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VW und Co.: Grüne Revolution bei den Gehältern der Top-Manager


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Neue Vergütungsregeln
Grüne Revolution bei den Gehältern der Konzernchefs


Aktualisiert am 05.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Ein Hochofen im Thyssenkrupp-Werk in Duisburg: Der Stahlkonzern hat qua natura eine schlechte Klimabilanz.Vergrößern des Bildes
Ein Hochofen im Thyssenkrupp-Werk in Duisburg: Der Stahlkonzern hat qua natura eine schlechte Klimabilanz. (Quelle: imago-images-bilder)
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Sie verdienen Millionen dafür, dass sie Milliarden erwirtschaften. Ab jetzt aber bestimmt ein weiterer Faktor das Gehalt der Vorstände von VW, Thyssenkrupp und Co.: ihre Anstrengungen fürs Klima.

Wenn am Freitag die Aktionäre von Thyssenkrupp zur digitalen Hauptversammlung zusammenkommen, passiert etwas noch nie Dagewesenes: Erstmals in der Geschichte stimmen die Anteilseigner darüber ab, wie stark das künftige Gehalt von Konzernchefin Martina Merz und das ihrer Vorstandskollegen von ihren Anstrengungen für mehr Klimaschutz abhängen soll.

Noch mehr als bislang geht es für den Stahlgiganten, bekannt für seine schmutzigen Hochöfen, dann darum, grüner zu werden. Denn: Ab diesem Zeitpunkt hat der CO2-Fußabdruck des Unternehmens nicht nur Einfluss auf das Image des Konzerns, sondern in Teilen auch auf die Millionengehälter seiner Chefs.

Thyssenkrupp ist mit diesem Schritt nicht allein. VW, Daimler, Lufthansa, RWE – überall werden die Aktionäre in den kommenden Wochen und Monaten während der Hauptversammlungssaison neue Vergütungssysteme für ihre Vorstände beschließen. Bei allen geht es darum, eine Nachhaltigkeitskomponente in die Gehaltsstruktur einzubauen.

Neues Gesetz zwingt zum Umdenken

Hintergrund dafür ist ein neues Gesetz, das 2021 seine volle Wirkung entfaltet. Sein sperriger Name: ARUG II. Gemeint ist mit dieser Abkürzung der zweite Part des "Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie". Unter anderem ändert es das deutsche Aktiengesetz an einer entscheidenden Stelle. Ab jetzt gilt: "Die Vergütungsstruktur" der AG-Vorstände ist "auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten".

Beim Thyssenkrupp gestaltet sich das Vergütungssystem für die Chefs so wie bei fast allen Aktiengesellschaften: Das Gehalt der Vorstände teilt sich in ein fixes und ein variables Jahressalär. Letzteres macht dabei den Löwenanteil aus, denn die variablen Zahlungen sind an konkrete Ziele geknüpft, die die Vorstände kurz- und langfristig erreichen müssen. So stellen die Aktionäre sicher, dass sich die Konzernlenker nicht zurücklehnen, sondern das Unternehmen – ursprünglich vor allem den Aktienkurs – voranbringen.

Neu dabei sind die sogenannten "nicht-finanziellen Nachhaltigkeitsziele". Von ihnen hängen rund 18 Prozent des variablen Gehalts und damit 11 Prozent der Gesamtbezüge ab.

  • Beispiel: Angenommen, ein ordentliches Vorstandsmitglied von Thyssenkrupp kann durch Zielvereinbarungen auf Gesamtbezüge in Höhe von rund 2,75 Millionen Euro pro Jahr kommen. Damit hinge eine Summe von rund 315.000 Euro von Nachhaltigkeitszielen ab, in diesem Fall wäre das ein fiktives Aktienpaket von entsprechendem Wert. Erreicht der Vorstand die vertraglich vereinbarten Ziele komplett, bekommt das Vorstandsmitglied die entsprechende Anzahl an Thyssenkrupp-Aktien. Gelingt es nur in Teilen, landen anteilig weniger Aktien im Wertpapierdepot – oder auch gar nichts.

Ingo Speich, der sich bei der Deka als Aktionärsvertreter vor allem um das Thema Nachhaltigkeit und Corporate Governance kümmert, findet das gut. "Durch das neue Gesetz kommen die Firmenchefs in Deutschland nicht mehr drum herum", sagt er, "jetzt müssen sie sich damit auseinandersetzen, wie sie ihre Unternehmen nachhaltiger machen. Denn sonst hat das Auswirkungen auf einen Teil ihres Gehalts."

