Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tui-Chef zur Corona-Lage "Im Hochsommer können wir alle Reiseziele wieder ansteuern"
Millionen Deutsche wollen in den Urlaub fahren. Nur wohin? Die Corona-Pandemie erschwert die Reiseplanung. Tui-Chef Marek Andryszak weckt dennoch Hoffnungen auf einen Urlaub am Strand.
Seit einem Jahr steckt der Tourismus wegen der Corona-Pandemie in einer tiefen Krise. Die Deutschen buchen nur vorsichtig Reisen, Reisewarnungen und Infektionszahlen sorgen für Unsicherheit. Hotels und auch viele Grenzen sind teilweise ganz geschlossen.
Wohin also noch reisen? Wann sind Buchungen besonders sicher? Und wie verändert sich unser Reiseverhalten nach der Krise? Marek Andryszak, Geschäftsführer von Tui Deutschland, blickt trotz aller Unsicherheiten optimistisch auf die kommenden Monate. Was er sich vonseiten der Politik wünschen würde und welche Rolle Reiseanbieter in der Teststrategie übernehmen könnten, erklärt er im Interview mit t-online.
Herr Andryszak, das Wichtigste zuerst: Wie viel teurer wird der Urlaub dieses Jahr?
Gar nicht, im Gegenteil. Der Urlaub wird dieses Jahr sogar günstiger werden.
Das dürfte viele überraschen, schließlich ist doch gerade viel von steigenden Preisen die Rede.
Richtig, aber nur mit Blick auf die Durchschnittspreise. Dieser Anstieg hängt mit zwei Faktoren zusammen. Erstens werden wegen Corona weniger Menschen in den günstigeren Urlaubsmonaten Mai und Juni verreisen. Zweitens neigen viele Kunden dazu, längere Reisen zu buchen, weil sie sehr lange auf den Urlaub warten mussten. Auch das zieht den Durchschnittspreis nach oben. Vergleichen wir aber dieselben Reisezeiten und dieselben Reiselängen, werden die Reisen eher billiger, weil viele Hotels nicht voll ausgelastet sein werden.
Marek Andryszak
Marek Andryszak ist Wirtschaftsingenieur und seit Juli 2017 Geschäftsführer der Tui Deutschland, seit 2016 ist er zudem Vorstandsvorsitzender der L’tur Tourismus AG. Zuvor war er Geschäftsführer von Tui Polen und hatte verschiedene Positionen bei der Tui Deutschland. Er war beispielsweise in den Bereichen Flugstrategie und Beförderung aktiv.
Die Voraussetzung dafür ist, dass die Corona-Pandemie das Reisen überhaupt erlaubt. Wie beurteilen Sie die Beschlüsse des jüngsten Bund-Länder-Gipfels, in denen der Tourismus nicht mit einer Silbe erwähnt wird?
Die Ergebnisse sind schon eine Enttäuschung. Wir hätten uns mehr Planbarkeit gewünscht. Natürlich müssen wir jetzt abwarten, dass sich mit der nächsten Konferenz etwas ändert. Gleichzeitig schauen wir sehr auf das Infektionsgeschehen im Ausland, in den Reisedestinationen. Und da gibt es Grund zur Hoffnung.
Welche Reiseziele meinen Sie damit?
Für Mallorca etwa sieht es aktuell sehr gut aus. Dort liegt die Inzidenz seit Wochen unter 35. Zu meiner Verwunderung hat das Robert Koch-Institut nicht schon letzten Freitag Entwarnung für Mallorca gegeben. Wir hoffen deshalb, dass das in den kommenden Tagen geschieht und auch die Reisewarnung für die Balearen aufgehoben wird.
Was müssen die Regierungschefs abseits dessen tun, um den Deutschen ihren Urlaub zu ermöglichen?
Die Politik muss für eine gesicherte Perspektive sorgen. Jeder von uns möchte sein Leben und auch den Urlaub wieder besser planen können. Wer jetzt eine Reise bucht, möchte wissen, wann er wieder ins Flugzeug steigen oder an Bord eines Schiffes gehen kann. Dass das möglich ist, zeigen andere Länder wie Großbritannien. Dort ist klar, wann wie viele Menschen geimpft sein werden, wann das Reisen wieder geht.
- Tagesanbruch: Merkel verliert die Kontrolle
Welche Rolle fällt bei der Planbarkeit der vieldiskutierten Teststrategie zu?
