Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Grüner Wasserstoff Thyssenkrupp-Tochter strauchelt an der Börse
![Nucera ist eine Tochter des Stahlkonzerns thyssenkrupp: Das Unternehmen baut Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff (Symbolbild). Nucera ist eine Tochter des Stahlkonzerns thyssenkrupp: Das Unternehmen baut Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff (Symbolbild).](https://images.t-online.de/2025/02/II47PYYaDBrU/0x301:4000x2250/fit-in/1920x0/nucera-ist-eine-tochter-des-stahlkonzerns-thyssenkrupp-das-unternehmen-baut-anlagen-zur-herstellung-von-wasserstoff-symbolbild.jpg)
Viele Länder setzen wieder stärker auf fossile Energien, nicht nur die USA. Dabei sollte doch Wasserstoff helfen, die Klimaziele zu erreichen. Wasserstoff-Aktien wie Nucera weckten Hoffnungen. Inzwischen macht sich Ernüchterung breit.
"Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist", schrieb der französische Politiker und Schriftsteller Victor Hugo im 19. Jahrhundert. Aber was, wenn eine Idee ihrer Zeit, beziehungsweise den Rahmenbedingungen voraus ist? So geschehen bei Wasserstoff. Und den Unternehmen, die an seiner Herstellung beteiligt sind, wie Nucera.
Nucera ist eine Tochter des Stahlkonzerns Thyssenkrupp und baut Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff. Im Sommer 2023 ging das Unternehmen an die Börse. Die Erwartungen waren hoch: Wasserstoff galt als Zukunftsrohstoff und Nucera als gut aufgestellt, um Nutznießer des Trends vor allem zu grünem Wasserstoff zu sein.
Was ist grüner Wasserstoff?
Wasserstoff ist ein Gas, das den Klimaschutz voranbringen kann, weil es eine Alternative zu Öl und Gas, also zu fossilen Energieträgern, ist. Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien erzeugt und könnte in Industrie und Verkehr eine Schlüsselrolle spielen. Denn bei seinem Einsatz wird kein klimaschädliches CO2 freigesetzt. Zudem lässt er sich gut transportieren.
Thema und Timing passten
An der Börse kam die Idee gut an: Die Aktie war zu 20 Euro ausgegeben worden und stieg zügig an. Was Nucera ausmachte: über 60 Jahre Erfahrung in der Technologie, Wachstum und Gewinne. Damit war ein guter Teil der Konkurrenz deklassiert: Denn Verluste und Wasserstoff-Firmen scheinen leider oft zusammenzugehören. Siehe das schwedische Unternehmen Nel.
Bei Nucera kann man sagen: Thema und Timing für den Börsengang passten. Denn spätestens seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine war Energiesicherheit ein ernsthaftes Thema für Unternehmen wie Verbraucher. Und Wasserstoff war plötzlich ein enormer Hoffnungsträger in der Debatte um ausbleibendes, fossiles Erdgas, Flüssiggaslieferungen aus Norwegen und den USA.
Von der Realität eingeholt
Doch auch bei Nucera kam schon bald der Realitätscheck: Die Aktie hat seit dem Börsengang Mitte 2023 mehr als 60 Prozent an Wert verloren, allein 20 Prozent in diesem noch jungen Jahr. Allerdings läuft es bei anderen Wasserstoff-Aktien wie Nel oder Plug Power – zumindest derzeit – ähnlich schlecht an der Börse.
Dabei hat Nucera im vergangenen Geschäftsjahr rund 40 Prozent mehr Wasserstoff-Anlagen gebaut als im Jahr davor. Das Unternehmen liefert zum Beispiel für die Wasserstoff-Megacity Neom in Saudi-Arabien eine Anlage. Der saudische Staatsfonds ist denn auch an Nucera beteiligt. Der Umsatz von Nucera ist im vergangenen Geschäftsjahr gestiegen – vor allem durch genau das Geschäftsfeld mit den Anlagen, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff wandeln.
Und dennoch: Operativ steht ein Minus von 14 Millionen Euro in der Bilanz des Jahres 2023/24, das im September zu Ende gegangen ist. Ein Jahr zuvor hatte Nucera operativ noch 25 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet.
