deshalb ist auch GDL-Chef Claus Weselsky nicht sonderlich begeistert, dass die Bahn nun auf die EVG zugeht. "Wir haben anders abgeschlossen, und zwar höher, sichtbar höher", sagte er. "Wir geben Millionen aus, gehen in den Streik, lassen uns beschimpfen, und am Ende des Tages dürfen wir zuschauen, wie der Tarifabschluss den anderen hinterhergetragen wird."
Seiler sagte dagegen, die EVG habe 2020 Verantwortung übernommen. "Sie hat mitten in der Corona-Krise große Solidarität gezeigt. Von daher ist es mir wichtig, dass keine Mitglieder der EVG in irgendeiner Form schlechter gestellt werden oder Nachteile haben."
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Lena Rudkowski
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa