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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Beratungsgebühren Apotheker wollen für Beratung der Patienten bezahlt werden
Fachkundiger Rat in der Apotheke - für den müssen Patienten in Deutschland vielleicht bald zahlen. Wenn es nach den Apothekern geht, sollen bestimmte Beratungen einem Bericht der "Welt" zufolge kostenpflichtig werden. Damit würden die Bedürfnisse von Kranken, die über längere Zeit verschiedene Medikamente einnehmen, wieder mehr in den Mittelpunkt rücken, begründet die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) den Vorstoß. Dazu sei aber auch eine andere Vergütung nötig, als nur nach rezeptpflichtigen Packungen abzurechnen. Suchen die Apotheker neue Wege, um ihre Einnahmen zu erhöhen? Und ist das überhaupt gestattet? Verbraucherschützer schlagen Alarm.
Patienten sollen mehr im Mittelpunkt stehen
"Die Zukunft liegt für Apotheker vor allem in einer verstärkten Beraterfunktion und im Medikationsmanagement", sagte der stellvertretende ABDA-Vorsitzende Mathias Arnold der Zeitung. Die Apotheker wollen sich künftig viel stärker um die Patienten kümmern, statt vorrangig Medikamente abzugeben.
Insbesondere Patienten, die etwa über einen längeren Zeitraum mehrere Medikamente einnehmen, könnten nach dem Vorschlag zusätzlich zur Kasse gebeten werden: Für sie sollte einmal jährlich "ein ausführliches Medikationsgespräch mit dem Apotheker zur Pflicht werden", sagte Arnold der Zeitung.
Medikamenten-Unverträglichkeit im Fokus
Dabei müsse es um die Aufklärung über Wechselwirkungen und "um individuelle Konzepte zur Flankierung der Therapie" gehen. Der Vorteil der Apotheker liege darin, einen guten Überblick darüber zu haben, welche verschiedenen Medikamente Patienten von ihren Ärzten verschrieben bekommen, und welche Arzneien sie sich zudem noch selbst besorgten, sagte ein ABDA-Sprecher im Gespräch mit t-online.de.
Der Apotheker könne dann seine Kunden über Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten und Unverträglichkeiten aufklären. Im Rahmen eines Pilotprojekts wird demnach derzeit eine neue Form der Zusammenarbeit von Apotheken, Ärzten und Krankenkassen in Sachsen und Thüringen erprobt, die zeigen soll, wie sich das Modell einer kostenpflichtigen Beratung realisieren lässt.
"Leistung soll honoriert werden"
Denn die geplante umfassende Beratung hat ihren Preis: "Wir sollten in Zukunft auch Leistungen honorieren, die nicht direkt an die Packung geknüpft sind", sagte Arnold der "Welt". Auch Ernährung und Lebensumstände der Patienten sollten in der Apotheke zur Sprache kommen.
Derzeit richtet sich die Vergütung nach der Zahl der verkauften rezeptpflichtigen Arzneimittelpackung - pro Medikamentenschachtel gibt es 8,35 Euro. Doch die Apotheken sind im Verkauf eingeschränkt, denn sie dürfen nur die vom Arzt verschriebenen Medikamente verkaufen. "Auf die Packungsanzahl hat der Apotheker keinen Einfluss", erklärte Arnold der Zeitung.
Verbraucherschützer sehen Vorstoß kritisch
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht in dem Vorstoß der ABDA eine "kritische Entwicklung", wie Sprecherin Mirjam Stegherr t-online.de sagte. Generell bestehe eine gesetzliche Verpflichtung zur kostenlosen Beratung über Medikamente. Es gäbe aber sicher eine Möglichkeit, eine Gesetzesregelung zu schaffen, die auch eine kostenpflichtige Information erlaube.
Die Verbraucherschützer fürchten jedoch, dass unter einem derartigen neuen Erlösmodell die Qualität des Gratis-Informationsgesprächs in der Apotheke leiden würde. Wünschenswert wäre, dass sich die Apotheker auf die kostenfreie Beratung konzentrierten, sagte Stegherr.
Immer mehr Apothekenschließungen
Hintergrund der Reformpläne sind der Zeitung zufolge unter anderem zunehmende Apothekenschließungen vor allem in ländlichen Regionen. Über die Reformvorschläge soll auf dem Deutschen Apothekertag Ende September in Düsseldorf abgestimmt werden.