Eine sehr große. Bei Reisen nach Spanien verlangen wir bereits seit Dezember von all unseren Gästen einen negativen Corona-Test vor dem Abflug und zum Teil auch vor der Rückreise. Das Ergebnis ist eindeutig: Unter den Reisenden lag die Inzidenz der Corona-Neuinfektionen bei 0,5. Mein Appell an die Politik lautet deshalb: Gehen Sie mit uns eine Partnerschaft ein, machen Sie Vorgaben fürs Verreisen. Und wir setzen das dann um.
Wie genau könnte dieser Deal aussehen?
Es könnte eine klare Ansage geben, dass jeder Urlauber vor der Abreise einen negativen Test vorweisen muss, der nicht älter als 48 Stunden ist. Wir, die Reiseanbieter, kontrollieren den Test dann. Wer keinen hat, fliegt nicht mit. Und genauso könnte man es bei der Rückreise halten.
Der Anbieter Alltours geht einen noch strengeren Weg und will nur Geimpfte in seine Hotels lassen. Ziehen auch Sie Vorteile für Geimpfte in Erwägung?
Nein. Da bis zum Sommer nicht jeder ein Impfangebot bekommen wird, wäre das mehr als ungerecht. Wenn hingegen jeder die Möglichkeit hatte, eine Impfung zu erhalten, sähe das schon anders aus. Dann wäre es möglich, Nicht-Geimpften die Buchung zu verweigern. Das wird aber frühestens im Spätherbst der Fall sein. Und ob das Ganze dann noch ein Thema ist, wage ich zu bezweifeln.
Blicken wir auf die nähere Zukunft. Wie sehr belastet das ausbleibende Ostergeschäft Tui als Unternehmen?
Ich schreibe den Osterurlaub noch nicht komplett ab. Als Optimist glaube ich: Wir werden im Frühjahr noch etliche Urlauber nach Mallorca bringen. Bleibt die Inzidenz dort unter 50, führt kein Weg daran vorbei, die Reisewarnung aufzuheben. Und spätestens dann wird es für sehr viele Kunden interessant werden.
Was passiert, wenn die Reisewarnung bestehen bleibt?
Das wäre eine große Enttäuschung.
Das heißt, dann braucht Tui noch mehr frisches Geld vom Staat?
Das ist nicht mein Thema. Meine Aufgabe ist es zusammen mit meinem Team den Gästen aus Deutschland einen entspannten Urlaub zu ermöglichen. Gerade nach den Monaten der Entbehrung.
Tui verdient das meiste Geld mit Auslandsreisen, viele Menschen werden dieses Jahr aber erneut in der Heimat Urlaub machen wollen. Kann Tui überhaupt Deutschland?
Oh, ja! Sehr gut sogar. Tui hat in Deutschland mittlerweile mehr als 2.500 Hotels unter Vertrag. Deutschland ist mit Mecklenburg-Vorpommern und Bayern eines der wichtigsten Reiseziele für Tui.
Ist denn in Deutschland genug Platz für alle Urlauber?
Nein. Wenn alle über 50 Millionen Urlauber in Deutschland bleiben, gibt es nicht für alle einen Platz an den Stränden und in den Bergen. Wir haben momentan eine Übernachtungskapazität für knapp ein Viertel aller Reisenden. Das kann also nicht klappen. Aber ich glaube, das will auch keiner, weder die Hoteliers noch die Kunden.
Welche Reiseziele würden Sie jetzt für den Sommer empfehlen, damit der Urlaub sicher stattfinden kann?
Ich gehe fest davon aus, dass die griechischen Inseln und auch die Kanaren und Balearen als Flugziele sicher sind. Für Autoreisende ist das südliche Europa weiterhin eine gute Option, ich denke da an Österreich und Italien. Genauso wird Kroatien im Sommer ein sicheres Reiseziel, ebenso Zypern. Und wir sehen gerade bei den Inzidenzzahlen, dass sich auch die Algarve positiv entwickelt.
Sofern uns die Briten dort nicht alle Betten wegbuchen!
Da wird es keine Probleme geben. Die Hoteliers und die Hotelkapazitäten in Südeuropa sind darauf vorbereitet, dass im Normalfall ganz Europa reist. Die Briten können die Hotels gar nicht alleine füllen. Sich jetzt seinen Wunschurlaubsort und ein tolles Hotel zu sichern ist aber durchaus sinnvoll.
Was ist mit Zielen abseits von Europa?
Außerhalb von Europa ist die Lage schwerer vorhersehbar. Wir haben in der EU bestimmte Standards und Regeln, daher bin ich mir hier sehr sicher, dass dem Urlaub nichts im Wege steht. Wenn es aber um Ziele wie die Karibik oder um Fernasien geht, lassen sich schwieriger Prognosen abgeben – nicht zuletzt, weil wir dort zum Teil kaum gesicherte Infektionszahlen kennen.
