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Hartz-IV-Berechnungen: Arbeit lohnt sich doch


Hartz-IV-Berechnungen
Arbeit lohnt sich doch

Von t-online, sm

Aktualisiert am 21.03.2018Lesedauer: 3 Min.
Brieftasche mit Euroscheinen: Was bringt mehr – Arbeit oder Hartz IV?Vergrößern des Bildes
Brieftasche mit Euroscheinen: Was bringt mehr – Arbeit oder Hartz IV? (Quelle: Stadtratte/getty-images-bilder)

Bedeutet Hartz IV Armut oder nicht? Laut Gesundheitsminister Jens Spahn hat mit Hartz IV jeder das, was er zum Leben braucht. Der Steuerzahlerbund rechnete nach und kam zu dem Schluss: Hartz IV bringt oft mehr als ein Job. Doch so einfach geht die Rechnung nicht auf.

Am Montag titelten viele Medien in ganz Deutschland: "Hartz IV bring oft mehr als ein Job", Arbeiten lohnt sich nicht. Die Wellen schlugen hoch. Auch t-online.de führte die Berechnungen des Steuerzahlerbundes im Rahmen einer Agenturmeldung auf. Schaut man sich jedoch die Zahlen genauer an, fällt eines auf: Sie stimmen nicht.

Der wesentliche Fehler: das Kindergeld. Bei einer vierköpfigen Hartz-IV-Familie mit zwei Kindern wird es zum Beispiel bis zu einer Höhe von 388 Euro angerechnet (Stand: 2018). Das heißt: vom Bedarfssatz abgezogen. Arbeitnehmer erhalten das Kindergeld ohne Abzüge. Der Steuerzahlerbund ließ diesen Aspekt unberücksichtigt.

Wir haben nachgerechnet: Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stehen einem Ehepaar mit zwei Kindern, das Hartz IV bezieht – in der Modellrechnung vier und zwölf Jahre alt – folgende Sätze zur Verfügung:

Bedarfssatz pro Monat
Regelbedarf Erwachsener 1 374 Euro
Regelbedarf Erwachsener 2 374 Euro
Regelbedarf Kind 1 240 Euro
Regelbedarf Kind 2 296 Euro
Wohnkosten (Miete und Heizung) 644 Euro

Macht insgesamt 1.928 Euro für die vierköpfige Hartz-IV-Familie. Nur damit ist nicht Schluss: Ein Teil des Kindergeldes in Höhe von 388 Euro wird der Familie wieder abgezogen. Bleiben am Ende 1.540 Euro an Geldleistungen, die der vierköpfigen Modellfamilie im Monat zur Verfügung stehen. Davon müssen auch die Kosten für Wohnen und Heizen bestritten werden – bei unserer Musterfamilie in Höhe von 644 Euro.

Zum Vergleich: Die vierköpfige Arbeitnehmerfamilie erhält zu ihrem Einkommen das Kindergeld ohne Abzüge – egal, was sie verdienen. Damit stehen sie bei gleichem Einkommen besser dar, als die Hartz-IV-Familie.

Regelbedarf: Laut BMAS dient der Regelbedarf in Höhe von pauschal 374 Euro der Sicherung des Lebensunterhalts und umfasst insbesondere den Bedarf für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, und Haushaltsenergie. Die Kosten für Mietzahlungen sowie Heizung und Warmwasser werden mit 644 Euro gesondert bezuschusst. Ausgeklammert wird ebenso der Bedarf zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben.

Wer eine vierköpfige Familie ernähren will, braucht demnach heute einen Bruttolohn von etwa 1.935 Euro, um netto einschließlich Kindergeld das Hartz-IV-Niveau von 1.928 Euro zu erreichen. Das entspricht bei einer 38 Stundenwoche einem Stundenlohn von 11,72 Euro.

Fehlendes Kindergeld führt zu falschen Zahlen

Ganz andere Zahlen ergaben die Rechnungen des Steuerzahlerbundes: Eine vierköpfige Modellfamilie müsse im Monat 2.540 Euro brutto verdienen, um netto so viel zu bekommen wie eine entsprechende Familie mit Hartz IV. Bei einer 38-Stundenwoche müsse der Monatslohn damit bei 15,40 Euro liegen. Kein Wunder, dass sich so der eine oder andere fragte, ob sich Arbeit überhaupt noch lohnt.

Die Schlussfolgerung: Das Lohnabstandsgebot – der Abstand zwischen Löhnen und Sozialleistungen – klaffe erheblich auseinander. Arbeit lohne sich in vielen Fällen nicht. Eine Aussage, die der Steuerzahlerbund einer Revision unterziehen musste.

Lohnabstandsgebot: Das Lohnabstandsgebot ist eine abstrakte Größe, die im Wesentlichen besagt, dass Arbeitnehmer mit ihrem Nettolohn mehr Geld zur Verfügung haben sollen, als Empfänger von staatlichen Leistungen. Also: Arbeit muss sich lohnen.

Arbeit – sie lohnt sich doch

Faktisch hat die Arbeitnehmerfamilie "erkennbar mehr Geld zur Verfügung", kritisiert Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz. Denn entgegen dem Hartz-IV-Haushalt kann diese je nach individueller Situation zusätzlich zum Monatsnetto und dem Kindergeld auch Wohngeld, Kinderwohngeld sowie einen Kindergeldzuschlag beantragen. Zugleich können Arbeitnehmer abhängig von der Lohnsteuerklasse Steuerfreibeträge im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs geltend machen.

Auch sei die vom Steuerzahlerbund herangezogene vierköpfige Modellfamilie eher eine Ausnahme als die Regel bei Hartz-IV-Empfängern. 55 Prozent der Bedarfsgemeinschaften seien Alleinlebende, die bereits "mit einem relativ geringen Einkommen ein Niveau über Hartz IV erreichen können." Nur knapp 16 Prozent seien Bedarfsgemeinschaften von zwei Erwachsenen mit zwei Kindern.

Verwendete Quellen
  • dpa
  • Blog Prof. Dr. Stefan Sell
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales
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