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Drohende Gaskrise in Deutschland: Es wird bitterkalt für Unternehmen und Bürger


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Gaskrise
Es wird bitterkalt

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 22.06.2022Lesedauer: 3 Min.
Eine Frau versucht, sich warmzuhalten: Auch Haushalte müssen Gas sparen.Vergrößern des Bildes
Eine Frau versucht, sich warmzuhalten: Auch Haushalte müssen Gas sparen. (Quelle: Valeriy_G/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Unternehmen und Bürger müssen im kommenden Winter Energie sparen. Denn Staat und Europäische Zentralbank können in dieser Krise nur bedingt helfen.

Kalt duschen, einen Strickpullover überziehen, warme Socken und ein Glas Tee. Das mag für manch einen in diesen Sommertagen wie eine Farce erscheinen. Doch spätestens im November, wenn die Erinnerung an die Sommerhitze endgültig verflogen sein wird, könnte das zu einer bitteren Realität werden. Gas ist knapp, alle werden sparen müssen – auch Privathaushalte.

Denn jetzt wird deutlich, dass der erbitterte Streit über ein Gasembargo der Europäischen Union gegen Russland möglicherweise überflüssig war. Nicht der Westen entscheidet, ob und wie viel Gas er Russland abkaufen will. Russland befindet darüber, was es zu liefern bereit ist.

Würde Russland seine Gaslieferungen nach Deutschland abrupt einstellen, wird die Wirtschaft im kommenden Jahr um rund fünf Prozent einbrechen, prognostizieren die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute.

Zwei Wirtschaftskrisen in den vergangenen Jahren hinter uns

Ist das schlimm? Zwei dieser Krisenrezessionen hat Deutschland in den vergangenen 15 Jahren überstanden. In der Finanzkrise der Jahre 2008/2009 ging die Wirtschaftsleistung um rund fünf Prozent zurück, die Corona-Pandemie hinterließ eine ähnlich tiefe Schleifspur.

In beiden Fällen finanzierte der Staat große Teile des Ausfalls. Notfallkredite und Überbrückungsgeld für Unternehmen, Kurzarbeitergeld für die Beschäftigten sorgten dafür, dass Wirtschaft und Gesellschaft trotz des Einbruchs stabil blieben.

Corona ist noch nicht vorbei

Diesmal ist die Lage anders. Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei; und verdaut ist sie noch lange nicht. Dem Wohlstandsverlust der vergangenen beiden Jahre steht nicht das gleiche kräftige Wirtschaftswachstum gegenüber, das die Wirtschaft und die Staatsfinanzen nach der Finanzkrise schnell saniert hat.

Dass Deutschland und die Eurozone heute nicht in der Rezession stecken, hat vor allem mit den extrem schwachen Wirtschaftsdaten des Vorjahres zu tun. Davor sehen selbst minimale Verbesserungen wie ordentliches Wachstum aus. Eine Beruhigung sollte das aber für niemanden sein.

Dazu kommt: Nach der Finanzkrise hatte das Land mehr als zehn Jahre Zeit, den Einbruch aufzuholen und die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Diesmal folgen die Krisen unmittelbar aufeinander. Inflation und steigende Zinsen werden den Erholungskurs zusätzlich bremsen. Denn in dieser Krise kann die Europäische Zentralbank nicht mehr mit Billigstgeld aushelfen. Sie muss sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren, den Geldwert zu stabilisieren.

Bund sollte auf Kohle setzen

Deshalb ist es wichtig, den Gasverbrauch schon jetzt so weit zu reduzieren, dass in den kalten Monaten nicht nur geheizt und gekocht, sondern auch weiter produziert werden kann.

Bisher werden rund 15 Prozent der Erdgasimporte für die Stromproduktion gebraucht. Im kommenden Winter soll dieser Anteil sinken. Kohlekraftwerke sollen wieder angefahren, möglicherweise die Laufzeiten für die letzten drei deutschen Atomkraftwerke verlängert werden. Das ist zwar schlecht fürs Klima, doch hier kann am meisten eingespart und ersetzt werden.

Auktionsmodell zum Gassparen

Für die Industrie plant die Bundesregierung ein Auktionsmodell. Danach soll jeder, der bereits eingekaufte Energiemengen nicht benötigt und zur Speicherung zurückgibt, eine Prämie erhalten. Die Chancen dafür sind gar nicht so schlecht: Denn wenn die Wirtschaft langsamer wächst als erwartet, sitzen viele Unternehmen auf Gaskontingenten, die sie in Zeiten größerer Zuversicht reserviert haben.

Auf der anderen Seite dieses Modells aber häufen sich schon jetzt die Problemanzeigen: Wird das Gas aus der Reserve an den Höchstbietenden verkauft, werden wohl viele kleinere Unternehmen nicht mithalten können, fürchten die Mittelstandsverbände. Auch Firmen, die in der Corona-Pandemie gelitten haben und nun nicht genügend Liquidität haben, wären besonders betroffen.

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm schlägt vor, auch privaten Haushalten ein Prämienmodell anzubieten. Statt zu regulieren, könnte der Staat Haushalten Prämien auszahlen, die im Vergleich zu den Vorjahren viel Gas sparen. Die könnten zumindest einen Teil der horrenden Nebenkosten auffangen, die Mieter spätestens im kommenden Jahr bezahlen müssen. Strickpullover, warme Socken, ein heißes Glas Tee – Sparfüchse können dieser Vorstellung dann vielleicht sogar im November etwas abgewinnen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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