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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krypto-Professor "Bitcoin fällt nie wieder unter 20.000 Dollar"
Der Bitcoin hält mit seinem sprunghaften Kursverlauf die Finanzwelt in Atem. Krypto-Professor Philipp Sandner erklärt, warum der Bitcoin nie wieder verschwinden wird – und was das für unser Finanzsystem bedeutet.
Von der Schmuddelecke zum neuen Goldkandidaten: Die Kryptowährung Bitcoin boomt seit der Corona-Krise und erfreut sich bei großen Investoren einer wachsenden Popularität.
So bietet etwa der Zahlungsdienstleister Paypal in den USA seit Kurzem den Kauf, Verkauf und das Aufbewahren von Bitcoin und anderen Kryptowährungen an. Die Investmentgesellschaft Blackrock plant einen Fonds mit Bitcoin und auch die Kreditkartenanbieter Visa und Mastercard zeigen sich immer offener gegenüber Zahlungen mit Kryptowährungen.
Leitet Bitcoin nun die Revolution des Finanzwesens ein? t-online hat bei Philipp Sandner, Blockchain-Professor und Mitglied im Fintech-Rat des Finanzministeriums, nachgefragt, ob wir bald alle nur noch mit Bitcoin zahlen, wo der Hype enden wird und ob die klassische Bank ausgedient hat.
t-online: Herr Sandner, wann platzt die Bitcoin-Blase?
Philipp Sandner: Um das zu wissen, müssten wir zunächst einmal klären, ob es sich überhaupt um eine handelt. Ich glaube: Es gibt keine Bitcoin-Blase, zumindest nicht dauerhaft. Folglich platzt da auch nichts. Aber natürlich ist die Preisentwicklung seit jeher sehr volatil, so wie auch bei anderen Rohstoffen oder Aktien.
Was macht Sie so sicher? Die Kurse fielen schließlich in den letzten Tagen nach einem Höhenflug wieder stark.
Dazu muss ich etwas ausholen und ein Bild bemühen. Der Bitcoin ist ein neuer digitaler Rohstoff. Er ähnelt in seinen Eigenschaften chemischen Elementen, die Forscher in den vergangenen Jahrzehnten entdeckt haben, zum Beispiel Bor oder Palladium. Am Anfang wussten die Menschen gar nicht, was sie damit anstellen können. Allmählich verstanden sie den Rohstoff und erkannten seinen Nutzen. Plötzlich verbreitete sich der Rohstoff auf der ganzen Welt und wurde immer bekannter. So wird es auch beim Bitcoin sein. Aber eben in einer digitalen Weise.
Eine nette Analogie.
Nicht wahr? Und wenn wir annehmen, dass sie zutrifft, heißt das: Der Bitcoin steht am Anfang einer langen Reise um die Welt. Und wenn das wiederum stimmt, wächst sein Wert langfristig. Auch wenn er kurzfristig mal fällt, wird der Bitcoin-Preis in den kommenden Jahren immer weiter steigen.
Aber irgendwann muss doch einmal Schluss sein mit der Bitcoin-Rally, oder?
Sicher, aber das wird noch etwas dauern. Der Preis wird sich eines Tages auf einem hohen Niveau einpendeln und dann nicht mehr abstürzen. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Der Bitcoin fällt nie wieder unter 20.000 Dollar.
Eine astronomische Summe. Wie kann ein Zahlencode, eine Blockchain, so viel wert sein?
Einspruch! Der Bitcoin ist viel mehr als eine Zahlenkolonne – nur wissen das die meisten Menschen nicht, weil sie sich nicht mit dem Wesen der Kryptowährung beschäftigen. Nehmen Sie allein das wichtigste Merkmal des Bitcoins, seine begrenzte Menge. Sobald 21 Millionen Bitcoins geschürft sind, ist Schluss. Spätestens ab diesem Zeitpunkt geht es dem Bitcoin so wie Gold oder anderen knappen Ressourcen: Sein Wert bestimmt sich durch Angebot und Nachfrage und durch den Glauben der Menschen daran. Und der ist da.
Philipp Sandner leitet das Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management und ist seit 2017 im FinTechRat des Finanzministeriums. Seine Spezialgebiete sind die Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum, der digitale Euro, Tokenisierung von Rechten und Assets sowie der Bereich digitale Identität.
Sie würden also sagen, es lohnt sich auch jetzt noch, zu Höchstpreisen in Bitcoin zu investieren?
Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich aber bin der Meinung, dass Bitcoin noch sehr großes Potenzial hat zu steigen. Natürlich kann sich ein Bitcoin-Investment deshalb lohnen.
Wer Bitcoins besitzt, kann mit der digitalen Münze aber praktisch nichts anstellen. Kaum ein Geschäft akzeptiert die "Währung" als Zahlungsmittel. Ist das nicht ein Problem?
Stimmt. Als Zahlungs- oder Tauschmittel haben sich Kryptowährungen noch nicht durchgesetzt. Das wird sich aber erstens noch ändern und zweitens erfüllt der Bitcoin schon jetzt eine andere Geldfunktion, nämlich die der Wertaufbewahrung, des Schutzes vor Inflation.
Womit wir wieder beim Rohstoff-Vergleich wären, beim "digitalen Gold". Wird der Bitcoin sich dauerhaft als Asset-Klasse etablieren?
Ganz gewiss. Aber: Noch ist Bitcoin kein digitales Gold. Denn Gold ist schon seit Jahrtausenden bekannt – und zwar unter allen sieben Milliarden Menschen. Diesen Verbreitungsgrad hat der Bitcoin noch nicht erreicht. Neben Bitcoin gibt es zahlreiche andere Kryptowährungen.