Früher war Klimaschutz "Gedöns"

Der Begriff Nachhaltigkeit reduziert sich dabei nicht allein auf Fragen des Klimas und des CO2-Fußabdrucks der Unternehmen. Die konkreten Ziele, die der Aufsichtsrat für die Vorstände festlegt, können sich etwa bei Thyssenkrupp auch aus den Bereichen "Technologie und Innovation", "Kunden und Lieferanten" sowie "Mitarbeiter und Gesellschaft" speisen.

"In einem ersten Schritt wird die Vergütung für die nächsten Jahre klar definierte und messbare Ziele zu den Themen Unfallrate und Frauenquote beinhalten", sagt Dirk Bartels, der bei Thyssenkrupp für Innovation und Nachhaltigkeit verantwortlich ist, auf t-online-Anfrage. "Weitere Aspekte werden Schritt für Schritt in den nächsten Jahren folgen."

Zwangsläufig wird es dann bei Thyssenkrupp auch um die CO2-Bilanz gehen. Denn das Unternehmen nimmt sich vor, bis 2030 seine internen CO2-Emissionen um 30 Prozent zu senken. Bei der Stahlproduktion setzt Thyssenkrupp vor allem auf Energie aus sogenannten grünem Wasserstoff und Windkraftanlagen. Bis 2050 soll der gesamte Konzern klimaneutral arbeiten.

Geringere finanzielle Risiken durch mehr Nachhaltigkeit

"Noch vor zehn Jahren hatte das Thema Klimaschutz und soziale Verantwortung der Unternehmen in vielen Konzernen den Stempel 'überflüssiges Gutmenschentum'", sagt Speich t-online. "Wichtig war primär der Profit und dass die Aktionäre ihre Dividende bekommen." Durch den direkten Einfluss auf die Boni der Vorstände seien diese Zeiten nun endgültig vorbei. "Jetzt geht es darum, dass die Ziele stimmen, die sich die Konzerne stecken", erklärt Speich.

Sie müssten einerseits erreichbar sein, ohne dass die Unternehmen zu starke finanzielle Einbußen erlitten. Andererseits dürften die Ambitionen aber auch nicht zu gering ausfallen. Denn, so der Deka-Experte: "Für uns Aktionäre bedeutet Nachhaltigkeit auch, dass langfristig weniger finanzielle Risiken auftreten können."

Was abstrakt klingt, heißt konkret: Unternehmen, die etwa dafür sorgen, den Ausstoß von CO2 zu reduzieren, laufen weniger Gefahr, später staatliche Strafen für Klimaschäden zu kassieren. Ein weiterer Grund, weshalb gerade Speich die Bedeutung von Nachhaltigkeit betont: Immer mehr Anleger achten darauf, ihr Geld in grüne Investments zu stecken.

"Durch den Abgasskandal bei VW ist hier ein großes Bewusstsein bei den Menschen gewachsen", sagt Speich. "Spätestens seit den Fridays-for-Future-Protesten wollen viele unserer Kunden explizit in nachhaltige Fonds investieren." Umgekehrt berichten auch andere Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften: Erkennen die Anleger nicht, dass ein Finanzprodukt nachhaltig ist, ziehen sie ihr Geld ab.

Überwachung der Zulieferer ist schwierig

Die Krux bei alldem: Wie genau lässt sich Nachhaltigkeit überhaupt messen – wie viel Tonnen CO2 etwa emittiert ein Unternehmen überhaupt?

Bei Thyssenkrupp ist das noch relativ einfach zu berechnen. Laut dem Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns hat die Stahlproduktion im vergangenen Jahr einen CO2-Ausstoß von rund 24 Millionen Tonnen verursacht. Auch bei Energiekonzernen wie RWE lässt sich die Menge der in den Kraftwerken verfeuerten Kohle leicht anhand der Menge in Klimagase umrechnen.

Schwieriger wird es allerdings bei Unternehmen wie Adidas, die allein in ihrer Turnschuhproduktion auf Hunderte Zulieferer auf der ganzen Welt angewiesen sind. Bisweilen handelt es sich um kleine Fabriken in Vietnam oder Bangladesch, die heute noch gar keine Aussage über ihren CO2-Fußabdruck machen können.

Speich: "Bei solchen Unternehmen werden wir uns kurzfristig nur mit groben Schätzungen begnügen müssen." Er rechne allerdings damit, dass sich der CO2-Fußabdruck in den kommenden Jahren auch dort als entsprechende Kennziffer durchsetzen werde.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Deka-Aktionärsvertreter Ingo Speich
  • Gespräch mit Thyssenkrupp-Sprecher Michael Ridder
  • Einladung zur Thyssenkrupp-Hauptversammlung 2021
  • Nachhaltigkeitsbericht Thyssenkrupp
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