![Antje Erhard Antje Erhard](https://images.t-online.de/2024/04/RdkbJqDVsk1F/94x14:1950x1300/fit-in/1920x0/image.jpg)
Zur Person
Antje Erhard arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin und TV-Moderatorin. Ihr Weg führte sie von der Nachrichtenagentur dpa-AFX u. a. zum ZDF. Derzeit arbeitet sie für die ARD-Finanzredaktion in Frankfurt und berichtet täglich, was in der Welt der Börse und Wirtschaft passiert.
Preis ist entscheidender Faktor
Aber wie kann das sein: Zukunftstechnologie, ein Wachstumsmarkt, aber Verluste? Das kommt davon, wenn Erwartung und Realität aufeinandertreffen.
Das Problem: Um Wasserstoff als Energiequelle in großem Stil nutzen zu können, muss er erst einmal hergestellt werden, denn die natürlichen Vorkommen reichen bei Weitem nicht aus. Klimafreundlich ist das nur, wenn Wasserstoff aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, was aber bislang kaum der Fall ist. Denn das ist aufwendig und sehr teuer.
Doch gerade die Energiekosten machen der Industrie zu schaffen, und man schaut auf den Preis. Und so verpflichten sich Industrieunternehmen aktuell nicht zur Abnahme großer planbarer Mengen von grünem Wasserstoff, weil schlicht nicht kalkulierbar ist, zu welchem Preis große Mengen davon hergestellt werden können. Das gilt nicht nur für Deutschland.
Gut, aber teurer als gedacht
Die Preisentwicklung steht und fällt mit der Technologie: Würde grüner Wasserstoff mit der sogenannten Wasserelektrolyse günstiger hergestellt werden als derzeit, würde der Preis für alle sinken. Doch da beißt sich die Katze in den Schwanz: Die Technologie ist zu teuer, um flächendeckend eingesetzt zu werden. Die mangelnde Nachfrage verhindert, dass sich die Technologie entwickelt und groß wird. Und der Preis für grünen Wasserstoff bleibt hoch.
Derzeit sind mehr als acht Euro pro Kilo fällig, deutlich mehr als einst erwartet. Zum Vergleich: Sogenannter grauer Wasserstoff, bei dem CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird, kostet rund drei Euro.
Für Stahlbranche wäre Wasserstoff der Game Changer
Dabei ist vollkommen klar, was Wasserstoff leisten könnte: Beispiel Stahlindustrie. Nicht umsonst hat der Stahlhersteller Thyssenkrupp, Mutter von Nucera, die erste sogenannte Direktreduktionsanlage auf den Weg gebracht. In diesen Anlagen wollte man Erz mit Wasserstoff in Eisen umwandeln. 2029 sollte die Anlage laufen. Thyssenkrupp wollte damit 3,5 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß jährlich einsparen.
Inzwischen überprüft Thyssenkrupp den Bau, weil die Kosten höher auszufallen drohen als gedacht, trotz staatlicher Subventionen. Noch ist nichts entschieden. Allerdings sei nicht verhehlt, dass Thyssenkrupp derzeit in einer tiefen Krise steckt, weil das schwächelnde Stahlgeschäft Milliardenverluste erwirtschaftet. Da kommen also viele Bremsfaktoren zusammen.
- Lesen Sie auch: Wie Thyssenkrupps Streit um die Stahlsparte eskaliert
Zurück zur fossiler Energie?
Und auch andere Entwicklungen schlagen zu Buche: So manche Volkswirtschaften setzen (wieder) auf fossile Energien, etwa die USA. Dabei hatten sie noch 2022 mit einem Gesetz, dem Inflation Reduction Act, auch und gerade Maßnahmen zum Klimaschutz und erneuerbaren Energien mit Milliarden gefördert. Schon am ersten Amtstag unterzeichnete der neue US-Präsident, Donald Trump, ein Dokument, um die Förderung von grünem Wasserstoff in den USA zu stoppen. Damit stockt nun die Energiewende in den USA.
Doch die Wasserstoff-Technologie ist deshalb nicht am Ende. Nach Einschätzung des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung sind viele Projekte geplant, die Umsätze von Nucera und Co. steigen, die Europäische Kommission hat am Jahresende gut vier Milliarden Euro an Förderungen zugesagt. Unsicherheiten bleiben, etwa wie schnell, zu welchem Preis und wann die Technologie entwickelt und in größerem Umfang eingesetzt wird. Nucera und Co. müssen diese Hürden noch überwinden. Die Frage bleibt, ob die Zeit für die gute Idee Wasserstoff tatsächlich schon gekommen ist.
- Eigene Meinung