Assets ist ein Überbegriff für verschiedene Anlageklassen, etwa Rohstoffe, Anleihen, Fonds oder Aktien.
Wann werden diese dem Bitcoin den Rang ablaufen – und an welche Währung denken Sie dabei?
Gar nicht. So etwas wie Bitcoin passiert in der Geschichte der Menschheit einmal alle paar Jahrzehnte. Da können Sie jetzt eine noch so tolle Kryptowährung auf dem Markt bringen – es ist unmöglich, den Erfolg von Bitcoin kurzfristig zu erreichen oder auch nur annährend aufzuholen.
Warum?
Weil der Bitcoin der erste seiner Art ist. Es gibt mehr als 4.000 Kryptowährungen, aber Bitcoin und Ethereum – die zweitwichtigste Kryptowährung – machen gemeinsam etwa 80 Prozent des Marktes aus. Was auf den Plätzen drei bis 4.000 passiert, ist damit uninteressant. Oder anders ausgedrückt: Es wird keinen Bitcoin 2.0 geben.
Aber andere Währungen wie etwa Litecoin sind doch viel leichter zu minen und als Zahlungsmittel einzusetzen.
Mag sein. Aber warum sprechen wir dann nicht schon eine halbe Stunde über Litecoin? Eine Innovation, die sich verbreiten soll, ist ein Mix aus Technik und Marketing. Wenn Sie eine neue, gute Technologie auf die Beine stellen, heißt das erst einmal gar nichts. Denn: Der Neuigkeitsgehalt ist nicht mehr da, die Nachricht verfängt sich nicht mehr in den Köpfen der Menschen. Neue Coins – auch wenn sie technisch besser sind – werden es daher extrem schwer haben, dem Bitcoin als Branchenprimus den Rang abzulaufen.
"Minen", auf Deutsch "schürfen", bezeichnet in der Krypto-Szene den Entstehungsprozess eines Coins. Um etwa einen Bitcoin zu minen, muss der Computer eines Nutzers eine komplizierte Rechenaufgabe lösen.
Noch sind Kryptowährungen eher ein Nischenthema, dem Experten wie Sie aber eine Revolution zutrauen. Ist der Aufstieg der Kryptowährungen wirklich vergleichbar mit der Entwicklung des Internets?
Ja, die Blockchain-Technologie ist definitiv mit dem Aufkommen des Internets vergleichbar. Früher haben wir uns Postkarten gesendet – heute machen wir ein Foto und schicken es per WhatsApp in Sekundenschnelle an zehn Leute gleichzeitig. Und zwar kostenlos. Da sehen Sie die Revolution der Digitalisierung wie im Bilderbuch. So wird es auch es mit den Kryptowährungen sein, besonders in der Finanzwelt.
Wie genau meinen Sie das?
Kryptowährungen werden das Finanzsystem komplett umkrempeln. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Blockchain-Technologie die Basis für die Infrastruktur der Zukunft ist. Früher oder später wird jedes Asset – Aktien, Anleihen, Rohstoffe – auf Blockchain-Basis abgebildet sein, Stichwort Tokenisierung.
Das ging jetzt etwas schnell. Könnten Sie das bitte genauer erklären?
Selbstverständlich. Den Hintergrund für das, was ich angerissen habe, bildet die Kryptowährung Ethereum. Gemeint ist damit weniger eine Währung als mehr ein ganzes Ökosystem: Anders als mit Bitcoin lassen sich mit Ethereum unter anderem Verträge transparent abschließen. Auf diese Weise können Sie alle möglichen Assets auf Ethereum bauen und wirtschaftliche Transaktionen und Verträge zertifizieren. Gewissermaßen ist Ethereum ein zweiter digitaler Rohstoff. Um im Bild zu bleiben: Wenn Bitcoin das digitale Gold ist, ist Ethereum das digitale Öl. Beide sind nicht miteinander vergleichbar. Sie ersetzen sich nicht gegenseitig, sondern sind eher komplementär zueinander.
Klingt, als würde jeder, der da mitmacht, zum Gewinner von morgen. Wer sind die Verlierer dieser Blockchain-Revolution?
Alle Firmen, die das Thema Digitalisierung und Kryptos nicht ernst nehmen. Wer das umgekehrt tut, zählt tatsächlich zu den Gewinnern. Nehmen Sie etwa ein Unternehmen wie Coinbase, bei dem Sie Ihre Kryptowährung aufbewahren und mit ihr handeln können. Coinbase hat es innerhalb von wenigen Jahren geschafft, auf eine Bewertung von fast 80 Milliarden US-Dollar zu kommen. Das ist quasi doppelt so viel wie die Deutsche Börse.
Gutes Stichwort! Eine Blockchain hat 24 Stunden geöffnet, Coinbase auch. Wer braucht da eigentlich noch Institutionen wie die klassische Börse mit lästigen Schlusszeiten?
Berechtigte Frage: Bei der Börse würde ich Ihnen recht geben, da könnte es die herkömmliche Börse eines Tages vielleicht wirklich nicht mehr brauchen. Anders sieht es bei Banken aus: Natürlich können Sie Bitcoins theoretisch selbst verwahren. Aber Sie brauchen technische Kenntnisse, ansonsten stiehlt Ihnen jemand die Bitcoins von Ihrem Handy oder der Festplatte herunter und Sie merken es gar nicht. Genau das ist die Rolle der Bank, da die Bank in der Lage ist, auf Assets aufzupassen wie sonst keiner.
Herr Sandner, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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