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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wirtschaft erleichtert Abgesagte Ruhetage: Welche Rolle spielte der Autogipfel?
Die Wirtschaft reagiert positiv auf die Rücknahme der Ruhetage an Ostern, der Respekt für die Entscheidung Merkels ist groß. War der Autogipfel ausschlaggebend für ihren Entschluss?
Deutschlands Unternehmen und Wirtschaftsverbände zeigen sich erleichtert über die Rücknahme der sogenannten "Ruhetage" an Ostern. Gleichzeitig diskutieren Beobachter des politischen Berlins hinter vorgehaltener Hand, wie groß der Einfluss des Autogipfels am Dienstagabend auf die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel war.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger lobte die Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Rücknahme des Beschlusses zur Osterruhe als "mutige Entscheidung". "Für das Management dieser Krise gibt es keine Blaupause", sagte Dulger am Mittwoch in Berlin. "Umso mehr habe ich Respekt dafür, dass die Kanzlerin den Beschluss zurückgenommen hat. Die mutige Entscheidung der Bundeskanzlerin beweist Führungsstärke."
Ähnlich äußerte sich Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. "Besser ein Schrecken mit Ende als umgekehrt", sagte er. "Es war mutig, diese Fehlentscheidung einzugestehen und so zeitnah zu korrigieren."
Erleichtert sind auch der Außenhandelsverband BGA sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Dessen Präsident, Peter Wollseifer, sagte in einer ersten Reaktion: "Das ist eine richtige Entscheidung! Dass die Bundeskanzlerin sie so rasch und bei Übernahme persönlich voller Verantwortung getroffen hat, verdient großen Respekt."
Rechtliche Hürden der Idee unterschätzt
Zuvor hatten Merkel und die Länderchefs am Mittwochvormittag in einer kurzfristig anberaumten Videoschalte vereinbart, den erst in der Nacht zu Dienstag gefassten Beschluss zu einer Osterruhe in der Corona-Pandemie wieder zurückzunehmen. Die Spitzen von Bund und Ländern hatten bei der Beschlussfassung offenbar die rechtlichen Hürden unterschätzt. Merkel räumte daraufhin vor der Presse sowie im Bundestag ihren Fehler ein und bat die Öffentlichkeit um Entschuldigung.
Merkel erklärte den Vorgang unter anderem mit rechtlichen Schwierigkeiten. Hintergrund dafür ist, dass es für den "Ruhetag" einer gesetzlichen Anpassung auf Ebene der 16 Bundesländer bedurft hätte, da sie in Deutschland für die Regelung der Feiertage zuständig sind.
Eine Rolle gespielt haben dürften jedoch neben den juristischen Fragen auch der Druck der Wirtschaft. Als Reaktion auf den Beschluss von Bund und Ländern waren zahlreiche Wirtschaftsverbände Sturm gelaufen gegen die Idee zweier kurzfristig anberaumter Ruhetage.
War der Autogipfel ausschlaggebend?
So wies am Dienstag unter anderem der Deutsche Industrie- und Handelskammertag in einem Positionspapier, das in Berlin kursierte und t-online vorliegt, auf zahlreiche Probleme hin. "Produktionsunternehmen arbeiten vielfach im Verbund und ein Abschalten der Produktion in der Industrie ist so kurzfristig ist nicht möglich", heißt es darin. "Auch Baustellenbetreiber, die z.B. ihren Estrich bestellt haben, und der geliefert wird, können ihn nicht planmäßig verwenden, was zusätzliche Kosten auslöst."
Mehr gemunkelt als laut ausgesprochen wird in diesem Zuge auch, dass die für Deutschlands Wirtschaft wichtige Autoindustrie ihr Gewicht in die Waagschlage geworfen haben könnte: Am Dienstagabend tauschten sich die Chefs der großen Hersteller mit Kanzlerin Merkel regulär beim sogenannten Autogipfel aus.
Neben Zukunftsfragen der Branche war dabei auch die kurze Frist, der avisierten Oster-Lockdown und seine Folgen, Thema. Hätte Merkel ihre ursprünglich Idee zweier sonntagähnlicher Ruhetage durchgesetzt, hätte das potenziell schwerwiegende Konsequenzen für die Produktionsketten und das Einhalten von Lieferverträgen gehabt. "Plötzliche Betriebsstilllegungen sind für eine international vernetzte Wirtschaft nicht darstellbar", sagte die Präsidentin des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, Hildegard Müller, am Dienstag nach dem Gipfel.
Entsprechend positiv äußerte sie sich am Mittwoch. "Einen Fehler einzuräumen, zeugt von Größe", so Müller. "Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten sind in einer ausgesprochen schwierigen Lage." Das Land müsse jetzt zusammenstehen und nach Lösungen, nicht nach Fehlern bei anderen suchen.
- Eigene Recherche
- DIHK-Positionspapier
- ZDH-Pressemitteilung
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und dpa