Konjunktur Ungarn steht vor der Pleite
Griechenland, Italien, Spanien, Portugal - das waren bisher die Krisenstaaten, die für Turbulenzen in der Währungsunion und an den internationalen Börsen gesorgt haben. Jetzt erscheint ein weiterer Pleitekandidat im Fokus von Politik und Wirtschaft: Ungarn. Nach einem Bericht der Zeitung "Die Welt" könnte dem Land schon Ende Januar das Geld ausgehen. Der Forint sei bereits auf ein historisches Tief gesunken. Jetzt misslang zudem eine Auktion von Geldmarkt-Papieren zur Refinanzierung Ungarns.
Auswirkungen auf die Eurozone
Obwohl Ungarn kein Euro-Land ist, könnte eine Insolvenz des Landes auch ernste Folgen für die Eurozone haben: Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) könnte ihre Drohung vom Dezember 2011 wahrmachen und die gesamte Währungsunion abstufen, warnt "Die Welt". Das traditionell mit Ungarn verbundene Österreich zeige bereits "erste Krankheitssymptome": Die Risikoaufschläge für österreichische Anleihen seien in die Höhe geschossen.
Hilfe von IWF und EU nicht in Sicht
Am Donnerstag rutschte der Leitindex der Budapester Aktienbörse um mehr als zwei Prozent ab, berichtete die Zeitung. Hilfe in der desolaten Situation könnte vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) kommen, ist aber wegen des am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen, umstrittenen neuen ungarischen Grundgesetzes vorerst nicht in Sicht.
Mit der Neuerung bekommt die regierende Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban starken Einfluss auf die Justiz und die Nationale Zentralbank. Die EU-Kommission will die Entmachtung der ungarischen Zentralbank nicht hinnehmen und in Kürze über ein mögliches Gerichtsverfahren gegen das Land entscheiden. Der Verhandlungsstart über ein Rettungspaket für Ungarn liegt nach enger Abstimmung mit dem IWF auf Eis.
Anleger reagieren skeptisch
Die Angst vor der Staatspleite wächst auch bei den Anlegern. "Die Märkte reagieren zunehmend nervös. Sie preisen ein, dass Ungarn keine Finanzhilfen bekommen wird", erklärte Michal Dybula von der BNP Paribas im Gespräch mit der "Welt". Dabei sei das Land auf eine Finanzspritze in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Euro angewiesen.
Refinanzierung gescheitert
Allein bekommt Ungarn seinen Schuldenberg nicht in den Griff: Das Land hat es nicht geschafft, sich am Geldmarkt wie geplant zu refinanzieren. Man habe mit Geldmarkpapieren mit einer Laufzeit von einem Jahr lediglich 35 Milliarden Forint - etwa 109 Millionen Euro - am Markt platziert, teilte die ungarische Schuldenagentur am Donnerstag mit. Angestrebt war eine Summe von 45 Milliarden Forint. Zudem gingen die Renditen weiter nach oben. Ungarn musste 9,96 Prozent Zinsen bezahlen. Bei der letzten vergleichbaren Auktion waren es noch 7,9 Prozent gewesen.
Am Markt für zehnjährige ungarische Anleihen lag die Rendite gegen Mittag bei 10,7 Prozent. Zum Vergleich: Bei Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit lag sie zuletzt bei 1,9 Prozent. Der ungarische Forint fiel zum Euro auf einen neuen Rekordtiefstand. Auf den Märkten waren zeitweise für einen Euro bis zu 324,44 Forint zu bezahlen.
Weitere Herabstufung droht
Ungarn steckt tief in der Bredouille: Für den Fall, dass sich Staat und IWF nicht auf einen Kompromiss einigen können, erwartet die Zeitung eine baldige weitere Rückstufung des Landes. Erst Ende Dezember hatte der Rating-Riese Standard & Poor's Ungarns Kreditwürdigkeit herabgestuft.
Die Bewertung der ungarischen Staatsanleihen sei um eine Note auf BB+ herabgestuft worden, weil die "Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit" der ungarischen Politik immer weiter nachlasse, hatte S&P betont. Ende November hatte schon die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit des Landes von Baa3 auf Ba1 auf Ramschniveau herabgestuft und den negativen Ausblick beibehalten.
Wenige Tage zuvor hatte Ungarn den IWF und die EU noch um finanzielle Unterstützung gebeten. IWF und EU hatten zuletzt 2008 Ungarn mit einem Notkreditpaket von 20 Milliarden Euro vor dem Staatsbankrott gerettet. Die letzten Verhandlungen mit dem IWF waren im Sommer 2010 kurz nach Regierungsantritt der rechtsnationalen FIDESZ unter Ministerpräsident Orban gescheitert.