Wann sollten Touristen bestenfalls buchen und welcher Zeitraum bietet sich an?
Wann sie buchen, ist egal. Heute herrscht natürlich noch Unsicherheit über Öffnungen zu Ostern – bereits für Pfingsten bin ich allerdings schon sehr viel zuversichtlicher. Und für die Zeit danach bin ich mir sehr sicher: Im Hochsommer aber können wir alle Reiseziele wieder ansteuern. Bis auf Tests und Maskenpflicht wird es kaum noch Einschränkungen geben.
Welche Reiseversicherung und welchen Tarif würden Sie Urlaubern jetzt empfehlen?
Die Covid-Versicherung sollten Sie auf jeden Fall dazubuchen, die ist aktuell auch kostenlos enthalten. Diese Versicherung sorgt dafür, dass Urlauber bei einer Corona-Infektion im Urlaub eine ärztliche Betreuung und wenn nötig sogar einen individuellen Krankentransport bekommen. Zusätzlich empfehle ich, die Flextarife zu nutzen – gegen einen kleinen Aufpreis können Touristen dann kostenlos umbuchen und stornieren, wie sie wollen.
In welchen Fällen erstattet Tui den Reisepreis in der Corona-Krise?
Im Falle der Flextarife immer. Bei anderen Tarifen erstatten wir je nach Zeitpunkt der Stornierung einen Teil des Reisepreises. Sollte die Regierung plötzlich eine Reisewarnung aussprechen, gibt es auch die Möglichkeit, einen Gutschein oder eine Erstattung zu bekommen. Bei manchen Gebieten bietet Tui allerdings auch Reisen während einer Reisewarnung an. Das heißt, Sie können mit Tui momentan auf die Kanaren, die Malediven, die Seychellen, nach Kuba, Dubai oder in die Türkei reisen, wenn Sie sich bewusst dafür entscheiden.
Schauen wir einmal in die fernere Zukunft. Wie wird sich das Reisen nach der Pandemie verändern?
Eine spannende Frage, auf die wir allmählich eine Antwort der Kunden bekommen. Und die sagen: eher gar nicht. Sie möchten genauso verreisen, wie sie das vor zwei Jahren getan haben. Bleibt das nach Corona so, gibt es keine Veränderung. Insgesamt gehe ich deshalb davon aus, dass die Trends an sich sehr konstant bleiben. Vielleicht wird sich nach und nach das Thema Nachhaltigkeit auswirken – aber auch da haben wir heute schon interessante Reisen im Angebot.
Gutes Stichwort. Die Klimadebatte dürfte auch nach Corona noch starke Auswirkungen aufs Reisen haben. Hand aufs Herz, die größten Reise-Dreckschleudern sind doch Kreuzfahrtschiffe. Ist die klassische Kreuzfahrt bald tot?
Ganz und gar nicht. Kreuzfahrten sind weiterhin sehr beliebt. Innerhalb von kürzester Zeit können die Urlauber bei einer Kreuzfahrt unheimlich viel sehen. Ich denke, der Weg geht nicht über Verbote oder Stigmatisierungen. Vielmehr müssen wir uns fragen, wo wir nachhaltiger werden können, zum Beispiel indem wir über bessere Motoren nachdenken, damit weniger Abgase in der Luft landen. Da sind wir mit den modernsten Schiffen in unserer Flotte wirklich führend.
Wann merken das auch die Kreuzfahrturlauber – werden die Schiffe künftig kleiner?
Eigentlich müssten Kreuzfahrtschiffe sogar noch größer werden. Dadurch werden sie effizienter und zugleich nachhaltiger, weil sie mehr Passagiere transportieren können. Das klingt zunächst paradox, wäre für die Umwelt aber von Vorteil. Zudem werden mehr Schiffe künftig mit Flüssigerdgas fahren und wer weiß, vielleicht gibt es in 20 Jahren sogar schon Elektroantriebe.
Also Schippern mit gutem Gewissen.
Ich erkenne die Ironie, aber: Ich glaube tatsächlich, dass wir einfach die Dinge verbessern sollten, die da sind. Zu Recht schimpfen wir über die alten Schiffe und deren Schadstoffausstoß. Aber wir sollten auch bedenken, welche Schiffe vor 20 Jahren noch gefahren sind. Da sind wir heute um Längen weiter.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Andryszak!